Human Resources
Burn-out am Schreibtisch: Wie Unternehmen die mentale Gesundheit stärken können

Burn-out am Schreibtisch: Wie Unternehmen die mentale Gesundheit stärken können

Marié Detlefsen | 14.05.25

Immer mehr Arbeitnehmer:innen in Deutschland leiden unter Stress und Erschöpfung – höchste Zeit, mentale Gesundheit am Arbeitsplatz ernst zu nehmen. Wir stellen dir sechs Tipps zur Verbesserung der Gesundheit am Arbeitsplatz vor und zeigen, welches Modell in diesem Rahmen auf Island erfolgreich ist.

Anlässlich der Woche der seelischen Gesundheit rückt ein Thema ins Zentrum der Aufmerksamkeit, das längst nicht mehr ignoriert werden kann: die mentale Verfassung von Arbeitnehmer:innen in Deutschland. Die Zahlen zeigen dabei ein eher düsteres Bild, denn laut aktuellen Daten von Buchhaltungsbutler fühlen sich 44 Prozent der Arbeitnehmer:innen in Deutschland häufig ausgebrannt. Besonders betroffen sind Frauen, wobei 38 Prozent mehrmals pro Woche über Stresssymptome klagen.

Die Grenzen zwischen Beruflichem und Privatem verschwimmen zusehends. So prüft etwa ein Viertel der Beschäftigten regelmäßig auch nach Feierabend noch berufliche E-Mails. Diese Entwicklung hat nicht nur Auswirkungen auf das individuelle Wohlbefinden, sondern stellt Unternehmen langfristig vor wirtschaftliche Herausforderungen: Der Rückgang des globalen Mitarbeiter:innenengagements liegt aktuell bei lediglich 21 Prozent und führte 2024 weltweit zu Produktivitätsverlusten in Höhe von 438 Milliarden US-Dollar.

Vor allem Frauen klagen häufig über Stress am Arbeitsplatz.
Vor allem Frauen klagen häufig über Stress am Arbeitsplatz, © Buchhaltungsbutler

6 Tipps zur Verbesserung der (mentalen) Gesundheit am Arbeitsplatz

Doch wie lässt sich die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz konkret verbessern? Mithilfe von Quellen des Liquidation Centre haben wir sechs wirksame Strategien zusammengestellt, welche Arbeitgeber:innen helfen können, Stress zu reduzieren und die mentale Widerstandsfähigkeit ihrer Teams zu stärken:

1. Mehr Autonomie im Arbeitsalltag ermöglichen

Einer der größten Stressauslöser ist Mikromanagement. Wer ständig kontrolliert wird, verliert das Gefühl von Eigenverantwortung und Handlungsspielraum. Eine einfache, aber wirkungsvolle Maßnahme ist es daher, Mitarbeiter:innen mehr Freiheit zu geben – sei es durch flexible Arbeitszeiten, hybride Modelle oder die selbstständige Wahl von Tools und Arbeitsabläufen. Autonomie stärkt das Vertrauen und fördert die Motivation sowie das Engagement.

2. „Psychische Gesundheitstage“ zur Normalität machen

Genau wie bei körperlichen Beschwerden sollte es möglich sein, sich auch bei mentaler Erschöpfung freizunehmen. Krankheitstage für die Psyche sind keine Schwäche, sondern ein Ausdruck eines gesunden Umgangs mit Belastung. Entscheidend ist, dass Führungskräfte mit gutem Beispiel vorangehen und eine Kultur schaffen, in der solche Auszeiten nicht hinterfragt, sondern unterstützt werden. Natürlich sollten Arbeitnehmer:innen diese Freiheiten nicht bei jeder kleinen emotionalen Verstimmung ausnutzen, aber psychische Gesundheitstage sind ein wirksames Mittel gegen Stress und können nicht nur helfen, Burn-out vorzubeugen, sondern auch zu einem produktiveren Arbeitsplatz beitragen.

3. Stressbewältigung zur Stärkung der Gesundheit

Ein einzelner Vortrag reicht nicht aus, um nachhaltige Veränderungen zu bewirken. Effektiv sind kontinuierliche Programme, die Techniken wie Atemübungen, Achtsamkeit oder Muskelentspannung vermitteln. Beliebt sind auch regelmäßige Mental-Fitness-Sessions in der Mittagspause oder Team-Challenges wie Dankbarkeitstagebücher. Führungskräfte sollten aktiv teilnehmen – das signalisiert Wertschätzung und schafft Glaubwürdigkeit. Unternehmen können auch Kooperationen mit Fitnesscentern eingehen und Angestellten so die Möglichkeit auf Sportprogramme geben.


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© Andrea Piacquadio – Pexels


4. Die Arbeitsumgebung stressfreier gestalten

Das physische Umfeld wirkt sich ebenfalls unmittelbar auf die psychische Gesundheit aus. Helles Licht, laute Großraumbüros oder sterile Räume fördern Unruhe und Erschöpfung. Im Gegensatz dazu steigern Pflanzen, Tageslicht und Ruhezonen nachweislich das Wohlbefinden. Auch für Remote-Angestellte können Arbeitgeber:innen aktiv werden, etwa durch Zuschüsse für ergonomisches Mobiliar oder Luftreiniger im Home Office.

5. Unterstützungsangebote sichtbar und zugänglich machen

Viele Unternehmen bieten bereits Hilfe an – doch oft wissen Mitarbeiter:innen nicht, dass es diese Angebote gibt oder scheuen sich, sie zu nutzen. Wichtig ist daher: Sichtbarkeit und kontinuierliche Kommunikation. Ob durch interne Newsletter, sichtbare Buttons auf HR-Plattformen oder feste Ansprechpartner:innen – wer Hilfe sucht, sollte diese einfach finden und ohne Vorbehalte in Anspruch nehmen können.

6. Klare Rollendefinitionen schaffen Sicherheit

Unklare Aufgabenverteilungen erzeugen Unsicherheit und können psychisch stark belasten. Eine regelmäßige Überprüfung von Stellenbeschreibungen und die klare Definition von Verantwortlichkeiten helfen, Stress zu vermeiden. Tools wie RACI-Diagramme unterstützen dabei, Entscheidungswege transparent darzustellen. Wenn Mitarbeiter:innen wissen, was von ihnen erwartet wird, können sie mit mehr Selbstvertrauen agieren.

Bessere Gesundheit durch die 4-Tage-Woche?

Ein weiteres Modell, das das Potenzial hat, die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz maßgeblich zu verbessern, ist die 4-Tage-Woche. In Island wurde dieses Arbeitszeitmodell bereits 2015 testweise eingeführt und zeigt Erfolg. Seit 2019 profitieren rund 90 Prozent der isländischen Beschäftigten von einer reduzierten Wochenarbeitszeit bei vollem Gehalt.

Entgegen anfänglicher Skepsis blieb die Produktivität nicht nur stabil – in manchen Bereichen stieg sie sogar. Ein entscheidender Faktor war die Verbesserung der mentalen Gesundheit der Arbeitnehmer:innen. Weniger Stress, mehr Zeit für die Familie und persönliche Interessen sowie ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen Beruf und Privatleben sorgten für mehr Zufriedenheit und Engagement.

Noch dazu fördert das Modell auch die Geschlechtergerechtigkeit, indem es Männern mehr Zeit für Familie und Haushalt gibt. Anders als in Ländern wie Belgien wird in Island die verkürzte Arbeitszeit nicht durch längere Tage kompensiert, sondern durch echte Reduktion ermöglicht. Digitale Prozesse und moderne Arbeitsorganisation machen dies möglich.

Eine gute (mentale) Gesundheit ist maßgebend

Die psychische Gesundheit von Arbeitnehmer:innen ist kein „Nice-to-have“ – sie ist ein zentraler Pfeiler für langfristigen Unternehmenserfolg. In einer Zeit, in der Engagement sinkt und Burn-out zunimmt, müssen Unternehmen daher aktiv gegensteuern. Die vorgestellten Tipps bieten einige Ansätze, um Arbeitnehmer:innen zu entlasten und ihre (mentale) Gesundheit zu fördern. Denn eine gesunde Arbeitswelt ist keine Zukunftsvision, sondern eine dringende Notwendigkeit. Deshalb sollten Unternehmen nicht auf jeden Trend aufspringen, sondern schauen, ob dieser mit der Arbeitsweise der Mitarbeiter:innen und den eigenen Kapazitäten vereinbar ist. Mehr dazu erfährst du im folgenden Artikel:


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