Human Resources
Motivationslos, überlastet, krank? Wie Personalabbau den Arbeitsalltag beeinflusst

Motivationslos, überlastet, krank? Wie Personalabbau den Arbeitsalltag beeinflusst

Marié Detlefsen | 13.05.25

Krisenbedingte Einstellungsstopps und Personalabbau treffen nicht nur die Unternehmenszahlen – sie wirken sich direkt auf die Belastung der Arbeitnehmer:innen aus. Über 60 Prozent verlieren die Motivation, viele beklagen Mehrarbeit ohne Entgelt. Warum Unternehmen gegensteuern müssen.

Wenn Unternehmen den Rotstift ansetzen, bleibt das selten ohne Folgen – und zwar nicht nur auf betrieblicher Ebene. Kündigungswellen, Einstellungsstopps und andere Sparmaßnahmen hinterlassen tiefe Spuren im Arbeitsalltag, der Motivation und der psychischen Gesundheit von Arbeitnehmer:innen. Eine aktuelle Studie von Protime in Kooperation mit YouGov zeigt nun, welche spürbaren Auswirkungen Krisen und Personalabbau auf die Mitarbeitenden haben.

Personalabbau auf dem Rücken der Belegschaft

Von den insgesamt 343 befragten Personen hat ein Viertel der Arbeitnehmer:innen innerhalb des vergangenen Jahres direkte Erfahrungen mit Personalmaßnahmen wie Kündigungen oder einem Einstellungsstopp gemacht. Die Hauptgründe für diese Schritte liegen vor allem in Budgeteinsparungen (genannt von 43 Prozent der Betroffenen), Umstrukturierungen (42 Prozent) sowie in Leistungsdefiziten, die bei rund 20 Prozent der Fälle zu Entlassungen führten. Bemerkenswert ist, dass mehr als ein Viertel der Betroffenen keine Informationen zu den Hintergründen dieser Maßnahmen erhielt – ein Indiz für die mangelhafte Kommunikation innerhalb vieler Unternehmen.

Ein differenzierter Blick auf die Generationen zeigt: Während jüngere Mitarbeitende der Generation Z die Lage vergleichsweise ruhig beurteilen, sind es vor allem Beschäftigte der Babyboomer-Generation, die sich vermehrt Sorgen um ihre berufliche Zukunft machen. Auch zwischen den Geschlechtern treten Unterschiede zutage: Frauen fühlen sich häufiger vom Entscheidungsprozess ausgeschlossen als Männer – ein deutliches Signal in Richtung notwendiger Transparenz und Einbindung.

Personalabbau sorgt für Motivationsverlust, Krankmeldungen und Überförderung

Laut der Studie sind die entstehenden psychischen und physischen Folgen dieser Entwicklungen tiefgreifend: Mehr als sechzig Prozent der betroffenen Arbeitnehmer:innen berichten von einem starken Motivationsverlust. Gleichzeitig meldeten sich 31 Prozent häufiger krank als zuvor. Noch auffälliger: Über die Hälfte beobachtete vermehrte Krankheitsausfälle im Kollegium (56 Prozent). Dies zeigt auch, dass verbleibende Kräfte häufig die Mehrarbeit von fehlenden Angestellten auffangen müssen, ohne Rückhalt oder Ausgleich zu erhalten.

Diese Folgen durch Kürzungen oder Entlassungen nehmen Arbeitnehmer:innen besonders wahr.
Diese Folgen durch Kürzungen oder Entlassungen nehmen Arbeitnehmer:innen besonders wahr (die Grafik wurde mithilfe von ChatGPT erstellt; Daten von Protime/YouGov)

Auch Freizeit und Erholung geraten zunehmend unter Druck: Fast ein Fünftel der Befragten sah sich gezwungen, geplante Urlaube zu verschieben oder ganz abzusagen. Weitere 15 Prozent gehen davon aus, dass es künftig zu ähnlichen Einschränkungen und Belastungen im Arbeitsalltag kommen wird.

Die Arbeitsbelastung steigt – besonders für Führungskräfte und Vollzeitkräfte

Zwar sind nicht alle Arbeitnehmer:innen gleichermaßen betroffen, trotzdem ist die Belastung spürbar gestiegen. 43 Prozent berichten von einer Zunahme der Arbeitslast – davon empfinden 18 Prozent diese als massiv, weitere 25 Prozent als merklich erhöht. Führungskräfte sehen sich mit 52 Prozent deutlich stärker unter Druck als Angestellte ohne Leitungsfunktion. Auch zwischen Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten klafft eine Lücke, denn während 44 Prozent der Vollzeitkräfte eine gesteigerte Arbeitslast empfinden, sind es bei den Teilzeitkräften 37 Prozent.

Interessant ist zudem, dass sich die Reaktionen auf die neue Realität stark unterscheiden: Während 45 Prozent der Betroffenen von starkem Stress und Überforderung sprechen, gelingt es 44 Prozent immerhin, mit der Situation einigermaßen zurechtzukommen.


Zwischen Überforderung und Effizienz:

48 Prozent der Arbeitnehmenden leiden unter digitalem Stress

Zwischen Überforderung und Effizienz: 48 Prozent der Arbeitnehmenden leiden unter digitalem Stress.
© Tima Miroshnichenko – Pexels


Mit Transparenz gegen den Personalabbau

Dennoch gibt es eine Entwicklung, welche laut der Studie langsam kritische Ausmaße annimmt: die mangelnde Kompensation für Mehrarbeit. Zwar erhalten 33 Prozent derjenigen, die von steigender Arbeitsbelastung betroffen sind, einen Freizeitausgleich. Doch immerhin 24 Prozent müssen sich mit einer finanziellen Abgeltung der Überstunden zufriedengeben – und nur 19 Prozent dürfen auf einen Bonus oder eine andere Form des Ausgleichs hoffen.

Erschreckend ist der hohe Anteil an Beschäftigten (46 Prozent), die für ihre zusätzliche Arbeit keinerlei Anerkennung oder Gegenleistung erhalten. Diese Entwicklung könnte langfristig nicht nur zu noch stärkerem Motivationsverlust führen, sondern auch die Bindung der Mitarbeitenden an das Unternehmen massiv gefährden. Gille Sebrechts, CEO von Protime, sagt über diese Entwicklung:

Die Zahlen zeigen deutlich, unter welchem Druck viele Beschäftigte in Deutschland derzeit stehen – nicht zuletzt durch aktuelle Einstellungsstopps und Entlassungen. Gerade in solchen Zeiten darf Transparenz kein nettes Extra sein, sondern muss als echte Führungsaufgabe verstanden werden. Zeiterfassung dient dabei nicht der Kontrolle, sondern schafft dringend benötigte Klarheit: Für Mitarbeitende bedeutet das, schwarz auf weiß zu sehen, wie viel sie tatsächlich arbeiten – faktenbasiert und ehrlich. Wer war lange nicht im Urlaub? Wo häufen sich Überstunden? Wo droht Überlastung? So wird Zeiterfassung zu einem direkten Weg, den Puls des Teams zu fühlen.

Einstellungsstopps und Personalabbau sind also nicht nur wirtschaftliche Maßnahmen, sondern haben tiefgreifende Auswirkungen auf die Lebensrealität von Arbeitnehmer:innen. Unternehmen und Arbeitgeber:innen sollten reagieren – mit offener Kommunikation, fairer Kompensation und echten Unterstützungsangeboten. Eine gute Zeiterfassung oder Weiterbildungsangebote stellen hier eine gute Möglichkeit dar. Oder wie wäre es mit der Einführung von Null-Bock-Tagen? Denn wer die Anzeichen missachtet, riskiert ansonsten nicht nur die eigene Arbeitgeber:innenmarke, sondern auch die langfristige Leistungsfähigkeit ihrer Belegschaft.


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