Human Resources
Immer im Dienst? Wie schwer Arbeitnehmer:innen im Urlaub abschalten können

Immer im Dienst? Wie schwer Arbeitnehmer:innen im Urlaub abschalten können

Marié Detlefsen | 26.06.25

Urlaub ist für viele Beschäftigte längst keine arbeitsfreie Zeit mehr – berufliche Anrufe und Nachrichten stören zunehmend die Erholung. Erfahre, wie stark vor allem Führungskräfte betroffen sind und welche gesundheitlichen Folgen drohen.

Sonne, Strand und endlich mal abschalten – das ist für viele Arbeitnehmer:innen in der Theorie das Idealbild vom Sommerurlaub. Doch in der Realität sieht das oft ganz anders aus: Die Mails werden auch am Pool gecheckt, der Anruf vom Chef kommt auf der Wanderung durch die Berge, und das Diensthandy bleibt griffbereit – für den Fall der Fälle. Die jüngste Arbeitsplatzstudie von Protime in Zusammenarbeit mit YouGov zeigt, wie schwer es Beschäftigten in Deutschland tatsächlich fällt, im Urlaub zur Ruhe zu kommen – und welche gesundheitlichen Folgen das haben kann.

Führungskräfte leben Dauerverfügbarkeit im Urlaub vor

Die Ergebnisse der Studie zeichnen ein deutliches Bild: Fast 40 Prozent der Befragten geben an, dass sie auch im Urlaub dienstliche Nachrichten erhalten – und dadurch ihre Erholungszeit unterbrochen wird. Die Grenze zwischen Beruflichem und Privatem ist zunehmend schwer zu ziehen. Doch diese Belastung bleibt nicht folgenlos. Rund 41 Prozent der Teilnehmenden empfinden die permanente Erreichbarkeit als gesundheitlich belastend – Frauen spüren diesen Druck übrigens häufiger als Männer. Der Sommerurlaub, eigentlich gedacht zur Regeneration und Entschleunigung, verkommt so bei vielen zur verlängerten Schicht – nur eben unter Palmen.

60 Prozent der Führungskräfte antworten auch außerhalb der Arbeitszeit auf berufliche Anfragen (mit einem Klick aufs Bild gelangst du zur größeren Ansicht; Grafik anhand der Protime-Studie mithilfe von ChatGPT erstellt)

Ein Blick auf die unterschiedlichen Hierarchieebenen zeigt: Wer oben steht, steht besonders unter Strom. In Führungspositionen ist es fast schon selbstverständlich, auch nach Feierabend und im Urlaub erreichbar zu bleiben. 60 Prozent der Führungskräfte antworten auch außerhalb der Arbeitszeit auf berufliche Anfragen. Bei Mitarbeitenden ohne Führungsverantwortung liegt dieser Wert mit 33 Prozent deutlich niedriger. Mit wachsender Verantwortung wachsen offenbar auch die stillschweigenden Erwartungen – ganz gleich, ob man sich gerade im Büro oder im Urlaub befindet. So geben sogar sieben Prozent der Führungskräfte an, häufig kontaktiert zu werden, selbst wenn sie offiziell freihaben.

Warum sind so viele Arbeitnehmer:innen im Urlaub erreichbar?

Überraschend ist, auf welchen Wegen die Arbeit ihren Weg in die Freizeit findet. Entgegen dem digitalen Zeitgeist greift über die Hälfte der Führungskräfte (56 Prozent) am liebsten zum guten alten Telefon, wenn es darum geht, Mitarbeitende außerhalb der Arbeitszeit zu erreichen. Fast die Hälfte nutzt hingegen Tools wie Microsoft Teams, Slack oder WhatsApp – auch während des Urlaubs.

Warum greifen so viele trotz Urlaub oder Freizeit zum Handy, wenn sich die Vorgesetzten melden? Die Antworten darauf variieren je nach Generation:

  • Gen Z: Fast ein Drittel (32 Prozent) antwortet, um die Vorgesetzten nicht zu enttäuschen.
  • Millennials: 41 Prozent geben persönliches Engagement als Hauptgrund an.
  • Gen X: Für 70 Prozent ist es die gefühlte Dringlichkeit, die sie zum Antworten bringt.
  • Babyboomer: Mehr als die Hälfte (51 Prozent) reagieren aus innerer Überzeugung, also aus eigenem Antrieb.

Ein Phänomen verbindet alle Generationen: die innere Verpflichtung. 14 Prozent aller Befragten handeln aus Angst, negativ aufzufallen. Weiter fühlen sich 64 Prozent durch Dringlichkeit zum Handeln gedrängt, und 45 Prozent reagieren, weil sie sich mit ihrem Job stark identifizieren.


Ständig erreichbar:

Warum viele im Sommerurlaub nicht abschalten können

Ständig erreichbar: Warum viele im Sommerurlaub nicht abschalten können.
© Tima Miroshnichenko – Pexels, via Canva


Im Urlaub nicht abschalten zu können, mindert den Erholungseffekt

Dass ständige Erreichbarkeit kein harmloses Nebenprodukt moderner Arbeitskultur ist, zeigt sich in den gesundheitlichen Folgen. Vor allem junge Menschen empfinden die Dauerverfügbarkeit als Belastung: 47 Prozent der Gen Z sehen darin ein Risiko für ihr Wohlbefinden. Frauen fällt es laut Studie schwerer, wirklich abzuschalten – fast jede Zweite empfindet die Erreichbarkeit in der arbeitsfreien Zeit als belastend. Was zunächst nach Engagement und Verlässlichkeit klingt, kann in Wahrheit oft ein schleichender Weg in die Erschöpfung sein.

Die Diskussion um ein Recht auf Nichterreichbarkeit gewinnt deshalb an Fahrt. Besonders in den jüngeren Generationen wünschen sich viele eine gesetzlich geregelte Grenze zwischen Arbeit und Freizeit: 72 Prozent der Gen Z und Millennials sprechen sich dafür aus. Unter den Babyboomern ist diese Zahl mit 48 Prozent deutlich geringer. Auch regional zeigen sich Unterschiede – in Berlin und Hamburg ist der Wunsch nach rechtlicher Klarheit am größten. Grundsätzlich gibt es eine klare Trennung, da das Arbeitszeitgesetz in Deutschland recht strikt mit den Stunden und Tagen ist, die man arbeiten darf. Dennoch muss es klare Regeln geben, um diese Ruhetage auch einzuhalten.

Pause muss wieder Pause werden

Die Studie zeigt deutlich: Der Sommerurlaub ist für viele keine ungestörte Auszeit mehr, sondern oft nur ein Ortswechsel mit WLAN. Damit die Erholung wirklich stattfinden kann, braucht es mehr als gute Absichten. Zeiterfassung könnte ein hilfreiches Instrument sein, um klare Grenzen zu ziehen – nicht als Kontrollwerkzeug, sondern als Schutzmaßnahme. Gille Sebrechts, CEO von Protime, betont:

Die Zahlen zeigen deutlich, dass viele Beschäftigte sich unter Druck gesetzt fühlen, auch nach Feierabend erreichbar zu sein. Umso wichtiger, dass Führungskräfte darauf achten, ihren Mitarbeiter*innen einen erholsamen Feierabend zu gewähren und den Urlaub zu respektieren. Zeiterfassung bietet in diesem Zusammenhang einen wichtigen Anhaltspunkt, um Grenzen sichtbar zu machen und einzuhalten. Sie schafft Transparenz darüber, wann die Arbeitszeit endet – und wann die Erholung beginnt. Mit ihr können Führungskräfte das Signal setzen, dass echte Pausen nicht nur erlaubt, sondern gewünscht sind.

Denn echte Erholung ist kein Bonus, sondern eine Notwendigkeit. Wer nicht abschalten kann, der brennt irgendwann aus – und das trifft nicht nur Mitarbeitende, sondern auch Führungskräfte selbst. Es braucht ein Umdenken in den Unternehmen, klare Spielregeln für die Erreichbarkeit – und nicht zuletzt den Mut, auch mal auf „Nicht stören“ zu schalten. Auch eine gute Teamplanung während der Urlaubszeit kann für Stressabbau sorgen. Mehr dazu erfährst du im folgenden Artikel:


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© Andrea Piacquadio – Pexels

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