Human Resources
Zwischen Vorsicht und Offenheit: So verändert sich das Recruiting 2025

Zwischen Vorsicht und Offenheit: So verändert sich das Recruiting 2025

Marié Detlefsen | 23.06.25

Recruiter gehen bei Neueinstellungen aktuell auf Nummer sicher – und setzen vermehrt auf Qualität statt Quantität. Gleichzeitig zeigen sie mehr Verständnis für Lücken im Lebenslauf und behelfen sich im Recruiting vermehrt mit KI-Einsatz. Und was sagen sie zum „Open to Work“-Banner auf LinkedIn?

Die wirtschaftliche Unsicherheit, ausgelöst durch Rezessionsängste und drohende staatliche Stellenkürzungen, zwingt viele Unternehmen zu einem strategischen Umdenken in ihrer Personalpolitik. Recruiter in den USA – und tendenziell auch weltweit – agieren zunehmend vorsichtiger bei der Einstellung neuer Mitarbeiter:innen. Doch während der Fuß vom Gaspedal genommen wird, öffnet sich gleichzeitig ein Raum für mehr Menschlichkeit und Flexibilität in der Bewertung von Bewerber:innen.

Eine aktuelle Umfrage des Karriereportals MyPerfectResume unter 918 US-amerikanischen HR-Fachkräften zeigt: Zwar wird weniger eingestellt, dafür aber differenzierter beurteilt, wer als geeignet gilt. Der „perfekte“ Lebenslauf verliert an Bedeutung – stattdessen gewinnen Authentizität, Anpassungsfähigkeit und Transparenz an Relevanz.

Recruiter stellen ein, mit angezogener Handbremse

Laut der Studie geben 79 Prozent der befragten Personalverantwortlichen an, dass sie ihre Einstellungsstrategien angesichts wirtschaftlicher Unsicherheiten überdenken. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Während 46 Prozent der Unternehmen ihre bisherigen Einstellungsniveaus halten, haben 17 Prozent diese bereits reduziert. Nur 23 Prozent planen, mehr Personal einzustellen – ein deutliches Zeichen für Zurückhaltung.

Diese Zurückhaltung hat unmittelbare Auswirkungen auf Bewerber:innen: Stellen sind nicht nur seltener ausgeschrieben, sondern Bewerbungsprozesse dauern länger und sind mit mehr Hürden versehen. Umso wichtiger ist es, dass Bewerber:innen ihre individuellen Stärken sichtbar machen und nicht ausschließlich auf einen makellosen Lebenslauf setzen.

Von der Lücke zum Lebenslauf-Plus

Dementgegen zeigt sich ein bemerkenswerter Wandel bei der Bewertung von Lücken oder Brüchen im Lebenslauf. Noch vor wenigen Jahren galten sie als Makel, heute betrachten 95 Prozent der befragten HR-Fachkräfte solche Zeiträume mit mehr Nachsicht. Fast die Hälfte der Befragten sieht Lücken als normal an, insbesondere wenn sie mit nachvollziehbaren Gründen wie Pflegezeiten oder gesundheitlichen Herausforderungen erklärt werden können.

Fast die Hälfte der Recruiter sieht Lücken im Lebenslauf als normal an, © MyPerfectResume
Fast die Hälfte der Recruiter sieht Lücken im Lebenslauf als normal an, © MyPerfectResume

Diese Entwicklung ist besonders relevant für Menschen, deren Erwerbsbiografien nicht linear verlaufen. Dazu zählen etwa Eltern, die Phasen der Familienzeit mit beruflichen Auszeiten kombinieren, pflegende Angehörige mit wechselnden Verpflichtungen oder Personen, deren Arbeitsverläufe durch gesundheitliche Einschränkungen geprägt sind. Der Blick auf den Menschen hinter dem Lebenslauf wird differenzierter. Kurze Beschäftigungsphasen werden vermehrt als Zeichen von Anpassungsfähigkeit und gesammelter Erfahrung gewertet – allerdings mit Grenzen: Zu viele Wechsel in kurzer Zeit bleiben für 45 Prozent der Personaler:innen ein Warnsignal.

Künstliche Intelligenz am Verhandlungstisch – Chancen und Risiken

Auch bei der Frage nach Gehaltstransparenz zeigt sich ein Paradigmenwechsel: 85 Prozent der HR-Verantwortlichen in den USA befürworten es, wenn Bewerber:innen ihre Gehaltsvorstellungen bereits im Lebenslauf angeben. Das spart nicht nur Zeit im Auswahlprozess, sondern schafft eine klare Ausgangsbasis für Gespräche.

Ein weiterer tiefgreifender Trend ist die Rolle von Künstlicher Intelligenz in Personalentscheidungen. Zwei Drittel der Befragten geben an, dass KI mittlerweile einen erheblichen Einfluss auf Einstellungs- und Entlassungsprozesse hat. Nur sechs Prozent berichten, dass solche Entscheidungen ausschließlich auf menschlicher Einschätzung beruhen.

Dabei wächst das Bewusstsein für die ethische Verantwortung: 91 Prozent der Personaler:innen wünschen sich mehr Transparenz, wenn KI in Kündigungsentscheidungen involviert ist. Der verantwortungsvolle Umgang mit Technologie wird zu einem neuen Maßstab für Arbeitgeber:innenmarken – und könnte in Zukunft entscheidend sein, wenn es darum geht, Fachkräfte zu gewinnen oder zu halten.


Perfekt formuliert, aber nicht passend:

2 von 3 Bewerbungen mit Hilfe von KI erstellt

Perfekt formuliert, aber nicht passend: 2 von 3 Bewerbungen mit Hilfe von KI erstellt.
© Surface – Unsplash


Auch beim Recruiting über Netzwerke oder Social Media sind Personaler:innen etwas zurückhaltender. So spaltet unter anderem das grüne „Open to Work“-Banner auf LinkedIn die Meinungen. Zwar empfinden 70 Prozent der HR-Verantwortlichen es als positives Signal für Engagement und Offenheit, jedoch halten 87 Prozent es auch für riskant, da es bei falscher Selbstdarstellung einen verzweifelten Eindruck hinterlassen kann. Für Jobsuchende bedeutet das: Sichtbarkeit ist gut – aber nur, wenn sie mit einer gepflegten Online-Präsenz und einem überzeugenden Profil einhergeht.

Für Recruiter zählt Menschlichkeit vor Makellosigkeit

Die Ergebnisse der Studie stützen sich zwar auf Daten aus den USA, dennoch scheint der generelle Arbeitsmarkt derzeit von einem Spannungsverhältnis geprägt zu sein: Auf der einen Seite vorsichtige Personalplanungen, auf der anderen Seite ein wachsendes Verständnis für individuelle Lebensrealitäten. Der Lebenslauf wird entmystifiziert – statt Perfektion zählen heute Offenheit, Klarheit und Kontext. Wer heute den Mut hat, Lücken zu erklären, sich zu positionieren und authentisch aufzutreten, hat gute Chancen, sich im neuen Bewerber:innenmarkt durchzusetzen.

HR Teams suchen keine makellosen Maschinen mehr, sondern Menschen mit Haltung, Anpassungsfähigkeit und einem klaren Werteverständnis. Das mag eine Herausforderung sein – aber auch eine große Chance für all jene, die bisher durchs Raster gefallen sind.


„Benefits greifen oft zu kurz“

– jede:r vierte Erwerbstätige leidet unter mentalen Belastungen

„Benefits greifen oft zu kurz“ – Jede:r vierte Erwerbstätige leidet unter mentalen Belastungen.
© Kaboompics.com – Pexels

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