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Verraten, kritisiert, erfolgreich – Facebook hat das Geld, um sich neu zu erfinden

Verraten, kritisiert, erfolgreich – Facebook hat das Geld, um sich neu zu erfinden

Niklas Lewanczik | 26.10.21

Facebooks Umsatz in Q3 2021 wuchs YoY um 35 Prozent. Für das Unternehmen steht nun aber ein kostenintensiver und massiver Shift bevor, hin zu AR und VR sowie dem Fokus auf junge User.

Was kommt als nächstes für Facebook? Das Social-Media-Imperium scheint am Scheideweg zu stehen. Für diese Woche wurde eine Namensänderung des gesamten Konzerns – zu dem neben WhatsApp und Instagram auch Oculus und der Messenger gehören – angekündigt. Heißt das Unternehmen von CEO Mark Zuckerberg künftig ganz anders, vielleicht Meta, Virtuel oder Horizon? Klar ist, dass Facebook sich künftig vermehrt auf AR und VR und den eigenen Metaverse-Bereich fokussieren möchte. Nach dem Launch der Horizon Workrooms im August 2021 soll das Investment in dieser Abteilung noch in diesem Jahr über zehn Milliarden US-Dollar steigen. Facebook sieht im Metaverse die „nächste Generation der Online Social Experiences“ und erklärt im aktuellen Quartalsbericht für Q3:

We are committed to bringing this long-term vision to life and we expect to increase our investments for the next several years.

Genügend Geld steht dem Unternehmen nach wieder einmal deutlichen Umsatz- und Gewinnzuwächsen für diese Entwicklung zur Verfügung. Man könnte darüber beinahe vergessen, dass sich Facebook in einer der größten Krisen seiner Geschichte befindet.

Facebook: Die guten Zahlen werden getrübt

Der nüchterne Blick auf Facebooks Geschäftszahlen zeigt: Das Unternehmen wächst und wächst. Der Umsatz für das dritte Quartal 2021 beträgt rund 29 Milliarden US-Dollar, ein Wachstum von 35 Prozent gegenüber 2020. Auch der Gewinn stieg um 17 Prozent YoY und liegt bei knapp 9,2 Milliarden US-Dollar. Ähnlich stark wie der Umsatz sind auch die Kosten und Ausgaben gestiegen, um 38 Prozent auf 18,6 Milliarden US-Dollar.

Zudem sind nun täglich 1,93 und monatlich 2,91Milliarden Menschen auf Facebook aktiv. Mit Blick auf die gesamte Facebook-Familie sind es täglich 2,81 und monatlich 3,58 Milliarden.

We made good progress this quarter and our community continues to grow. I’m excited about our roadmap, especially around creators, commerce, and helping to build the metaverse,

erklärt Mark Zuckerberg. Ob der User-Zuwachs und Umsatz stärker ausgefallen wäre, wenn nicht Facebook die größte Krise seit Cambridge Analytica zu bewältigen hätte, sei dahingestellt. Die Zahlen suchen ohnehin ihresgleichen. Allerdings ist Facebook derzeit von Problemen umgeben. Dass Anfang des Monats die eigenen Dienste stundenlang ausfielen – was neben dem Unmut der User zu immensen Einbußen von Werbeeinnahmen geführt haben dürfte –, wiegt womöglich am wenigsten schwer.

Denn vielmehr beschäftigt die Öffentlichkeit eine Reihe von Informationen zu Skandalen rund um das Social-Unternehmen, die die Whistleblowerin Frances Haugen dem Wall Street Journal zur Veröffentlichung vorlegte. Die sogenannten Facebook Files offenbarten unter anderem, dass Facebook wissentlich das Wohl der User hinter Profitgedanken anstellt und dass es Erkenntnisse dazu gab, dass Instagram für Teenager toxische Folgen habe, diese aber nicht vollständig veröffentlicht worden waren. Facebook selbst hatte zuletzt versucht, die Tragweite dieser Meldungen herunterzuspielen und die Glaubwürdigkeit von Frances Haugen zu hinterfragen. Auch die angekündigte Namensänderung könnte eine Art Nebelkerze sein.

Jetzt mehr Fokus auf die jungen User

Während Instagram und auch WhatsApp von jungen Usern zahlreich genutzt und akzeptiert werden, gilt Facebook schon länger als nicht mehr angesagt bei jüngeren Social Usern. Insbesondere die Gen Z (vor allem in den USA) setzt eher auf TikTok und Snapchat. Das möchte Facebook langfristig aber ändern. Die Pläne rund um das Metaverse sollen dazu beitragen (immerhin ist Snapchat auch wegen der vielen AR-Filteroptionen bei Teenagern so beliebt). Während Pläne für eine Instagram Kids App zunächst im Zuge der Facebook Files ad acta gelegt wurden, gab es in den vergangenen Monaten auch Gerüchte, Facebook wolle potentiell sogar Kleinkinder von der eigenen Plattform überzeugen.

Diesen Ansatz kritisierten vor allem Jugendschützer:innen postwendend scharf. Unabhängig davon möchte das soziale Netzwerk allerdings insgesamt die User-Gruppe verjüngen. Im Earnings Call zum dritten Quartal des Jahres erklärt Mark Zuckerberg:

One aspect of this is giving all our apps the goal of being the best services for young adults, which we define as ages 18-29. Historically, young adults have been a strong base and that’s important because they are the future. But over the last decade, as the audience that uses our apps has expanded so much and we’ve focused on serving everyone, our services have gotten dialed to be the best for the most people who use them rather than specifically for young adults. And during this period, competition has also gotten more intense, especially with Apple’s iMessage growing in popularity and more recently, the rise of TikTok, which is one of the most effective competitors we have ever faced. So we are retooling our teams to make serving young adults their north star, rather than optimizing for the larger number of older people.

Ein Teil der Umstrukturierung ist der starke Fokus der Tochterplattform auf populäre Videoformate wie Reels. Im Sommer 2021 hatte Instagram CEO Adam Mosseri bereits erklärt: „Instagram ist keine Fotoplattform mehr“. Laut Zuckerberg werden Reels bei Instagram so wichtig wie das Story-Format. Zudem sollen sowohl bei Instagram als auch bei Facebook Videos und Reels noch mehr in den Mittelpunkt rücken.

Weitere Unwägbarkeiten deuten sich an

Für Facebook dürfte bei all den positiven Entwicklungen rund um User und Umsatz auch die Zeit des Zweifels anhalten. Nicht nur sieht sich das Unternehmen diversen kartellrechtlichen Untersuchungen ausgesetzt. Die Federal Trade Commission reichte in den USA jüngst eine Klage neu ein, die nichts anderes als die Zerschlagung des Konzerns fordert. Facebooks Marktmacht sei so immens, dass auch Skandale wie Cambridge Analytica dem Unternehmen nichts anhaben könnten, wenn es um die User-Zahlen geht. In diesem Jahr scheint sich die Geschichte zu wiederholen.

Finanziell schaden dürften Facebook Klagen und etwaige Strafzahlungen indes schon. Das gilt auch für eine Hemmung des Werbegeschäfts durch die Einführung von Apples App Tracking Transparency (ATT) im Frühjahr 2021. Auch die Coronapandemie spiele eine Rolle dabei, dass die Umsatzerwartung für das vierte Quartal bei nur 31,5 bis 34 Milliarden US-Dollar liegt.

Our outlook reflects the significant uncertainty we face in the fourth quarter in light of continued headwinds from Apple’s iOS14 changes, and macroeconomic and Covid-related factors,

heißt es im Earnings Call. Dass Facebook sich womöglich aber auch mit nicht ganz legitimen Mitteln gegen die Einschränkungen durch Apples ATT wehrt, legt nun eine Klageerweiterung nahe. Diverse US-Generalstaatsanwälte klagen seit 2020 gegen Google, weil es geheime Absprachen mit Facebook gab, um die Marktmacht im digitalen Werbemarkt zu wahren. Dabei soll Google Facebook auch geholfen haben, User bei iOS trotz Apples Datenschutzerweiterungen identifizieren zu können. Facebook hält die Details aus der Klageschrift für ungenau und die Vorwürfe für haltlos. Der Kritik am Unternehmen wird diese Beteuerung keinen Abbruch tun. An einem Unternehmen, das viel geringeschätzt wird, dessen Plattformen aber von Milliarden Menschen genutzt werden.

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