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Digitalpolitik
Jedi Blue: Googles Absprache mit Facebook richtet sich gegen Wettbewerb, Datenschutz – und Apple

Jedi Blue: Googles Absprache mit Facebook richtet sich gegen Wettbewerb, Datenschutz – und Apple

Niklas Lewanczik | 25.10.21

Google soll Facebook geholfen haben, User bei iOS trotz Apples Datenschutzerweiterungen identifizieren zu können. Deshalb wurde eine aktuelle Klage gegen das Unternehmen erweitert. Die Klageschrift offenbart diverse unlautere Strategien.

Als Ende 2020 eine Kartellbildung zwischen Google und Facebook bekannt wurde, die zu schweren Vorwürfen und einer Anklage in den USA führte, war die Empörung groß. Seinerzeit klagten zehn US-Staaten gegen die Unternehmen, da diese mit geheimen Werbeabsprachen ihre eigene Marktmacht nicht nur missbrauchten, sondern auch ausbauten. Während im Nachgang des Bekanntwerdens der Klage neue Dokumente auftauchten, die zeigen, wie weit die unlauteren Absprachen gingen, ist inzwischen klar, dass die Kooperation völlig strategisch ablief. So sehr, dass Google und Facebook diesen Deal unter dem Decknamen „Jedi Blue“ dokumentierten – der sogar eine Sektion beinhaltet, die erklärt, wie die Unternehmen beim Publikwerden der Absprachen Vertuschung betreiben.

Nun gibt es einen weiteren Vorwurf vonseiten der inzwischen 17 klagenden Generalstaatsanwält:innen: Google und Facebook hätten bewusst die Datenschutzbestrebungen von Konkurrenzunternehmen Apple untergraben, um Facebooks Werbegeschäft zu stärken. Daher gibt es nun ein Update in der Klage gegen Google.

Apples App Tracking Transparency sollte unterlaufen werden

Im Frühjahr 2021 führte Apple die App Tracking Transparency (ATT) ein. Damit müssen User bei iOS einem Tracking durch Dritte aktiv zustimmen – was im Vorfeld zu viel Verärgerung bei Advertisern und Unternehmen geführt hatte. Allen voran Facebook hatte bemängelt, dass dieser Datenschutzansatz das (Werbe-)Geschäft vieler Unternehmen schädigen würde. Das soziale Netzwerk hatte sogar Warnungen an die Advertiser im eigenen Werbenetzwerk ausgesprochen.

Tatsächlich zeigen aktuelle Zahlen und Erhebungen, dass die ATT das Geschäft von Facebook und im Mobile Marketing allgemein gehemmt hat. Apple selbst hingegen konnte zuletzt die Werbeeinnahmen im Mobile-Bereich deutlich steigern und verdient quasi an der eigenen Datenschutzpolitik.

Gegen diese sollen Facebook und Google allerdings auf unlautere Weise vorgegangen sein. Wie unter anderem Insider berichtet, habe es eine Zusammenarbeit gegeben, um Facebooks User-Identifikation im iOS-Kosmos zu optimieren. Die überarbeitete Klageschrift erklärt:

Indeed, since signing the agreement, Google and Facebook have been working closely in an ongoing manner to help Facebook recognize users in auctions and bid and win more often. […] The companies also have been working together to improve Facebook’s ability to
recognize users using browsers with blocked cookies, on Apple devices, and on Apple’s Safari browser, thereby circumventing one Big Tech company’s efforts to compete by offering users better privacy.

Während dieser Vorwurf die Kartellrechtsklage um einen weiteren Aspekt bereichert, fordern die Klageparteien weiterhin hohe Geldstrafen, Schadenersatz und auch eine Abspaltung von Unternehmensabteilungen von Google. Das Suchmaschinenunternehmen und Facebook betonen in Statements immer wieder, dass die Vorwürfe haltlos und die Details ungenau seien. Allerdings offenbart die nun um rund 40 Seiten erweiterte Klageschrift schockierende Details zur Absprache der zwei Mega-Unternehmen.

Vorteile von Google für Facebook, kontrollierter Walled Garden für den Werbemarkt geplant

Die Marktmacht von Google und Facebook im digitalen Werbemarkt ist immens. Zusammen liegt ihr Marktanteil laut eMarketer 2021 bei über 50 Prozent – Alibaba kommt ihnen mit 8,7 Prozent am nächsten. Welche Schritte die Unternehmen gegangen sind, um diese Marktmacht zu festigen und auszubauen, legt die Schrift im Klagefall in den USA dar. Darin wird auch ein:e Ex-Google-Mitarbeiter:in zitiert, welche:r angibt, Googles Macht über den digitalen Werbemarkt könne man sich so vorstellen, „als gehörte Goldman oder Citibank die New York Stock Exchange“.

Inzwischen werden noch zahlreiche weitere Vorwürfe gegen Google laut. Nicht nur, dass man Facebook weniger Gebühren habe zahlen lassen oder dem Unternehmen in Auktionen und bei der Datengenerierung und User-Identifikation Vorteile verschafft habe. Auch habe Google ein Team namens gTrade, das im Grunde Strategien und Programme entwickle, um den Wettbewerb zu schädigen:

The preceding gTrade programs represent an illustrative but incomplete sample of the sophisticated auction programs Google uses to exclude competition in the exchange and ad buying tool markets.

Darüber hinaus habe Google ein Projekt mit dem Namen „NERA“ gestartet, das dafür sorgen soll, das gesamte Web in einen von Google kontrollierten Walled Garden zu verwandeln.

Dabei sollte dieses von Google quasi gemanagt werden:

Google’s nickname for this walled garden plan was ’not-owned-but-operated‘, or ‚NOBO‘ for short. In other words, Google wanted to be able to control and close off independent websites like The Dallas Morning News just as Google can control and close off its own sites like YouTube.

Dies sind nur einige der in der – inzwischen unredigierten Klageschrift – öffentlich einsehbaren Details. Gegen die komplette Veröffentlichung hatte Google laut New York Post gekämpft. Doch das Gericht akzeptierte die Forderung des texanischen Generalstaatsanwalts Ken Paxton und ließ die ungeschwärzte Fassung zu. Diese kannst du hier nachlesen. Welche Folgen diese Vorwürfe für den Prozessverlauf haben, ist noch unklar. Fraglich ist indes, ob eine auch sehr hohe Geldstrafe für die Unternehmen eine angemessene Reaktion auf diesen potentiellen Angriff auf den Wettbewerb im Digitalraum wäre. Eine noch empfindlichere Strafe wäre durchaus vorstellbar. Andernfalls dürfte die Achse der Macht im Digital- und Online-Marketing-Raum weiter bestimmen und womöglich manipulieren.

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