Human Resources
Emotional erschöpft – 54 Prozent der Personaler:innen klagen über hohe emotionale Belastung und Stress im Job

Emotional erschöpft – 54 Prozent der Personaler:innen klagen über hohe emotionale Belastung und Stress im Job

Marié Detlefsen | 09.09.25

Deutschlands Personaler:innen stehen unter massivem Druck: Fachkräftemangel, steigende Erwartungen und fehlende Wertschätzung treiben den Stresspegel in HR-Abteilungen auf ein Rekordhoch. Erfahre, wie ernst die Lage geworden ist und warum viele an ihre Grenzen stoßen.

Lange galten HR-Teams als „stille Stütze“ im Hintergrund – zuständig für Bewerbungen, Einstellungen, Verträge. Doch die Realität sieht derzeit anders aus: Personaler:innen jonglieren zwischen Fachkräftemangel, wachsenden Erwartungen der Unternehmensleitungen und gleichzeitig immer anspruchsvolleren Bewerber:innen. Das Ergebnis: steigender Stress, zunehmende Überlastung – und zu wenig Wertschätzung für eine Aufgabe, die eigentlich zentral für den Erfolg jedes Unternehmens ist. Die Zahlen des XING Arbeitsmarktreports 2025 sind deutlich: Über die Hälfte der HR-Verantwortlichen (54 Prozent) fühlt sich aktuell stark emotional belastet – ein drastischer Anstieg im Vergleich zum Vorjahr, als es noch 35 Prozent waren. Doch warum ist die emotionale Belastung so stark angestiegen?

Stresspegel von Personaler:innen auf Rekordniveau

Der Arbeitsreport befragte 3.500 Angestellte und 600 Personaler:innen in Deutschland, Österreich und der deutschsprachigen Schweiz. Dabei stellte sich heraus, dass 56 Prozent der Recruiter von mangelnder Anerkennung durch ihre Arbeitgeber:innen sprechen. Anders gesagt: Je mehr von ihnen gefordert wird, desto weniger bekommen sie das Gefühl, für ihre Leistung geschätzt zu werden.

Noch dramatischer wirkt der Blick auf die Anforderungen: 90 Prozent der Befragten geben an, dass der Druck auf sie im Laufe des Jahres weiter gestiegen sei. Ganze 93 Prozent bestätigen, dass die Erwartungen des Managements höher geworden sind. Diese Diskrepanz zwischen Erwartungshaltung und Wertschätzung bringt viele HR-Abteilungen an die Belastungsgrenze.

Personaler:innen sehen Fachkräftemangel als Dauerproblem

Parallel dazu bleibt der Fachkräftemangel ein massiver Belastungsfaktor. So sagen 91 Prozent der Personaler:innen, dass es schwieriger denn je sei, offene Positionen zeitnah zu besetzen – ein neuer Höchstwert. Im Schnitt dauert es inzwischen 165 Tage, bis eine Stelle besetzt ist. Zum Vergleich: 2024 waren es nur 83 Prozent. Fast ebenso viele HR-Verantwortliche erwarten, dass sich der Mangel in den kommenden Jahren sogar noch weiter verschärfen wird. Damit werden Personalabteilungen dauerhaft in einer Zwickmühle feststecken: zu wenige qualifizierte Bewerber:innen, aber steigende Ansprüche der Geschäftsführung.

91 Prozent der Personaler:innen sind der Meinung, dass der Fachkräftemangel in Zukunft noch drastischer wird, © XING
91 Prozent der Personaler:innen sind der Meinung, dass der Fachkräftemangel in Zukunft noch drastischer wird, © XING

Nicht nur innerhalb des Unternehmens wächst der Druck. Auch Bewerber:innen stellen Personaler:innen zunehmend vor Herausforderungen: 68 Prozent der Befragten beobachten, dass Kandidat:innen heute höhere Ansprüche an Arbeitsbedingungen, Unternehmenskultur und Benefits haben. Dazu gehören nicht nur flexible Arbeitszeiten, sondern auch Angebote wie Sabbaticals oder Workations.

Erschwerend kommt hinzu, dass sich viele Bewerber:innen unverbindlicher verhalten. Laut der Studie berichten 64 Prozent der HR-Verantwortlichen von Ghosting, heißt Kandidat:innen melden sich nach einer Zusage nicht mehr oder springen kurzfristig ab. Gleichzeitig erwarten sie selbst schnelle Rückmeldungen: Knapp die Hälfte wünscht sich eine Antwort innerhalb von ein bis zwei Wochen, ein Drittel sogar innerhalb einer einzigen Woche. Für langwierige Prozesse haben die wenigsten noch Verständnis.

Ein Drittel der Bewerber:innen verlangt Feedback innerhalb einer einzigen Woche, © XING
91 Prozent der Personaler:innen sind der Meinung, dass der Fachkräftemangel in Zukunft noch drastischer wird, © XING

Kernaufgaben bleiben auf der Strecke

Interessant ist auch, wie sich laut der Studie die Arbeitszeit der HR Teams verändert. Immer weniger können sich auf ihre eigentlichen Kernaufgaben konzentrieren. Nur noch 44 Prozent verbringen den Großteil ihrer Zeit mit Bewerbungsgesprächen, und lediglich 38 Prozent sichten hauptsächlich eingehende Bewerbungen. Stattdessen wächst der Anteil administrativer Aufgaben, weshalb 63 Prozent angeben, dass der Fachkräftemangel zusätzlichen bürokratischen Aufwand erzeugt.

Zwar könnte Technologie an dieser Stelle helfen und vor allem Routineaufgaben übernehmen, doch nur ein kleiner Teil der Abteilungen nutzt bereits digitale Anwendungen wie KI-Tools (37 Prozent). Viele kämpfen daher mit steigender Belastung, ohne spürbare Entlastung durch moderne Systeme.

37 Prozent der Personaler:innen nutzen bereits KI-Tools, um sich im Alltag etwas zu entlasten, © XING
91 Prozent der Personaler:innen sind der Meinung, dass der Fachkräftemangel in Zukunft noch drastischer wird, © XING

Personaler:innen mit Blick nach vorn

Trotz dieser Herausforderungen blickt ein Teil der Personalabteilungen positiv in die Zukunft. So planen 57 Prozent, in den nächsten zwölf Monaten neues Personal einzustellen – nur 28 Prozent rechnen mit einem Abbau. Um Bewerber:innen besser zu erreichen, setzen etwa ein Drittel der Befragten auf flexiblere Arbeitsbedingungen und die Modernisierung ihrer Recruiting-Prozesse.

Die Studie zeigt: Personaler:innen sind sich bewusst, dass sie sich anpassen müssen. Doch ohne mehr Wertschätzung, weniger Druck und den gezielten Einsatz digitaler Lösungen droht die Situation weiter zu eskalieren. Denn wer tagtäglich im Dauerstress arbeitet, kann langfristig nicht die Menschen finden und binden, die Unternehmen so dringend benötigen.


Schluss mit Perfektion: Jede:r Zweite mit Joblücke

– warum Unterbrechungen kein Karriereknick mehr sind

Schluss mit Perfektion: Jede:r Zweite mit Joblücke – warum Unterbrechungen kein Karriereknick mehr sind
© cottonbro studio – Pexels

Kommentare aus der Community

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*
*

Melde dich jetzt zu unserem HR-Update an und erhalte regelmäßig spannende Artikel, Interviews und Hintergrundberichte aus dem Bereich Human Resources.