Human Resources
„Finanzielle Sicherheit war gestern“ – so blicken Europas Arbeitnehmer:innen auf ihre Zukunft

„Finanzielle Sicherheit war gestern“ – so blicken Europas Arbeitnehmer:innen auf ihre Zukunft

Marié Detlefsen | 24.07.25

Steigende Preise, Jobangst und technologische Umbrüche treiben viele Arbeitnehmer:innen in Europa an ihre Belastungsgrenze. Erfahre, wie sehr finanzielle Unsicherheit mittlerweile den Alltag und die Zukunftsplanung bestimmt.

Von der Hoffnung auf finanzielle Stabilität ist bei vielen Berufstätigen in Europa kaum noch etwas übrig. Inflation, Unsicherheit und technologische Umbrüche prägen den Alltag – und zwingen viele dazu, ihre Lebenspläne auf Eis zu legen. Das traditionelle Aufstiegsversprechen „Harte Arbeit zahlt sich aus“ ist längst nicht mehr gang und gäbe. Eine aktuelle Umfrage von LiveCareer unter 1.000 Arbeitnehmer:innen in Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien zeigt: Die ökonomische Realität ist für viele keine Frage mehr von persönlicher Disziplin oder Fleiß, sondern ein täglicher Kampf mit gestiegenen Preisen, Abstiegsängsten und einem Mangel an Perspektiven.

Inflation und steigende Lebenshaltungskosten sind die größten Belastungen

Fast sechs von zehn Befragten nennen die Inflation als größte finanzielle Belastung. Die Kosten für Lebensmittel, Energie und Wohnen steigen unaufhörlich – und mit ihnen die Sorgen. Für viele bedeutet das: Sparen an allen Ecken. Luxus? Fehlanzeige.

  • 60 Prozent der Teilnehmer:innen streichen Ausgaben für Freizeit und Reisen.
  • Über ein Drittel verschiebt größere Anschaffungen.
  • Ein Viertel kürzt sogar bei Grundlegendem wie Essen oder Strom.

Der Alltag wird still und leise, immer teurer. Selbst Bildung – oft als Schlüssel zum Aufstieg gepriesen – wird zur Unmöglichkeit: 14 Prozent würden sich gerne weiterqualifizieren, doch es fehlt schlicht an Zeit und Geld. Außerdem machen sich 91 Prozent Sorgen darüber, dass globale Handelskonflikte die Lebenshaltungskosten weiter in die Höhe treiben werden.

Jobangst und fehlendes Einkommen – darüber machen sich Arbeitnehmer:innen derzeit Sorgen, © LiveCareer
Jobangst und fehlendes Einkommen – darüber machen sich Arbeitnehmer:innen derzeit Sorgen, © LiveCareer

Jobangst: Wenn die Anstellung plötzlich weg ist

Insbesondere die Angst vor einem plötzlichen Jobverlust ist allgegenwärtig (20 Prozent). Jede:r Zweite sagt: Ohne Einkommen würde es maximal drei Monate reichen. Auch Rücklagen seien kaum vorhanden, dabei sehen die Prognosen auf dem Arbeitsmarkt für die Zukunft eher düster aus. So rechnen 44 Prozent im laufenden Jahr mit mehr Entlassungen und 28 Prozent fürchten eine tiefe Rezession – 42 Prozent sind zumindest besorgt.

Trotz allem bleiben viele Menschen dort, wo sie sind. Auch ein Umzug für eine bessere berufliche Aussicht ist für viele keine Option. So würden laut Umfrage fast 60 Prozent ihren Wohnort nicht verlassen, selbst wenn die Karrierechancen außerhalb besser stehen. Emotionale Bindungen, familiäre Verpflichtungen – aber auch finanzielle Hürden halten sie am Wohnort fest, selbst wenn dieser keine Zukunft mehr verspricht.

Vielleicht ist es kein Zufall, dass 69 Prozent der Befragten nicht mehr daran glauben, dass harte Arbeit automatisch zu einem sicheren Leben führt. Die Vorstellung vom kontinuierlichen Fortschritt durch Leistung verliert an Glaubwürdigkeit – und macht Platz für den Wunsch nach Alternativen. Knapp zwei Drittel sprechen sich offen für ein bedingungsloses Grundeinkommen aus. Eine Idee, die einst als radikal galt, löst bei einigen neue Gedankenstöße aus. Hinzukommt, dass selbst der Mindestlohn laut Umfragen in vielen Ländern gar nicht zum Leben ausreicht. Mehr dazu erfährst du in folgendem Artikel:


Mindestlohn reicht nicht zum Leben:

So groß ist die Einkommenslücke in Europa

Mindestlohn reicht nicht zum Leben: So groß ist die Einkommenslücke in Europa
© Nicola Barts – Pexels


KI verstärkt die Jobangst vieler Arbeitnehmer:innen

Während wirtschaftliche Unsicherheit an den Fundamenten rüttelt, wächst eine weitere Sorge: die Angst vor dem technologischen Wandel. Fast jede:r Zweite sieht durch KI und Automatisierung konkrete Risiken für die eigene Beschäftigung – entweder schon jetzt oder in naher Zukunft. Vor allem in der Kreativbranche nehmen 42 Prozent der Arbeitnehmer:innen KI als potenzielle Bedrohung für ihren Job wahr. Viele Arbeitnehmer:innen fürchten, ihren Job an eine KI zu verlieren, während 25 Prozent angaben, bereits einen Job an die neue Technologie verloren zu haben. Des Weiteren verhindern Unsicherheiten und Wissenslücken bei etwa 37 Prozent der Befragten eine regelmäßige Nutzung der Technologie.

Insbesondere das Risiko des Jobverlusts durch die neue Technologie steht dabei für viele im Vordergrund. So gaben in einer Zety Studie etwa 89 Prozent der Umfrageteilnehmer:innen an, davor Angst zu haben, ihren Job an eine KI zu verlieren. Und doch handeln nur wenige. Gerade einmal zwölf Prozent bilden sich aktiv weiter, um sich für neue Anforderungen zu wappnen.

Viele Faktoren: Wirtschaft beeinflusst nicht nur Jobangst

Die Ergebnisse zeichnen ein klares Bild: Die ökonomische Realität zwingt viele Arbeitnehmer:innen in Europa, ihren Lebensstandard zu ändern und mit erhöhten Lebenshaltungskosten klarzukommen. Viele hangeln sich von Monat zu Monat, stellen persönliche Wünsche zurück und sehen mit Sorge auf eine Zukunft, in der weder der eigene Job noch das System als Ganzes als verlässlich gelten. Ob sich dieser Trend umkehren lässt? Das wird nicht allein von wirtschaftlichen Kennzahlen abhängen, sondern auch davon, ob Politik, Unternehmen und Gesellschaft bereit sind, neue Wege zu denken – und alte Versprechen ehrlich zu hinterfragen.


Vier Jobs, ein Leben:

Wie lange bleiben Arbeitnehmer:innen bei einem Unternehmen?

Vier Jobs, ein Leben: Wie lange bleiben Arbeitnehmer:innen bei einem Unternehmen?
© Edmond Dantès – Pexels

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