Human Resources
Zwischen Zoom und Zahnarzt: Wie privat darf Arbeitszeit heute sein?

Zwischen Zoom und Zahnarzt: Wie privat darf Arbeitszeit heute sein?

Marié Detlefsen | 13.06.25

Arzttermin in der Mittagspause? Kein Problem! Viele Beschäftigte nutzen ihre Arbeitszeit auch für private Erledigungen. Eine neue Studie zeigt, wie verbreitet dieses Phänomen ist, wer besonders profitiert – und warum es dabei nicht immer fair zugeht.

Arztbesuche, Wäscheberge oder Sport: Immer mehr Arbeitnehmer:innen in Deutschland integrieren private Termine in ihren beruflichen Tagesablauf. Was für die einen eine gesunde Work-Life-Balance bedeutet, stößt bei anderen auf Unverständnis – denn nicht jede:r profitiert gleichermaßen von den Freiheiten moderner Arbeitsmodelle.

Dass die klare Trennung zwischen Job und Freizeit zunehmend der Vergangenheit angehört, zeigt eine aktuelle Befragung unter Büroangestellten in Deutschland. Laut der von Owl Labs beauftragten Studie haben rund 83 Prozent der Teilnehmenden bereits private Termine während ihrer Arbeitszeit wahrgenommen. Erfahre, wer sich gerne die ein oder andere private Freiheit während der Arbeit herausnimmt und was mögliche Konsequenzen sind.

57 Prozent nutzen Arbeitszeit für private Arzttermine

Fast jede:r hat schon mal einen privaten Termin während der Arbeit wahrgenommen, doch laut der Studie ist dieses Verhalten besonders stark bei jüngeren Generationen ausgeprägt: 86 Prozent der Gen Z und 85 Prozent der Millennials greifen auf diese Flexibilität zurück, während ältere Generationen etwas zurückhaltender sind (73 Prozent).

Auffällig ist zudem, dass Führungskräfte (86 Prozent) und hybrid arbeitende Personen (88 Prozent) überdurchschnittlich häufig private Aktivitäten in den Arbeitsalltag einbauen. Wer hingegen ausschließlich im Büro oder nur im Home Office tätig ist, bleibt mit jeweils 77 Prozent etwas zurückhaltender. Nur eine kleine Minderheit von 18 Prozent hält berufliche und persönliche Angelegenheiten konsequent getrennt.

57 Prozent der Arbeitnehmer:innen nehmen Arzttermine während der Arbeitszeit wahr.
57 Prozent der Arbeitnehmer:innen nehmen Arzttermine während der Arbeitszeit wahr, Daten von Owl Labs (Grafik KI-generiert und erstellt mithilfe von ChatGPT)

Doch was genau machen Arbeitnehmer:innen eigentlich in ihrer Arbeitszeit? Am häufigsten genannt werden Arztbesuche: Mehr als die Hälfte der Befragten (57 Prozent) gibt an, diese problemlos in ihren Arbeitstag einbauen zu können. Doch auch Haushaltstätigkeiten (55 Prozent) sowie weitere private Verpflichtungen (54 Prozent) lassen sich laut der Umfrage gut mit der beruflichen Routine vereinbaren. Deutlich schwieriger wird es hingegen, wenn es um die Pflege älterer Angehöriger geht – nur vierundzwanzig Prozent der Teilnehmenden empfinden diese Aufgabe als praktikabel während der Arbeitszeit.


Wenn Arbeit zur Freizeit wird:

70 Prozent aller Angestellten haben bereits bei Zeiterfassung betrogen

Wenn Arbeit zur Freizeit wird: 70 Prozent aller Angestellten haben bereits bei Zeiterfassung betrogen.
© Susanne Plank – Pexels


Wie viel private Zeit ist „okay“?

Die Mehrheit der Befragten nutzt ein eher begrenztes Zeitfenster für private Aktivitäten: 31 Prozent bleiben unter einer Stunde, 19 Prozent beschränken sich sogar auf maximal dreißig Minuten. Nur ein kleinerer Teil nutzt längere Auszeiten: 14 Prozent bis zu neunzig Minuten, zehn Prozent gönnen sich zwei Stunden – und lediglich jeweils zwei Prozent nehmen sich bis zu drei Stunden oder mehr.

Insbesondere die Gen Z nimmt sich gerne längere Pausen für private Angelegenheiten.
Insbesondere die Gen Z nimmt sich gerne längere Pausen für private Angelegenheiten, Daten von Owl Labs (Grafik KI-generiert und erstellt mithilfe von ChatGPT)

Interessanterweise sind es vor allem jüngere Menschen – insbesondere aus der Gen Z –, die sich auch mal längere private Pausen nehmen. Zudem scheinen hybride Arbeitsmodelle und Care-Arbeit (etwa Betreuung von Kindern oder Angehörigen) mit einem höheren Bedarf an Flexibilität einherzugehen. Dies spiegelt sich auch in den Ansichten der Arbeitnehmer:innen wider. Denn so angenehm individuelle Freiräume auch sein mögen, so sorgen sie nicht selten für Unmut.

Zwar bestätigen 61 Prozent der Beschäftigten, dass flexible Regelungen im Unternehmen fair umgesetzt werden. Doch 38 Prozent empfinden eine Ungleichbehandlung. Als bevorzugt wahrgenommen werden unter anderem bestimmte Abteilungen (14 Prozent), Einzelpersonen (zwölf Prozent) und Führungskräfte (neun Prozent). Auch Eltern, langjährige Mitarbeitende und Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen werden häufiger als begünstigt genannt.

Der zentrale Faktor bei dieser Betrachtung dürfte sein, ob die Mitarbeiter:innen die für ihre privaten Angelegenheiten aufgewendete Zeit in gleichem Maße zu einem anderen Zeitpunkt für die Arbeit wieder einbringen oder nicht. Ist das nicht der Fall, bewegen sich Angestellte schnell im Bereich des Arbeitszeitbetrugs, der nicht nur Kolleg:innen verstimmen, sondern auch rechtliche Konsequenzen haben kann. Gleichwohl darf es als eine positive Entwicklung gelten, dass flexible Arbeitszeiten vielen Menschen ermöglichen, private Aufgaben mit ihren beruflichen Pflichten zu verknüpfen.

Nicht jeder kann die Arbeitszeit für private Termine nutzen

Die Wahrnehmung von Gerechtigkeit variiert stark – abhängig von Arbeitsort, Unternehmensgröße und Alter. Bürogebundene Angestellte bewerten die Gleichbehandlung mit 64 Prozent deutlich positiver als Remote-Arbeitende (53 Prozent). Kleine und mittlere Unternehmen schneiden mit 33 Prozent negativer Wahrnehmung etwas besser ab als mittlere und große Firmen (jeweils 24 Prozent). Und während 70 Prozent der Boomer an eine faire Regelung glauben, sind es bei der Gen Z nur 59 Prozent.

Nicht alle Arbeitnehmer:innen stehen der flexiblen Arbeitsanpassung positiv gegenüber.
Nicht alle Arbeitnehmer:innen stehen der flexiblen Arbeitsanpassung positiv gegenüber, Daten von Owl Labs (Grafik KI-generiert und erstellt mithilfe von ChatGPT)

Fast alle, die eine Ungleichverteilung erleben, reagieren emotional. Während 38 Prozent positive Gefühle äußern – etwa Freude oder Unterstützung gegenüber Kolleg:innen –, berichten 36 Prozent von negativen Reaktionen. Diese reichen von Ressentiments gegenüber den Arbeitgeber:innen (14 Prozent) über Selbstzweifel (14 Prozent) bis hin zu Missgunst gegenüber flexibler aufgestellten Kolleg:innen (zehn Prozent).

Grenzen zwischen Privat- und Berufsleben verschwimmen

Die Ergebnisse der Umfrage machen deutlich: Flexible Arbeitszeitgestaltung ist längst Realität – aber noch nicht flächendeckend gleichberechtigt umgesetzt. Während einige Mitarbeitende ihre Freiheiten genießen und effizient nutzen, fühlen sich andere benachteiligt oder ungerecht behandelt. Damit New Work mehr ist als nur ein Schlagwort, braucht es transparente Regeln, gegenseitiges Vertrauen – und Unternehmen, die Fairness nicht dem Zufall überlassen.


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© Anete Lusine – Pexels


Dieser Beitrag erschien erstmals am 13. Mai 2025.

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