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Immer pleite im Kopf? Warum junge Menschen unter Gelddysmorphie leiden

Immer pleite im Kopf? Warum junge Menschen unter Gelddysmorphie leiden

Marié Detlefsen | 05.05.25

Viele junge Menschen empfinden ihre finanzielle Lage als schlechter, als sie tatsächlich ist – ein Phänomen, das unter dem Begriff Gelddysmorphie zunehmend Aufmerksamkeit bekommt. Erfahre, wie es dazu kommt, wer besonders betroffen ist und was hilft.

Von außen betrachtet läuft es eigentlich: ein Job, eine kleine Wohnung, vielleicht sogar ein bisschen Erspartes. Und doch macht sich bei vielen jungen Menschen das Gefühl breit, ständig knapp bei Kasse zu sein. Willkommen in der Welt der Gelddysmorphie. Immer häufiger schätzen vor allem Millennials und die Gen Z ihre finanzielle Lage unrealistisch negativ ein. Wir zeigen dir, was Gelddysmorphie überhaupt ist, wodurch es entsteht und wie man dagegen vorgehen kann.

Was bedeutet Gelddysmorphie überhaupt?

Der Begriff Gelddysmorphie lehnt sich an die sogenannte körperdysmorphe Störung an – ein psychisches Phänomen, bei dem Betroffene ihre äußere Erscheinung stark verzerrt wahrnehmen. Übertragen auf die Finanzwelt bedeutet das: Menschen empfinden ihre wirtschaftliche Lage als deutlich schlechter, als sie tatsächlich ist. Dabei geht es nicht nur um objektive Zahlen auf dem Konto, sondern vor allem um subjektive Wahrnehmung und emotionale Unsicherheit rund ums Thema Geld.

Insbesondere Angehörige der Generation Z und Millennials leiden unter Gelddysmorphie (KI erstellte Grafik mithilfe von ChatGPT).
Insbesondere Angehörige der Generation Z und Millennials leiden unter Gelddysmorphie, Daten von Credit Karma, (KI erstellte Grafik mithilfe von ChatGPT)

Besonders stark betroffen sind Angehörige der Generation Z und Millennials, also Menschen, die grob zwischen Mitte der 1980er und Anfang der 2010er Jahre geboren wurden. Laut einer Umfrage von Credit Karma, allerdings in den USA und aus dem Jahr 2023, und schätzen rund 43 Prozent der Gen Z und 41 Prozent der Millennials ihre finanzielle Lage pessimistischer ein, als sie der Realität entspricht. Zum Vergleich: Bei älteren Generationen liegt dieser Wert deutlich niedriger. Allerdings haben ältere Menschen oftmals durch langjährige Arbeit, hochdotierte Jobs oder Geldanlagen auch oft mehr Erfahrung mit Geld und womöglich auch einfach mehr Geld zur Verfügung.

Mehr Schein als Sein und verzerrte Geldwahrnehmung

Warum ist das so? Ein zentraler Faktor ist der ständige digitale Vergleich. Wer täglich durch Social Media Feeds scrollt, stößt auf eine endlose Parade von Designer:innenhandtaschen, Fernreisen und scheinbar mühelosen Erfolgen. Diese Momentaufnahmen suggerieren Wohlstand – und lassen das eigene Leben im Kontrast oft mager wirken. Was dabei übersehen wird: Selten sieht man auf Instagram die Kreditkartenabrechnung hinter dem Traumurlaub oder den Dispo, der das neue Outfit finanziert hat.

Dennoch ist die wirtschaftliche Lage vieler junger Erwachsener angespannt: steigende Lebenshaltungskosten, befristete Arbeitsverhältnisse und kaum finanzielle Rücklagen. Nicht selten müssen junge Erwachsene auf Unterstützung durch ihre Eltern zurückgreifen – was das Gefühl von Abhängigkeit und finanzieller Unzulänglichkeit zusätzlich verstärkt. Doch selbst, wer objektiv gut dasteht, kann von Gelddysmorphie betroffen sein. Denn die Unsicherheit speist sich nicht allein aus Zahlen, sondern vor allem aus Vergleichen, Erwartungen – und dem fehlenden Gefühl von Kontrolle.

Was hilft gegen Gelddysmorphie?

Ein erster Schritt, um aus der negativen Gedankenspirale auszubrechen, ist bewusste Selbstreflexion: Woher kommt mein Gefühl der Knappheit? Entspricht es den Fakten? Finanz-Coachings, Therapien mit Schwerpunkt auf Geldverhalten oder auch der Austausch mit vertrauenswürdigen Personen können helfen, die eigene Wahrnehmung zu schärfen.

Hilfreich ist zudem der Verzicht auf ständigen digitalen Vergleich. Was andere zeigen – oder eben nicht zeigen – sagt meist wenig über deren tatsächliche finanzielle Verhältnisse aus. Stattdessen gilt es, realistische Ziele zu setzen, individuelle Bedürfnisse in den Vordergrund zu rücken und Erfolge – so klein sie auch sein mögen – zu feiern.

Auch strukturelle Veränderungen können helfen: Zum einen können Unternehmen mehr Gehaltstransparenz fördern und ihren Angestellten transparent ihr Gehalt offenbaren, um mehr Gleichberechtigung und Fairness in der Belegschaft zu erreichen. Zum anderen kann das Thema Finanzen auch im Freundeskreis oder der Familie angesprochen werden. Denn wer weiß, was Kolleg:innen und Freund:innen verdienen oder wie andere mit Geld umgehen, ist weniger anfällig für falsche Vorstellungen und Selbstzweifel. Allerdings wird in unserer Gesellschaft meist eher ungern über die eigenen Gehälter gesprochen. Mehr dazu findest du im folgenden Artikel:


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© DISRUPTIVO – Unsplash

Kommentare aus der Community

Cordula Vis-Paulus am 06.05.2025 um 17:30 Uhr

Ein wirklich wichtiges Thema, das – wie so viele Finanzthemen – nicht in die Öffentlichkeit gelangen. Danke für den interessanten Artikel.
Beim German Equal Pension Symposium greifen wir genau dieses Thema auf: Wie sehen gute Finanzentscheidungen aus und wie können wir Fehler vermeiden und Hindernisse – wie zum Beispiel ein verzerrtes MindSet überwinden.

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