Human Resources
Hushed Hybrid: Wie viele Arbeitnehmer:innen heimlich im Home Office bleiben

Hushed Hybrid: Wie viele Arbeitnehmer:innen heimlich im Home Office bleiben

Marié Detlefsen | 24.06.25

Immer mehr Arbeitnehmer:innen arbeiten heimlich von zu Hause – obwohl sie laut Firmenregeln im Büro sein müssten. Doch wie viel Schummeln ist in Ordnung und welche Konsequenzen gibt es, sowohl für Arbeitnehmer:innen als auch für Unternehmen?

Drei Tage Präsenzarbeit und zwei Tage Home Office? Trotz steigender Präsenzforderungen aus den Chefetagen scheint die Realität in Unternehmen in Deutschland eine andere Sprache zu sprechen: Viele Arbeitnehmer:innen ziehen sich nämlich heimlich ins Home Office zurück – mit stillschweigender Duldung oder sogar auf inoffizielle Einladung der Vorgesetzten. Der Begriff Hushed Hybrid beschreibt dieses Phänomen treffend: Ein Arbeitsmodell, das offiziell nicht existiert, aber längst zur alltäglichen Praxis geworden ist.

Eine aktuelle Umfrage des Jobportals Indeed, durchgeführt vom Marktforschungsinstitut Appinio, hat 1.000 Berufstätige gefragt, die mindestens einen Tag pro Woche von zu Hause aus arbeiten. Wie viele dabei tatsächlich ins Büro gehen oder in ihren vier Wänden bleiben, haben wir für dich aufbereitet. Dabei geht der Trend des Hushed Hybrid über Entwicklungen wie Coffee Badging hinaus; dabei kommen Mitarbeiter:innen für ein paar Stunden ins Büro, um Anwesenheit zu signalisieren, verschwinden dann aber wieder.


Von „Coffee Badging“ bis Home Office:

Warum hybride Arbeit immer beliebter wird

Eine Frau sitzt mit Kaffee im Bett und arbeitet am Laptop
© Andrea Piacquadio – Pexels


Hushed Hybrid: Zwischen Vorschrift und Wirklichkeit

Zwar geben fast 69 Prozent der Befragten an, dass es in ihrem Unternehmen klare Regelungen zur Anzahl der Home-Office-Tage gibt, doch wie strikt diese tatsächlich durchgesetzt werden, ist eine andere Frage. Bei gut der Hälfte der Beschäftigten (50,6 Prozent) gibt es kaum oder gar keine Kontrolle. Dort, wo Unternehmen feste Bürotage vorschreiben, wird allerdings spürbar genauer hingeschaut – fast drei Viertel der Befragten (71,2 Prozent) berichten in diesem Fall von einer strengeren Überwachung.

Diese Ungleichheit eröffnet Raum für individuelle Absprachen: Mehr als ein Viertel der Arbeitnehmer:innen (27 Prozent) erhält mehr Home-Office-Tage, als offiziell erlaubt – vorausgesetzt, die Leistung stimmt. Dieses informelle Entgegenkommen ermöglicht nicht nur eine größere Flexibilität, sondern wirft auch ein Licht auf die tiefer liegende Diskrepanz zwischen Policy und Praxis und sorgt unter anderem für Hushed Hybrid.


Unzufriedenheit im Job:

Warum viele Beschäftigte nur aus Angst bleiben

Unzufriedenheit im Job: Warum viele Beschäftigte nur aus Angst bleiben.
© Anna Tarazevich – Pexels


Große Unzufriedenheit führt zu mehr Hushed Hybrid

Dass diese verdeckten Vereinbarungen notwendig erscheinen, liegt auch an der verbreiteten Unzufriedenheit mit den geltenden Regeln. Über die Hälfte der Befragten (57,3 Prozent) ist mit ihrer aktuellen Home-Office-Situation unzufrieden, ein Viertel davon sogar stark. Besonders glücklich sind diejenigen, die ihre Arbeitsorte frei wählen dürfen – unter ihnen liegt die Zufriedenheit bei fast 47 Prozent.


Über die Hälfte der Befragten ist mit ihrer aktuellen Home-Office-Situation unzufrieden (Mit einem Klick aufs Bild gelangst du zur größeren Ansicht; Grafik mithilfe von ChatGPT anhand der Indeed Daten erstellt).
Über die Hälfte der Befragten ist mit ihrer aktuellen Home-Office-Situation unzufrieden (Mit einem Klick aufs Bild gelangst du zur größeren Ansicht; Grafik mithilfe von ChatGPT anhand der Indeed-Daten erstellt)

Diese Unzufriedenheit schlägt sich auch im Verhalten nieder: Über 54 Prozent der Beschäftigten legen Arzttermine, Handwerker:innenbesuche oder andere private Verpflichtungen gezielt auf Präsenztage, um ausnahmsweise von zu Hause arbeiten zu können. Ein stiller Protest gegen starr empfundene Bürozwänge – und ein Zeichen für das wachsende Bedürfnis nach Selbstbestimmung.

Die neue Arbeitsrealität durch Vertrauensvorschuss statt Vorschrift

Interessant ist: Es geht den Beschäftigten nicht um ein Maximum an Distanz zum Arbeitsplatz. Im Gegenteil: Über 60 Prozent entscheiden sich bewusst gelegentlich für mehr Präsenz, obwohl es nicht nötig wäre – etwa um Beziehungen im Team zu pflegen (28,4 Prozent), informelle Informationen aufzuschnappen (23,3 Prozent) oder einfach einen Tapetenwechsel zu erleben (20 Prozent). Weniger bedeutend sind klassische Karriereumfelder wie Sichtbarkeit (17 Prozent) oder Aufstiegschancen (10,6 Prozent), was auf einen Kulturwandel hindeuten könnte: Die physische Präsenz am Arbeitsplatz wird zunehmend dem sozialen Faktor gewidmet und weniger den beruflichen Anforderungen.

Dr. Stefanie Bickert, Karriereexpertin bei Indeed, spricht von einer „stillen Erosion“ der offiziellen Vorgaben – angetrieben durch inoffizielle Deals und kreative Terminierung. Unternehmen, die auf starre Anwesenheitspflichten setzen, riskieren damit die Zufriedenheit der Angestellten:

Dieses sogenannte Hushed Hybrid ist längst gelebte Realität, auch in Deutschland. Unternehmen, die versuchen, mit strengeren Anwesenheitsvorgaben zur Präsenz gegenzusteuern, laufen Gefahr, an der Lebenswirklichkeit ihrer Belegschaft vorbeizuplanen. Wer das Thema Remote Work nicht strategisch, sondern lediglich restriktiv behandelt, riskiert nicht nur Frust und Vertrauensverlust, sondern auch eine wachsende Kluft zwischen offizieller Policy und gelebter Praxis.

Dennoch kann in Zeiten des Fachkräftemangels genau hierin ein strategischer Hebel liegen: Transparente, flexible Home-Office-Regelungen sind kein Zugeständnis, sondern ein Wettbewerbsvorteil. Unternehmen, die Vertrauen schenken, anstatt Kontrolle zu maximieren, schaffen nicht nur Loyalität, sondern ziehen auch neue Talente an. Zusätzlich minimieren sie das Risiko von Hushed Hybrid und heimlichen Home-Office-Regeln.


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