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Sie wollten nicht mehr werben: X verklagt Advertiser
© Duncan.Hull (eigenes Werk) - Wikipedia.de, CC BY-SA 3.0, (Änderungen wurden vorgenommen via Canva)

Sie wollten nicht mehr werben: X verklagt Advertiser

Niklas Lewanczik | 07.08.24

Die Social-Media-Plattform X verklagt gleich diverse Advertiser, die ihnen Werbebudget vorenthalten haben. Es soll zu einer Verschwörung gekommen sein. Dabei wird der Vorstoß zum Meme und wirkt wie eine Farce.

Die Global Alliance for Responsible Media, Unilever und Co. werden von X verklagt. Der Vorwurf: Man habe sich einer Verschwörung gleich zu einem Boykott der Plattform zusammengeschlossen, gegen die eigenen Interessen gehandelt und das US-Recht verletzt. Und eine Gruppe dürfe nicht allein über Monetarisierungen entscheiden. Doch Plattformeigner Elon Musk und CEO Linda Yaccarino lassen bei ihren Botschaften an die Öffentlichkeit und die X User zentrale Faktoren außen vor. So wird ihr ernst gemeintes Ansinnen zur Farce.

„Krieg“ und „systematischer Boykott“: X erhebt schwere Vorwürfe

Die CEO von X, Linda Yaccarino, hat sich mit einem offenen Brief an die Advertiser und einem Video an alle X User gewandt, um ihrem Unglauben Ausdruck zu verleihen. Dieser bezieht sich auf die Enthüllung eines Berichts des U.S. House of Representatives Judiciary Committee:

[…] Evidence obtained by the Committee shows that GARM and its members directly organized boycotts and used other indirect tactics to target disfavored platforms, content creators, and news organizations in an effort to demonetize and, in effect, limit certain choices for consumers.88 Relevant case law suggests that GARM likely violated federal antitrust laws. Some of GARM’s conduct would be analyzed by a court as a per se unlawful restraint because it involves horizontal agreements to restrict output and consumer choice, and therefore, would not require an in-depth examination […].

Bei GARM handelt es sich um die Global Alliance for Responsible Media. Diese wird ebenso wie einzelne Marken jetzt von X (aber auch anderen Unternehmen wie Rubble) verklagt. In ihrem Brief schreibt Yaccarino, sie gehe davon aus, dass die GARM einen illegalen Boykott von X organisiert habe, um diverse Usern Erfahrungen auf der Plattform vorzuenthalten. Dieser Boykott habe gegen das Kartellrecht verstoßen, schreibt sie weiter, und habe X Milliarden US-Dollar gekostet. Sie schreibt:

[…] To those who broke the law, we say enough is enough. We are compelled to seek justice for the harm that has been done by these and potentially additional defendants, depending what the legal process reveals […].

In einem Video an die X User fasst die CEO den Status quo und den Grund für die Klage, die auch Unilever, Marcs und andere große Brands betrifft, zusammen. Darin erklärt sie, dass keine Gruppe die Monetarisierung von einzelnen Plattformen bestimmen solle und ruft die X User implizit zum Support ihres Vorhabens auf.

Elon Musk reagiert auf ihre Äußerungen mit einem X Post, den er wenig diplomatisch mit „now is war“ beendet.

Viele der Probleme von X sind hausgemacht

Die Vorwürfe von X und die Klage werden gerichtlich beurteilt werden müssen. Ob das Unternehmen X Corp. aber Aussicht auf Erfolg hat, ist mindestens fraglich. Schließlich sind Werbeboykotte bei großen Plattformen absolut nichts Neues. Auch YouTube und Facebook haben sich in den vergangenen Jahren damit auseinandersetzen müssen. Dass es bei der GARM zu einer Verschwörung gegen X gekommen sein soll, ist indes kaum zu belegen. Vielmehr lassen sich ausbleibende Werbeausgaben auf X und ein etwaiger Boykott der Plattform auf konkrete Gründe zurückführen. Dabei sei nicht zuletzt erwähnt, dass der Plattformeigner Elon Musk selbst im Herbst 2023 öffentlich Advertiser anfeindete und sagte:

Don’t advertise. […] If somebody’s going to try to blackmail me with advertising, blackmail me with money? Go fuck yourself. […] Go. Fuck. Yourself. Is that clear?


X:

Elon Musk beleidigt Advertiser nach Boykott

X-Logo auf Smartphone Mockup, papierner Hintergrund, © FLY:D - Unsplash
© FLY:D – Unsplash


X muss sich seit vielen Monaten mit sinkenden Werbeeinkünften und einem immensen Wertverlust auseinandersetzen. Ende 2023 lagen die Werbeeinkünfte nur noch bei 2,5 Milliarden US-Dollar.

Der Verlust der Advertiser und Einnahmen hat verschiedene Gründe. Zum einen sehen viele Marken in der inzwischen deutlich diversifizierteren Plattform mit ihren Video-Calls, dem häufigen Hin und Her bei Features sowie diversen Abonnement-Stufen weniger Relevanz für das Branding als zuvor. Zum anderen trägt aber auch nicht unwesentlich dazu bei, dass X unter Elon Musk und Linda Yaccarino, die seine Rolle als CEO übernahm, zu einem toxischen Ort für User und Marken geworden ist. Das Unternehmen moderiert Content kaum und billigt mit neuen Richtlinien Hate Speech – unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit. Sogar das Bundesamt für Justiz warf Twitter vergangenes Jahr ein Versagen im Umgang mit Hate Speech vor. Elon Musk lässt einst verbannte User, die sich misogyn, gewaltverherrlichend oder antisemitisch geäußert hatten, wieder auf die Plattform. Vor diesem Hintergrund wirkt es beinahe ironisch, wenn Musk und Yaccarino die eigene Plattform für ihre Free-Speech-Prinzipien preisen.

Obwohl immer mehr Marken und auch Creator X verlassen, werden von den Plattformbetreiber:innen stets positive Entwicklungen – etwa in Bezug auf die User-Zahl – kommuniziert. 570 Millionen monatlich aktive User hat X demnach (deutlich mehr als Threads mit 200 Millionen). Und pro Tag werden auf X über acht Milliarden Video-Views generiert – ein Hinweis darauf, dass die Plattform sich als Video-first-Bereich einstuft. Während viele User weiterhin brandaktuelle Trends oder Geschehnisse auf X verfolgen, kritisieren viele die hostile Umgebung. Und manchen, insbesondere wohl auch Werbetreibenden, könnten Entwicklungen wie die explizite Erlaubnis zum Teilen von Pornographie auf X ein Dorn im Auge sein.

Linda Yaccarino erklärt in ihrem Brief, X habe die Erwartungen von Advertisern an Plattformsicherheit und innovative Tools erfüllt und sogar übertroffen. Ob die Advertiser das genauso sehen, darf bezweifelt werden. Ihre Wahl, nicht auf X zu werben, dürfte dem Gedanken der Plattform, beinahe alles zu erlauben und kaum zu intervenieren, eigentlich nicht zuwiderlaufen.

Yaccarino-Video wird Meme-Material

Aufgrund der Verbindung zur eigenen Rolle in der prekären Entwicklung von X verkommt das Video von Linda Yaccarino für manche Creator derzeit zu einer Art Witz. Es hilft ihr womöglich auch nicht, dass sie im Clip demonstrativ einen Kettenanhänger mit dem Terminus „Free Speech“ zur Schau trägt. So wird dieses Video derzeit als Basis für erste Memes eingesetzt. Sogar die renommierte Journalistin und Tech-Expertin Kara Swisher schrieb auf Threads, Yaccarino solle sich melden, wenn sie herausgeholt werden wolle (als Anspielung darauf, dass das Video in der Machart an das aus einem Geiselszenario erinnern könnte). Die Userin Ghost of GC fragt sich, wie dieses Video nicht von Saturday Night Live sein könne.

Beitrag von @gtconway3dg
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Wir dürfen mit Spannung verfolgen, wie die US-Justiz mit diesem Fall umgeht. Dass X recht bekommt, ist wohl unwahrscheinlich, wenn es sich um einen einfachen Boykott handelt. Allerdings müssen dazu alle Fakten erst geprüft werden.

Derweil muss sich X um die eigene Weiterentwicklung kümmern und neue Mittel und Wege finden, um die User für die Everything App zu begeistern. Aktuell ist etwa die Integration einer Zahlungsoption in Arbeit.

Kommentare aus der Community

Kotzbrocken am 07.08.2024 um 21:56 Uhr

Was ein billiges Propaganda-Geschreibsel gegen die letzte Plattform auf der noch eine einigermaßen freie Meinungsäußerung garantiert wird. Der Rest ist leider komplett auf Linie, so wie wohl auch die onlinemarketing.de-Redaktion.

Ich könnte morgens nicht in den Spiegel schauen wenn ich sowas verfassen müsste. Mir wird übel.

Antworten
Niklas Lewanczik am 08.08.2024 um 08:13 Uhr

Hallo,

für konstruktive inhaltliche Kritik sind wir jederzeit offen. Wir ordnen X nach den eigenen Handlungen und Reaktionen der Branche ein.

Beste Grüße

Antworten
Kein Kotzbrocken am 08.08.2024 um 23:34 Uhr

Ach macht euch nichts draus. Guter Artikel. Lasst die Leute meckern… online Kommentare spiegeln nicht die Gesellschaft wieder. Die werden in der echten Welt nur schräg angeguckt und lassen hier ihre wut raus ;)

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