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Social Media Marketing
Facebook plant personalisierte Ads ohne spezifisches Wissen über User

Facebook plant personalisierte Ads ohne spezifisches Wissen über User

Niklas Lewanczik | 12.08.21

Wird das der große Umbruch in Facebooks Werbesystem? Das Unternehmen arbeitet an innovativen privatsphärekonformen Targeting-Optionen. Der Zwist mit Apple geht dabei aber weiter.

Die digitale Werbung muss von ihrer Abhängigkeit von individuellen und Third-Party-Daten fortkommen. Das konstatiert Facebooks Vice President für Product Marketing und Ads, Graham Mudd, in einem Blogpost. Darin stellt er verschiedene privatsphärefördernde Technologien (Privacy-Enhancing Technologies oder PETs) vor, die dazu beitragen sollen, auch ohne ein dediziertes Wissen über die einzelnen User eine effektive Personalisierung im Werbesystem aufrechtzuerhalten. Damit reagiert Facebook auch auf aktuelle Entwicklungen bei Google und vor allem Apple, die die Privatsphäre fördern und das Targeting erschweren dürften. Apples IDFA-Ansatz lehnt Facebook – das mit dem Unternehmen deshalb öffentlich mehrfach aneinandergeraten ist – weiterhin vehement ab.

Im Dialog mit der Werbeindustrie: Facebook möchte personalisierte Werbung revolutionieren

Personalisierung, so erklärt Mudd im Blogpost, sei die beste Werbe-Experience sowohl für Nutzer:innen als auch für Unternehmen. Ohne diesen Aspekt können Unternehmen deutlich schlechter wachsen. Zudem kann die Werbe-Performance Einbußen erfahren. Auch deshalb kritisiert Facebook immer wieder Apples obligatorische Abfrage zur Tracking-Erlaubnis, die mit der Version iOS 14.5 für User eingeführt wurde. Apple erklärte die Privatsphäre zum „Menschenrecht“. Allerdings sammelt das Unternehmen weiter die Daten der User – ohne eine Tracking-Abfrage durchführen zu müssen. Für manche Teilnehmer:innen des digitalen Werbeökosystems bedeutet das ein Ungleichgewicht. Das zeigt auch das Statement Facebooks gegenüber dem Tech Publisher The Verge:

We are advocating for a different and better approach to advancing privacy in advertising. One that is based on industry collaboration and a focus on supporting small businesses and an open internet economy. Apple’s approach is exactly the opposite: exerting its control over the App Store to benefit its own bottom line.

Während auch Google plant, Advertisern den Zugriff auf die Werbe-ID für Android Apps komplett zu entziehen, was das Targeting und mithin personalisierte Ads bei Android erschweren dürfte, möchte Facebook also im Dialog mit der Branche neue Lösungen liefern. Dabei stellt Graham Mudd gleich diverse Ansätze Facebooks, die weiterhin erfolgreiche Personalisierung ermöglichen sollen, vor:

  • die Private Lift Measurement-Lösung, bei der Multi-Party Computation zum Einsatz kommt (die Lösung soll im kommenden Jahr umfassend zur Verfügung gestellt werden)
  • Applikationen für On-Device Learning, bei denen Daten lokal auf dem Gerät einzelner User verarbeitet werden, anstatt einzelne individuelle und persönliche Daten an einen Remote Server oder eine Cloud zu senden
  • Differential Privacy, bei der Datensets durch kalkulierte Hinzufügung von wahllosen Informationen weniger leicht identifizierbar gemacht werden
  • das Framework für die Private Computation Solutions, das Facebook bereits als Open Source für die gesamte Branche zur Verfügung gestellt hat

So wenig individuelle Daten der User sammeln wie möglich

Diese Ansätze sollen so konzipiert und weiterentwickelt werden, dass die Werbenetzwerke und Advertiser möglichst wenig individuelle Daten über die Nutzer:innen erhalten und verwalten. Graham Mudd erklärt:

We are optimistic that new privacy-enhancing technologies will prove that personalization remains possible and effective as our industry evolves to become less reliant on individual third-party data. These technologies will help us minimize the amount of personal information we process, while still allowing us to show people relevant ads and measure ad effectiveness for advertisers.

Allerdings, so Mudd weiter, seien solche Technologien nur dann langfristig und in verschiedenen Kontexten erfolgversprechend, wenn große Teile des Ökosystems kollaborieren, um sie weiterzuentwickeln:

These technologies will only be successful for people and businesses of all sizes if there is industry collaboration and a shared set of standards. That’s why we are calling on platforms, publishers, developers and other industry participants to work together — on these technologies and other privacy-focused standards and practices.

Mit Organisationen wie der Partnership for Responsible Addressable Media (PRAM), dem World Wide Web Consortium (W3C) und der World Federation of Advertisers (WFA) möchte Facebook ebenfalls zusammenarbeiten. Insbesondere KMU sollen von den Änderungen profitieren, die das soziale Netzwerk anstrebt. Da sie oft nur kleine Marketing-Budgets zur Verfügung hätten, kämen sie häufig auf Facebooks Ad- und Targeting-Optionen zurück. Tatsächlich stiegen die Ausgaben für Facebook Ads in Q2 2021 beim Unternehmen im Vorjahresvergleich um fast 50 Prozent an.

Dass aber ausgerechnet Facebook als Teil von GAFA, neben Google größtes Werbenetzwerk und gewissermaßen Gatekeeper für viele Bereiche des Digitalraums für ein freies und offenes Internet plädiert, mag manch Datenschützer:innen beinah deplatziert vorkommen. Für die datenschutzkonforme Entwicklung der Werbeindustrie ist dieses hehre Ziel dennoch relevant.

Die Privacy-Enhancing Technologies (PETs) im Detail

Im Facebook Newsroom wird detailliert erklärt, was die Privacy-Enhancing Technologies (PETs) im Detail eigentlich sind und wie sie funktionieren. Vor allem sollen diese Technologien die persönlichen Daten von Menschen schützen.

Facebooks PETs.
Facebooks PETs, © Facebook

Bei der Secure Multi-Party Computation (MPC) etwa können zwei Organisationen kooperieren, sodass die Menge an Daten, die eine Partei nutzen kann, minimiert wird. Während die Daten Ende-zu-Ende-verschlüsselt sind, können die Parteien die Daten der jeweils anderen Bearbeiter:innen nicht einsehen, wenn sie genutzt, transferiert, gespeichert werden etc. Je mehr Parteien involviert sind, desto weniger Daten werden aggregiert. Die hierauf basierende Lösung Private Lift Measrurement hat Facebook bereits getestet, weshalb sie bald ausgerollt werden soll.

Beim On-Device Learning wiederum wird ein Algorithmus trainiert, der Insights, die direkt auf dem User-Gerät verarbeitet werden, nutzt. Dabei werden dann keine einzelnen Daten – etwa Angaben zu gekauften Artikeln oder E-Mail-Adressen – an einen Remote Server oder eine Cloud gesendet. Facebook möchte mit dieser Option Handlungsmuster nicht klar identifizierter User erkennen und für das Targeting nutzen. Wie auch bei Features wie der Autokorrektur soll dieses System mit der Zeit lernen, wenn es mehr und mehr eingesetzt wird.

Bei dem Ansatz der Differential Privacy hingegen sollen Datensätze so verändert werden, dass sie nicht mehr ohne Weiteres klare Rückbezüge zu Einzelpersonen und deren Verhalten zulassen. Wenn beispielsweise 118 Personen ein Produkt nach dem Klick auf eine Ad gekauft haben, kann ein System, das auf Differential Privacy basiert, eine willkürliche Zahl addieren oder abziehen. Wer das System nutzt, würde also beispielsweise 114 oder 120 sehen können. Facebook erklärt:

Adding that small random bit of incorrect information makes it harder to know who actually bought the product after clicking the ad, even if you have a lot of other data. As a result, this technology is often used with large data sets released for public research.

Für viele privatsphärezentrierte Ansätze wird auch der Consent der User eine wichtige Rolle spielen, wie Graham Mudd in einem ausführlichen Interview mit Alex Heath bei The Verge angibt. Doch auch wenn es diesen nicht gibt, können Lösungen wie die Multi-Party Computation Alternativen bieten, um ein Targeting auch dann erfolgreich zu gestalten, wenn keine spezifischen und persönlichen Einzelinformationen zu Usern vorhanden sind. Die Fortentwicklung dieser Ansätze und Technologien dürfen wir und wird die Branche gespannt verfolgen. Dass es Lösungen für derart datenschutzkonforme Werbung braucht, ist schon lange klar. Jetzt mischt Facebook neben Apple, Google und Co. besonders aktiv mit.

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