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E-Commerce
An Amazon führt kein Weg vorbei – Nils Zündorf von factor-a im Interview

An Amazon führt kein Weg vorbei – Nils Zündorf von factor-a im Interview

Niklas Lewanczik | 26.07.19

Amazon Advertising ist für immer mehr Marken ein unabdingbarer Faktor, während Verkäufer auf zahlreiche innovative Features zugreifen können.

Amazon ist beinahe ein Synonym für Onlineshopping. Das Unternehmen wächst und wächst und das auch auf dem Werbemarkt. In den USA soll der Anteil an diesem 2019 bei 8,8 Prozent liegen – nur Amazon konnte so ein Wachstum aufbauen, zuvor waren es 6,6 Prozent. Die geschätzten Werbeausgaben für dieses Jahr liegen allein dort bei über elf Milliarden US-Dollar, für 2021 wird der Wert derzeit auf über 19 Milliarden geschätzt.

US-Werbeausgaben bei Amazon bis 2021, eMarketer

Im Januar wurden neue Bidding- und Targeting-Optionen bei Amazon vorgestellt. Im April wurden dann die Zahlen für das erste Quartal 2019 präsentiert: 59,7 Milliarden US-Dollar Umsatz und satte 3,6 Milliarden Gewinn. Der Bereich „Other“, der hauptsächlich aus Werbung besteht, wuchs um 34 Prozent. Anfang Juni gab Amazon dann den Kauf des Ad Servers und der DCO vom insolventen Sizmek bekannt. Außerdem machte Amazon sein Feature Personalize jüngst für alle AWS-Kunden verfügbar.

Das enorme, zuweilen beunruhigende Wachstum von Amazon birgt viele Potentiale für Verkäufer. Um diese auszuloten, haben wir mit Nils Zündorf, Managing Director von factor-a, gesprochen. Er arbeitet seit zehn Jahren als E-Commerce-Berater und entwickelt skalierbare Paid-Advertising-Maßnahmen. In einem Fachbuch, E-Commerce mit Amazon, haben die Experten von factor-a ihr Wissen dargelegt; Nils Zündorf hat uns jedoch im Interview bereits aufschlussreiche Insights zum Amazon Marketing geliefert.

Das Interview

OnlineMarketing.de: Muss deiner Ansicht nach künftig der Großteil der Verkäufer auf Amazon setzen, um im E-Commerce-Wettbewerb nicht abgehängt zu werden?

Nils Zündorf, © factor-a

Nils Zündorf: Meiner Meinung nach gibt es keinen Weg, der an Amazon vorbeiführt, vor allem in den nächsten Jahren nicht. Wenn man im E-Commerce erfolgreich sein will, muss man den Online-Riesen in die eigene Strategie integrieren. Anbieter, die eine spezielle Nische bedienen, haben vielleicht eine Chance an Amazon vorbei zu kommen. In diesem Fall sollte die eigene Lösung – sei es eine App oder ein Webshop – zusätzliche Services bieten, um sich von Amazon abzugrenzen.

Wie relevant sind im internationalen Geschäft aber auch Alibaba, JD.com und Co.?

Nils Zündorf: Außerhalb von Europa ist Amazon in der Tat nicht immer der Platzhirsch in Sachen E-Commerce. JD. com und Alibaba spielen zum Beispiel in Asien eine große Rolle, Rakuten besonders in Japan. Für jeden Markt und jeden Marktplatz brauchen Händler bzw. Hersteller eine individuelle Strategie. Aber auch wenn Amazon in China und Japan vergleichsweise klein ist, solltest du die Plattform nicht abschreiben. Es bietet sich eventuell sogar größeres Potential als in kleineren Märkten, auch wenn Amazon dort vergleichsweise den größten Marktanteil hat.

Kann man bei Unternehmen differenzieren, ob sich eine umfassende Amazon-Strategie lohnt? An welchen Kriterien ließe sich das festmachen?

Nils Zündorf: Jedes Unternehmen braucht eine Amazon-Strategie. Der Handelsriese hat einen großen Einfluss – auch außerhalb von Amazon. Selbst wenn man in erster Linie im B2B-Geschäft ist oder der Fokus auf Brick-and-Mortar liegt, ist der Einfluss auf die Kaufentscheidung der Verbraucher deutlich spürbar. Es kommt dabei nicht darauf an, ob Unternehmen 5 Prozent oder 90 Prozent ihres Umsatzes direkt über Amazon machen.

Auf welcher Grundlage entscheide ich als Unternehmen, ob ich am Programm Vendor Central oder Seller Central teilnehme?

Nils Zündorf: Die Frage ist oft, nehme ich am Vendor- oder Seller-Programm teil. Dabei sollte die Frage viel mehr sein: Was möchte ich mit der Plattform Amazon erreichen? Wie sieht meine E-Commerce-Strategie aus? Wir beobachten oft, dass Hersteller und neue Brands zu Seller Central tendieren. Sie haben das Gefühl, dann mehr Kontrolle zu haben. Meistens handelt es sich allerdings um einen Trugschluss. In Wahrheit bin ich zum Beispiel auch als Seller recht limitiert, wenn es um die Gestaltung der Verkaufspreise geht. Senke ich sie, um das Einkaufswagenfeld zu gewinnen, bekomme ich bei niedrigen Margen schnell Profitabilitätsprobleme. Die Frage sollte also nicht sein, ob Seller oder Vendor, sondern wie stelle ich ein zukunftsfähiges E-Commerce Portfolio auf.

Amazon gilt als Produktsuchmaschine Nummer eins. Hat die Amazon SEO daher höchste Priorität für eine erfolgreiche Strategie?

Nils Zündorf: Wenn ich mich im E-Commerce bewege und nicht über eigene Lösungen wie einen Onlineshop direkt an meine Endkunden verkaufe: Ja, dann hat Amazon-SEO die höchste Priorität.

Welche Aspekte gilt es dabei mit dem meisten Nachdruck zu optimieren?

Nils Zündorf: Titel und Produktbilder stellen besonders wichtige Elemente dar. Sie sind das erste, was potentielle Kunden von deinem Produkt in den Suchergebnissen wahrnehmen. Es bringt also nichts, den Produkttitel mit Keywords vollzustopfen, wenn darunter die Kaufwahrscheinlichkeit leidet. Entscheidend ist die richtige Balance zwischen SEO und Conversion Rate-Optimierung (CRO) zu finden. Das ist nur möglich, wenn man seine Kunden in den Mittelpunkt stellt und versteht, wonach sie suchen und was ihnen wichtig ist.

Welchen Stellenwert schreibst du Reviews bei Amazon zu? Und wo siehst du Risikopotential bei diesem für die meisten Suchenden relevanten Moment?

Nils Zündorf: Kundenbewertungen sind das Herz von Amazon. Selbst wenn du gar nicht auf der Plattform verkaufen möchtest, findet sich dort die mit Abstand größte Sammlung an Produktrezensionen. Die meisten Verbraucher tendieren dazu Produkte zu kaufen, die über eine hohe Anzahl guter Bewertungen verfügen. Das Risiko: Wer nicht auf schlechte Rezensionen reagiert und korrigierende Maßnahmen ergreift, verliert möglicherweise Kunden. Aus negativen Kundenbewertungen lassen sich außerdem wertvolle Erkenntnisse über Produktschwächen gewinnen. Ein gutes Rezensions-Management inkl. Monitoring ist daher essenziell.

Amazon ist als Werbeplattform mit unheimlichem Wachstum gesegnet, auch weil die für Advertiser so interessanten Käuferdaten und das Verhalten der Käufer vorliegen. Ist es die Nähe zur Conversion, die Amazon als Werbeplattform so attraktiv macht? Welche Aspekte spielen hier noch mit hinein? Macht etwa Amazon Personalize das Targeting ähnlich erfolgversprechend wie über Google und Facebook? Was hat Amazon diesen Playern sogar voraus?

Nils Zündorf: Niemand ist näher an der Conversion als Amazon. Genau das hat der Plattform geholfen, zu wachsen. Aber es war nur der Start. In den letzten Jahren und Monaten ist die Amazon Demand Side Platform (DSP) immer wichtiger geworden. Sie funktioniert auf der Grundlage, wie Amazon-Nutzer sich auf der Plattform verhalten: Was schauen sie? Was kaufen sie? Wie entdecken sie Produkte? Mit diesen Daten wird Amazon Playern wie Facebook und Google langfristig den Rang ablaufen.

Darüber hinaus gehört Amazon eine Menge Premium-Inventar. Wir haben es also nicht mit Bot-Traffic irgendwo im Internet zu tun. Der Traffic läuft über Amazon-eigene Seiten und es werden nur Verbraucher bespielt, die über einen Amazon-Account verfügen. Mit Imdb for free eröffnen sich weitere spannende Möglichkeiten im Bereich Video-Inventar. Addressable TV ist definitiv die Zukunft und Amazon wird hier ganz vorne mitspielen.

Amazon ist ziemlich gut darin, wenn man Zielgruppen bespielt, die aus 5.000 bis 10.000 Menschen bestehen. Möchte man allerdings kleinere, spezifischere Zielgruppen ansprechen, ist Amazon noch nicht die passende programmatische Lösung. Grund hierfür ist, dass Amazon befürchtet, ansonsten die Privatsphäre seiner Nutzer zu verletzen. Wenn ich also etwas bewerben möchte, was nur wenige Personen auf der Welt kaufen, ist Amazon Advertising nicht die richtige Wahl.

Bedeutet die Möglichkeit für Amazon-Kunden, beinah alles auf der Plattform zu finden, nicht ein Stück weit auch, dass die Relevanz von Marken angesichts der „besten Angebote“, die in der Suche weit oben angezeigt werden, schwindet? Was bedeutet das für die Käufer-Loyalität?

Nils Zündorf: Eines der größten Probleme für Markenhersteller ist, dass sich Amazon nicht für Marken interessiert. Amazon möchte seinen Kunden die Produkte präsentieren, die die höchste Kaufwahrscheinlichkeit haben. Auch wenn die Regalfläche unbegrenzt ist, gibt es doch nur einen kleinen Bereich, in dem Kunden tatsächlich auf Produkte aufmerksam werden. Und ein immer größerer Teil dieser Fläche wird kostenpflichtig in Form von Werbeanzeigen. Auf der ersten Suchergebnisseite werden teilweise bis zu 16 Anzeigen ausgespielt. Es stellt also eine große Herausforderung für Marken dar, die Aufmerksamkeit der Nutzer zu erlangen – vor allem, wenn sie nicht dafür bezahlen wollen.

Besonders schwer haben es Marken, die kein angeborenes E-Commerce-Gen haben. Wir können beobachten, dass Direct-To-Consumer Brands und Private Label Brands in der Regel besser performen, als gestandene Marken, die ihre Brand zum Beispiel über TV-Werbung und Promotions aufgebaut haben. Eine neue Studie hat ergeben, dass nur ca. 20 Prozent der Suchanfragen Markennamen enthalten. Wenn Verbraucher auf Amazon also nach einem Produkt suchen und ich mit meinem Portfolio nicht sichtbar bin, existiere ich für potentielle Kunden gar nicht.

Wird der Großteil der User in fünf bis zehn Jahren fast ausschließlich über Amazon kaufen? Wie könnte eine solche Entwicklung verhindert werden?

Nils Zündorf: In den Märkten, in denen Amazon aktiv ist, hat der Handelsriese oft den größten Marktanteil. Aber es gibt auch immer andere Anbieter, die einen ziemlich guten Job machen. Das ist in der Regel häufig in Nischen der Fall, zum Beispiel im Bereich Fashion oder bei Fahrrädern. Händler, die gegen Amazon bestehen können, bieten Nutzern einen Mehrwert. So überzeugen sie durch besseren, inspirierenden Content oder die Möglichkeit, eigene Produkte zu konfigurieren. In diesen Bereichen ist Amazon noch nicht besonders stark. Hier geht man hin, wenn man bereits weiß, was man kaufen möchte. Auch wenn man komplexe, erklärungsbedürftige Produkte vertreibt oder Produkte, die eine anspruchsvolle Logistik erfordern, wie FMCGs oder Möbel, ist eine eigene Lösung der Weg, um in einer von Amazon dominierten Welt erfolgreich zu sein.


Wir bedanken uns recht herzlich bei Nils Zündorf für die ausführlichen Antworten und die Insights zu Amazon in diesem Interview. Wer noch mehr zum Thema erfahren möchte, kann im Praxisbuch „E-Commerce mit Amazon“ (Marc Aufzug von factor-a zusammen mit Dominik Bors) mehr Antworten und Empfehlungen zum Amazon Advertising erhalten.

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