Human Resources
Ausbildung zwischen Erfolg und Existenzangst: Was Azubis 2025 wirklich erleben

Ausbildung zwischen Erfolg und Existenzangst: Was Azubis 2025 wirklich erleben

Marié Detlefsen | 28.08.25

Viele Azubis sind zufrieden mit ihrer Ausbildung – doch die aktuellen Zahlen zeigen auch, dass Geldsorgen, Überstunden und Zukunftsängste den Alltag dominieren. Der neue Ausbildungsreport der DGB-Jugend macht deutlich, wo das Berufsmodell dringend nachgebessert werden muss.

Die duale Ausbildung – seit Jahrzehnten als Erfolgsmodell gefeiert – kann sich auch 2025 noch sehen lassen: Knapp drei Viertel (71,6 Prozent) der Azubis sind zufrieden mit ihrer Ausbildung. Klingt erstmal super. Doch wer genauer hinschaut, entdeckt neben vielen positiven Entwicklungen auch eine ganze Reihe Baustellen, die jungen Menschen das Leben schwer machen. Erfahre, wie es aktuell auf dem Arbeitsmarkt aussieht.

Die Zufriedenheit der Azubis variiert stark nach Branche

Nicht alle Azubis erleben ihre Ausbildung gleich. Dieses Bild zeigt der Ausbildungsreport 2025 des Deutschen Gewerkschaftsverbundes (DGB). Während angehende Steuerfachangestellte, Elektroniker:innen oder Mechatroniker:innen überdurchschnittlich glücklich sind (teilweise über 80 Prozent Zufriedenheit), sieht es in anderen Branchen deutlich schlechter aus. Hotelfachleute oder Friseur:innen landen gerade mal bei rund 60 Prozent – ein ziemlich ernüchternder Wert.

Auch wenn es in den vergangenen Jahren kleine Fortschritte gab, klagen viele Azubis noch immer über Belastungen, die eigentlich nicht auf ihrem Ausbildungsplan stehen sollten. Dazu zählen unter anderem, dass:

  • 32,3 Prozent regelmäßig länger schuften als sie müssten.
  • insbesondere Köch:innen (50,6 Prozent), Automobilkaufleute (49,1 Prozent) und Bankkaufleute (45,8 Prozent) viele Überstunden leisten müssen.
  • fast 15 Prozent regelmäßig Aufgaben übernehmen müssen, die mit der eigentlichen Ausbildung nichts zu tun haben – vom Kaffeekochen bis zum Putzen.

Finanzielle und perspektivische Sorgen

Auch beim Thema Finanzen zeigen sich große Schwierigkeiten und Diskrepanzen. Denn obwohl Azubis eine Vergütung bekommen, reicht diese laut Ergebnissen der Studie in vielen Fällen nicht für ein eigenständiges Leben. So gaben 62,8 Prozent der Auszubildenden an, dass sie mit ihrem Gehalt nicht hinkommen. Des Weiteren sind rund 32 Prozent auf finanzielle Hilfe der Eltern angewiesen. Doch selbst das reicht in einigen Fällen noch nicht zum leben aus, sodass 12,7 Prozent neben der Ausbildung zusätzlich jobben – eine Doppelbelastung, die wenig mit „konzentriert lernen“ zu tun hat.

62,8 Prozent der Azubis gaben an, dass sie mit ihrem Gehalt nicht hinkommen (die Grafik wurde anhand der DGB-Daten mithilfe von ChatGPT erstellt)
62,8 Prozent der Azubis gaben an, dass sie mit ihrem Gehalt nicht hinkommen (die Grafik wurde anhand der DGB-Daten mithilfe von ChatGPT erstellt)

Eine weitere Belastung stellt für viele die Perspektive nach dem Abschluss dar, denn auch in diesem Bereich fürchten viele die Angst vor dem Nichts. Laut der Studie wissen ganze 41,5 Prozent der Azubis im letzten Lehrjahr nicht, ob sie übernommen werden. Das sind satte sieben Prozentpunkte mehr als noch vor ein paar Jahren. Besonders oft betroffen: Hotelfachleute und Verkäufer:innen. Für viele bedeutet das: Lernen, schuften – und trotzdem keine Ahnung, wie es danach weitergeht.

Mit dem Ende der Ampel-Koalition scheiterte zudem nicht nur eine Regierung – sondern auch die geplante Reform des Aufstiegs-BAföG blieb damit auf der Strecke. Das Aufstiegs-BAföG, früher auch als „Meister-BAföG“ bekannt, ist ein Förderprogramm für diejenigen, die ihre berufliche Qualifikation auf das nächste Level heben wollen. Es unterstützt Fachkräfte wie Techniker:innen, Meister:innen und Erzieher:innen finanziell – sei es bei den Lehrgangs- und Prüfungsgebühren oder sogar beim Lebensunterhalt für Vollzeitkurse. Die Reform hätte ab Januar 2025 eine deutliche Aufstockung gebracht. Das politische Aus der Ampel-Koalition hat die Gesetzesverabschiedung nun allerdings gestoppt und zwingt Azubis somit weiter zum Warten.


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Azubis auf der Suche nach Orientierung

Und wer hilft den Jugendlichen eigentlich, einen passenden Ausbildungsplatz zu finden? Überraschung: nicht die Arbeitsagentur oder die Schule. Laut dem Report sind Freund:innen und Familie die wichtigsten Ratgeber:innen. Offizielle Beratungsangebote werden dagegen eher selten als hilfreich empfunden. Bei der Wahl des Betriebs achten die Jugendlichen besonders auf eine gute Erreichbarkeit, ein angenehmes Klima, faire Arbeitszeiten und natürlich eine halbwegs ordentliche Bezahlung.

Dennoch besitzen knapp drei Millionen junge Menschen in Deutschland keinen Berufsabschluss und das, obwohl die Wirtschaft über fehlende Fachkräfte klagt. Dass dies nicht aufgeht, sieht auch die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack:

Das passt nicht zusammen. Politik und Arbeitgeber müssen endlich massiv gegensteuern. Wir brauchen eine verbesserte Ausbildungsgarantie, die überall im Land greift. Wir brauchen wieder mehr Arbeitgeber, die ausbilden und die allen jungen Menschen eine Chance auf einen Ausbildungsplatz geben. Wird das Problem der Ausbildungslosigkeit nicht gelöst, droht sich ein neues Prekariat zu verfestigen – das kann und darf sich unsere Gesellschaft nicht leisten. Ohne Berufsabschluss droht den jungen Menschen deutlich häufiger ein Leben in Armut, mit längeren Phasen von Arbeitslosigkeit und prekärer Beschäftigung.

Unterm Strich zeigt der Report: Die duale Ausbildung ist und bleibt ein stabiler Anker im deutschen Bildungssystem. Doch die Zahlen sprechen auch eine deutliche Sprache: zu viele Überstunden, zu viel Unsicherheit nach der Ausbildung, zu wenig Geld. Wenn bei diesen Punkten nicht nachgebessert wird – durch Politik und Betriebe – droht das Erfolgsmodell irgendwann an Glanz zu verlieren.


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