Human Resources
Wenn KI den Berufseinstieg blockiert: Warum junge Talente es schwerer haben, Fuß zu fassen

Wenn KI den Berufseinstieg blockiert: Warum junge Talente es schwerer haben, Fuß zu fassen

Marié Detlefsen | 20.08.25

Während KI-Spezialist:innen gefragter sind denn je, brechen klassische Einstiegspositionen im Tech-Bereich massiv weg. Für Berufseinsteiger:innen bedeutet das: Der erste Schritt ins Berufsleben wird zunehmend zur Hürde.

Künstliche Intelligenz erledigt in vielen Unternehmen mittlerweile die Fleißarbeit – darunter auch Aufgaben, die klassischerweise von Jobanfänger:innen übernommen werden. Doch werden für die kommenden Generationen deshalb weniger Einstiegsjobs ausgeschrieben? Der Sprung von der Uni in den ersten Job ist ohnehin für viele eine große Herausforderung. Eine neue Analyse der Jobplattform Indeed zeigt: Vor allem im Tech-Sektor schrumpft das Angebot an Junior-Stellen drastisch, während gleichzeitig hochspezialisierte KI-Expert:innen gefragter sind als je zuvor.

KI übernimmt Aufgaben der Einstiegspositionen

Noch während des Tech-Booms 2020 bis Mitte 2022 schien die Branche kaum genug Nachwuchs rekrutieren zu können: Die Zahl der Stellenausschreibungen verdoppelte sich zeitweise. Doch seit der Abkühlung der Märkte hat sich das Bild gewandelt. Heute liegt die Gesamtzahl der ausgeschriebenen Tech-Stellen sogar unter dem Vor-Corona-Niveau.

Für die Analyse hat Indeed Stellenmarktdaten zu Tech-Jobs in den USA zwischen Januar 2020 und Februar 2025 ausgewertet. Als einer der größten Tech-Märkte gibt die US-Wirtschaft häufig globale Trends vor, insbesondere im Bereich generativer KI. Um auch die Entwicklungen in Deutschland besser einordnen zu können, wurden zusätzlich Stellenmarktdaten aus den Bereichen Software-Entwicklung sowie IT-Infrastruktur und -Support auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland ausgewertet.


Im Bereich Software-Entwicklung wurden seit 2020 etwa über die Hälfte aller Einstiegsjobs gestrichen (mit einem Klick aufs Bild gelangst du zur größeren Ansicht; die Grafik wurde anhand der Indeed Daten mithilfe von ChatGPT erstellt)
Im Bereich Software-Entwicklung wurden seit 2020 etwa über die Hälfte aller Einstiegsjobs gestrichen (mit einem Klick aufs Bild gelangst du zur größeren Ansicht; die Grafik wurde anhand der Indeed-Daten mithilfe von ChatGPT erstellt)

Die Ergebnisse zeigen: In den USA ist die Zahl der Junior-Positionen seit 2020 um rund ein Drittel eingebrochen. Für erfahrene Fachkräfte mit mehr als fünf Jahren Praxis fiel der Rückgang dagegen wesentlich milder aus. Und in Deutschland? Dort zeigt sich ein ähnlich düsteres Bild: In der Software-Entwicklung etwa wurden seit 2020 über die Hälfte aller Einstiegsjobs gestrichen – ein Rückgang von 54 Prozent. Senior-Rollen gingen im selben Zeitraum nur um 15 Prozent zurück. Noch drastischer ist die Entwicklung im IT-Support: Während Einsteiger:innen dort kaum noch Stellen finden (Rückgang um mehr als 40 Prozent), hat die Nachfrage nach Senior-Fachleuten sogar um 27 Prozent zugenommen.

KI-Erfahrung der Seniors schlägt die Lernbereitschaft der Juniors

Die Daten legen nahe, dass Unternehmen zunehmend auf Know-how setzen statt auf Lernpotenzial. Zwischen 2022 und 2025 stieg der Anteil an Tech-Stellenanzeigen in den USA, die mindestens fünf Jahre Berufserfahrung fordern, von 37 auf 42 Prozent. In anderen Bereichen, etwa Marketing oder HR, ging die Erfahrungshürde dagegen zurück (von 15 auf elf Prozent). Ein möglicher Grund: der frühzeitige und intensive Einsatz von KI im Tech-Sektor.

Laut der Studie sei es kein Zufall, dass dieser Trend zeitlich eng mit der Veröffentlichung von ChatGPT-3 zusammenfällt. Während Einstiegsrollen schwinden, schießen KI-nahe Profile immer mehr aus dem Boden: Gesucht sind vor allem Machine Learning Engineers. Im Vergleich zu 2020 stieg die Zahl entsprechender Ausschreibungen um 56 Prozent, ebenso wie die Spitzengehälter, welche aktuell mittlerweile um die 260.000 US-Dollar im Median liegen.


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„Ohne Berufseinsteiger von heute fehlen die Fachkräfte von morgen“

Die Ökonomin Dr. Virginia Sondergeld, Arbeitsmarktexpertin bei Indeed, warnt vor den möglichen Folgen. Viele Berufseinsteiger:innen hätten derzeit erhebliche Schwierigkeiten, überhaupt in den Markt einzutreten. Gleichzeitig zählen spezialisierte KI-Rollen zu den am stärksten wachsenden und bestbezahlten Jobs. Erste Daten aus Deutschland deuten wohl an, dass die Entwicklung auch hierzulande in eine ähnliche Richtung gehen könnte. Sondergeld betont jedoch auch den langfristigen Balanceakt. Ohne Nachwuchs fehle es in wenigen Jahren an dringend benötigten Fachkräften. Sie stellt klar:

Ohne Berufseinsteiger von heute fehlen die Fachkräfte von morgen. Der demografische Wandel wird in den kommenden Jahren viele erfahrene Mitarbeitende aus dem Arbeitsmarkt abziehen. Umso wichtiger ist es, jungen Talenten den Einstieg zu ermöglichen und langfristige Entwicklungsperspektiven zu bieten. Unternehmen, auch in Deutschland, müssen sich daher fragen, wie sie Effizienzgewinne durch den Einsatz von KI realisieren können, ohne dabei den eigenen Nachwuchs aus dem Blick zu verlieren.

Während KI hochqualifizierte Spezialist:innen zu den großen Gewinner:innen macht, könnte sie Berufseinsteiger:innen zunehmend die Türen verschließen. Wenn die ersten Karriereschritte blockiert sind, droht eine ganze Generation, den Anschluss zu verpassen. Damit stellt sich nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Politik und Gesellschaft die Frage: Wie können wir den Einstieg ins Berufsleben auch im Zeitalter von KI sichern – ohne dass junge Talente auf der Strecke bleiben?

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