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Technologie
Chatbots in der Suche 2.0: Neues Ads-Design und massive Umweltfolgen

Chatbots in der Suche 2.0: Neues Ads-Design und massive Umweltfolgen

Niklas Lewanczik | 21.02.23

Die generative KI, die Microsoft für Bing einsetzt, soll schon bald neuen Werbemöglichkeiten den Weg ebnen. Auch Google, Baidu und Co. dürften darauf hoffen, dass der eigene Such-Chatbot mehr Werbeumsatz liefert. Gleichzeitig ruft der vielfache Einsatz der KI-Tools weltweit Besorgnis hervor.

Schöne neue Welt, die uns die Künstliche Intelligenz in den Suchmaschinen zu schaffen verspricht. Bei Bing, Google, Baidu, Neeva und Co. sorgen Chatbots auf Basis generativer KI dafür, dass Suchende in kürzester Zeit mit umfangreichen Antworten versorgt werden. Sogar ausufernde Konversationen können User mit Googles Bard, Baidus ERNIE und Bings Prometheus Model führen – wobei Bing gerade die Frequenz der Suchanfragen und Frage-Antwort-Schritte bei einzelnen Anfragen limitiert hat. Zu sehr war das KI-Modell verwirrt worden, zu häufig kam es dabei zu unseriösen Antworten, sogar Drohungen und Liebesbekundungen. Microsoft hat für den 23. Februar bereits umfassende Optimierungen der Bing AI angekündigt.

Trotz der Testphasen und Gefahren, die aktuell noch von den teils unausgereiften KI-Systemen ausgehen, liegen die Potentiale der jüngsten Entwicklungen in den unterschiedlichen Suchmaschinen auf der Hand. Nicht nur können Nutzer:innen neuartig und teils schneller und informierter bedient werden – Bing hat laut einer Analyse von Similarweb schon knapp 24 Stunden nach der Vorstellung der KI-Chatbot-Integration in der Suchmaschine einen um 15 Prozent höheren täglichen Traffic verbuchen können als an einem durchschnittlichen Suchmaschinennutzungstag in den vorangegangenen sechs Monaten –, auch die Möglichkeiten für Advertiser werden ausgeweitet. Bing plant bereits gesponserte Links in KI-generierte Suchergebnisse zu integrieren. Baidu und Google könnten folgen. Doch während verschiedene Branchen die Möglichkeiten der Chatbots in der Suche ausloten, fürchten Klimaschützer:innen, dass die negativen Auswirkungen auf die Umwelt massiv sein werden.

Bing AI als Wegbereiter:in für Ads in Suchergebnissen der Chatbots?

Microsoft hat das neue Prometheus Model bereits mit dem Core-Algorithmus für die Bing-Suche synchronisiert. Dadurch soll die Relevanz der Ergebnisse deutlich gesteigert werden. Bei Bings KI-Chatbot in der Suche werden bereits diverse Quellenangaben samt Links in die Suchergebnisse in Textform integriert.

Bing liefert im Chat ausführliche Vorschläge – samt Quellenhinweisen (mit einem Klick aufs Bild gelangst du zur größeren Ansicht), © Bing
Bing liefert im Chat ausführliche Vorschläge – samt Quellenhinweisen (mit einem Klick aufs Bild gelangst du zur größeren Ansicht), © Bing

Inzwischen denkt Microsoft auch schon darüber nach, gesponserte Links in die Suchergebnisse zu integrieren. Nach Informationen von Reuters berät sich der Konzern sogar schon mit verschiedenen Werbeagenturen über die Möglichkeiten, in diesem Bereich Werbung zu machen. Über die gesponserten Links hinaus könnten künftig auch gesponserte Ergebnisse direkt in die Antworten integrieren und Microsoft sagt, dass die Chatbot Ads sogar prominenter und größer erscheinen könnten als die gängigen Bing Ads.

So sehen klassische Bing Ads aus, © Bing
So sehen klassische Bing Ads aus, © Bing

Solange die Bing AI noch so fehleranfällig ist wie bisher und teils unseriöse, teils fragwürdige Ergebnisse liefert, dürften sich Marken noch mit der Integration ihrer Botschaften zurückhalten. Die Möglichkeit aber, sich im Bereich der Chatbot-Antworten, also quasi auf Position null, mit der eigenen Brand zu positionieren, dürfte langfristig viele Advertiser locken; zumal die Warteliste für das neue Bing bereits mit Millionen von Menschen besetzt ist.

Die Online-Werbung wird durch Künstliche Intelligenz verändert, angefangen in der Suche

Werbung im Kontext der KI-generierten Antworten dürfte ebenso bei Baidu und Google ein Thema werden. Die chinesische Suchmaschine stellte kürzlich ein eigenes KI-Tool für die Suche namens ERNIE (Enhanced Representation through Knowledge) vor. Es erlaubt Usern, im chinesisch- und englischsprachigen Kontext ausführliche und facettenreiche Antworten auf auch komplexe Suchanfragen zu erhalten.

Und Google, das ohnehin als absolute Werbemacht im Search-Markt gilt, wird die eigenen KI-Integrationen rund um das Tool Bard vermutlich ebenfalls nutzen, um für Advertiser neue Werbemöglichkeiten bereitzustellen. Doch bis es dazu kommt, ist noch viel Arbeit nötig. Denn einerseits ist Googles auf dem Sprachmodell LaMDA (Language Model for Dialogue Applications) basierendes Modell für die Suche noch nicht für die Öffentlichkeit verfügbar – abgesehen von einigen Trusted Testern – und soll zunächst nur in einer vereinfachten Version des Sprachmodells veröffentlicht werden.

So sieht die Suche bei Google mit Bard aus, © Google

Andererseits hatte sich Googles Bard bei der Ad, die die Leistungsfähigkeit des Tools vorstellen sollte, einen Fehler erlaubt – was laut Reuters unmittelbar zu einem heftigen Wertverlust im Bereich von 100 Milliarden US-Dollar der Aktie führte.

Doch dass die Integration von Tools, wie sie OpenAI (zusammen mit Microsoft), Google, Baidu und Co. anbieten, die Arbeitsprozesse im Digitalraum verändern wird, ist nicht zu ändern. So fürchten inzwischen viele Menschen, sowohl im Marketing-Bereich als auch im Journalismus, über kurz oder lang von einer KI ersetzt oder teilersetzt zu werden. Nach einer aktuellen Untersuchung von Sortlist haben immerhin 23 Prozent der bei 500 Unternehmen befragten Personen im Tech- und Software-Bereich Angst vor einer Entlassung. Möglicherweise aus gutem Grund: 26 Prozent der Arbeitgeber:innen geben Personalabbau als potentielle Konsequenz der umfassenderen Integrierung der KI an. 51 Prozent derjenigen Arbeitgeber:innen, die einen Stellenabbau planen, erwägen dies im Marketing-Bereich.

Allerdings erwartet auch je etwa ein Drittel der Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen eine Produktivitätssteigerung durch ChatGPT von 25 bis 50 Prozent. Und Satya Nadella, CEO von Microsoft, erklärt:

AI will fundamentally change every software category, starting with the largest category of all – search. Today, we’re launching Bing and Edge powered by AI copilot and chat, to help people get more from search and the web.

KI-Tools und Chatbots sind bei Marketern und Co. auf dem Vormarsch

Der Einsatz von Tools wie ChatGPT greift auf diverse Bereiche der Digitalbranche über. Kürzlich hatte Microsoft CEO Satya Nadella bestätigt, dass das populäre KI-Tool ChatGPT in Microsofts Azure OpenAI Service integriert wird. Zudem könnte Microsoft ChatGPT auch in Office-Anwendungen wie Word und sogar Outlook integrieren.

Auch das Medienhaus BuzzFeed setzt auf OpenAI. Das Unternehmen wird künftig KI-Tools des ChatGPT Engineers OpenAI verwenden, um die eigenen Inhalte zu verbessern und zu personalisieren. Das geht sowohl aus einem Memo, über das das Wall Street Journal erstmalig berichtete, und das BuzzFeed CEO Jonah Peretti kürzlich an die Mitarbeiter:innen geschickt hat, hervor als auch aus seinen Aussagen gegenüber The Verge. In dem Memo sagt Peretti, dass KI einer der beiden großen Trends sein wird, die die Zukunft der digitalen Medien definieren (die zweite wichtige Entwicklung seien laut ihm Creator selbst). Tatsächlich nutzen diverse Unternehmen der Marketing-Branche bereits viele Tools oder launchen eigene, um Kreations- und Arbeitsprozesse zu optimieren. So erklärt Frank G. Froux, Gründer und CEO des MarTech-Unternehmens matelso, gegenüber OnlineMarketing.de:

ChatGPT bietet für Unternehmen heute schon viele Möglichkeiten, um interne Prozesse zu optimieren. Aber auch, um neue Impulse zu erhalten, die die Entscheidungsabläufe sowie die Customer Experience deutlich verbessern. Basis dafür ist vor allem die Fähigkeit der KI, aus erlernten Kontexten Zusammenhänge herzustellen und diese mit einer gewissen Menge an Kreativität in Bild und Wort zu visualisieren. In meinem MarTech-Unternehmen matelso etwa setzen wir ChatGPT als ‚offiziellen Gesprächsteilnehmer‘ in internen Meetings ein – der Bot sitzt (fast) immer bei uns ‘mit am Tisch’. Die Applikation bietet uns schnell und einfach einen Zugang zu wichtigen Informationen und Daten. So liefert der Algorithmus über eine einfache Suche tiefgreifende Einblicke in Märkte und Konsumentengewohnheiten. Zudem bekommen wir auf diese Weise sogar brauchbare Marktanalysen, die uns als Insights dabei unterstützen, bessere Entscheidungen zu treffen.

Das Software-Unternehmen contentbird wiederum launchte kürzlich sogar eine eigen KI, die die Content-Erstellung optimieren soll: Der neue AI Assistent des Unternehmens ist nur eines von vielen AI Tools, auf die Marketer derzeit vermehrt zurückgreifen. Vor allem ChatGPT wird bereits für diverse Disziplinen eingesetzt. Damit lassen sich beispielsweise Handlungsanweisungen im SEO-Kontext zeitsparend umsetzen. Im Social-Media-Kontext wiederum setzten bereits einige Marketer und User auf Social Comments GPT, ein Plugin, das zu automatisierten Kommentaren auf Instagram und LinkedIn verhilft. Für die Design-Arbeit hingegen wird oftmals Midjourney AI herangezogen.

Beispiele für die von Midjourney AI generierten Bilder, © Midjourney AI
Beispiele für die von Midjourney AI generierten Bilder, © Midjourney AI

Ein Beispiel dafür, wie man zum Beispiel ChatGPT schon jetzt aktiv in eigene Werbekampagnen integrieren kann, lieferte die Marke Avocados From Mexico. Anlässlich des Super Bowls LVII am 13. Februar startete die Brand eine Kampagne samt Visual am Time Square in New York, das auch einen QR Code enthielt. Über diesen gelangten Interessierte zu einer beim KI-Tool ChatGPT integrierten Seite, über die sie in Sekundenschnelle Tweets generieren lassen konnten, die auf die Marke verweisen. Diese Tweets sollten die User dann während des Super Bowls absetzen. Darüber berichtete Asa Hiken bei Ad Age

ChatGPT und Co. haben ungeheure Auswirkungen auf die Umwelt

Neben verschiedenen Kritikpunkten, denen sich die Anbieter:innen von KI-Diensten aussetzen müssen – unter anderem die Frage nach den Urheber:innenrechten von Bilder und Texten, die Tools generieren sowie die mitunter auftretende Problematik mit Rassismus und Sexismus –, besorgt Beobachter:innen der KI-Entwicklungen ein Aspekt, der nichts mit den von der Künstlichen Intelligenz generierten Inhalten zu tun hat. Die Auswirkungen der vielfachen Nutzung der KI-Tools und der Trainings für diese auf die Umwelt könnten diese massiv belasten. Karen Hao berichtet für MIT Technology Review, dass Deep Learning für sehr viel CO2-Emission verantwortlich ist.

Eine Erhebung der MIT Technology Review basierend auf Daten von Strubell et al. ergibt, dass Googles Modell BERT für einen Modelltrainingszyklus einen CO2-Fußabdruck von rund 650 Kilogramm CO2e (Co2-Äquivalente) hinterlässt, das Transformer-Modell mit 213 Millionen Parameter sorgt demnach bereits für einen CO2-Fußabdruck von etwa 284.000 Kilogramm. Da ein Modell wie PaLM auf 540 Milliarden Parameter setzt (ChatGPT baut auf etwa 175 Milliarden), lässt sich bereits erkennen, dass das Training dieser modernen AI Tools viele Emissionen mit sich bringt. Carlos Gómez-Rodríguez, Computer-Wissenschaftler der Universität A Coruña in Spanien, wird in Haos Beitrag zitiert:

While probably many of us have thought of this in an abstract, vague level, the figures really show the magnitude of the problem. Neither I nor other researchers I’ve discussed them with thought the environmental impact was that substantial.

Ein Paper der Universität Berkeley und von Google schätzt sogar, dass für das Training von GPT-3 über 550 Tonnen CO2e ausgestoßen wurden. Es gibt viele verschiedene Schätzungen und Berechnungen, klar ist aber, dass der Einfluss von immer mehr Deep-Learning-Modellen und KI-Tools auch für deutlich mehr Emissionen sorgen wird. Von daher ist es im Interesse aller, dass diese fortschrittlichen Technologien auch dafür eingesetzt werden, der Klimakatastrophe Einhalt zu gebieten – sei es durch relevante Berichterstattung, aufmerksamkeitsstarke Kampagnen in Form von Ads und dergleichen mehr. Denn jeder Fortschritt birgt eine Reihe von Gefahren, das haben uns soziale Medien bereits gelehrt, das Metaverse wirft seine Schatten voraus und die Digitalbranche muss sich der Verantwortung hinsichtlich mannigfaltiger Aspekte stellen.


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