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„Zero-Party-Daten entscheiden in Zukunft über den Unternehmenserfolg“ – Franz Tretter von hello again im Interview
© iStock.com/pixelfit, hello again via Canva

„Zero-Party-Daten entscheiden in Zukunft über den Unternehmenserfolg“ – Franz Tretter von hello again im Interview

Niklas Lewanczik | 24.06.21

Kund:innenbindung ist das Zauberwort für alle digital operierenden Unternehmen – aber es ist vage. Um herauszufinden, an welchen Hebeln du ansetzen musst, um langfristig User für eine Marke zu begeistern, haben wir mit dem Experten Franz Tretter gesprochen.

Seit rund zwei Jahrzehnten verlagert sich der Einkauf der Menschen zusehends stärker vom Offline- hin zum Online-Kauf. Dafür sorgt eine Vielzahl von Plattformen – von Amazon über OTTO bis hin zu Zalando – mit zahlreichen Vorteilen für Käufer:innen. Kostenloser Versand, gute Rückgabebedingungen, eine schier unerschöpfliche Auswahl, die Convenience des Kaufs per Klick, selbst mobil und on the go, und vieles mehr.

Nun hat die Coronapandemie zusätzlich dafür gesorgt, eine steigende Anzahl an Konsument:innen noch mehr Waren online kauft. Und Ende 2020 gaben 84 Prozent der befragten Menschen einer Studie in Deutschland an, auch nach der Pandemie häufiger online einkaufen zu wollen. Für Marken hält das riesige Potentiale bereit, die jetzt und in Zukunft ausgeschöpft werden wollen. Doch Stolpersteine gibt es dabei zuhauf: Marktbeherrschende Unternehmen wie Amazon setzen die Benchmarks und damit hohe Ansprüche an jeden Shop, Datenschutzbestimmungen bei Apple (die mit iOS 14.5 eingeführte App Tracking Transparency) und Google (bei Chrome werden ab 2022 keine Third Party Cookies mehr unterstützt und das Tracking in Android Apps wird erschwert) sorgen für erschwerte Tracking- und Marketing-Bedingungen.

Wie Brands mit zielgerichteter Kund:innenbindung dennoch zum nachhaltigen Erfolg gelangen können, haben wir mit dem CEO von hello again, Franz Tretter, besprochen. Tretter und hello again bieten Expertise im Kontext von modernen Kund:innenbindungsstrategien im Digitalraum, insbesondere auch im Rahmen von (Loyalty) Apps. Im Interview erklärt uns der CEO, warum Zero-Party-Daten und ein Fokus auf die Nachhaltigkeit des eigenen Angebots wichtig sind und wieso Marken nie zu hohe Erwartungen wecken sollten.

Das Interview

OnlineMarketing.de: Wie wichtig werden effektive Methoden zur Gewinnung von Zero-Party-Daten? Und welche Best Practices gibt es hierfür?

Franz Tretter: Die Gewinnung von Zero-Party-Daten wird in naher Zukunft über den Erfolg von Unternehmen entscheiden. Wer saubere Daten als Grundlage für sein Angebot und seine Kommunikation vorliegen hat, kann die Customer Journey wesentlich verbessern. Zum Vorteil von Kund:innen und auch vom Unternehmen. Als Best Practice gilt hier sicherlich das Bonusprogramm von Müller, das ausschließlich über die Müller App genutzt werden kann.

Auf welche Weise kann ich als Unternehmen Transparenz bei der Datenverarbeitung nach außen darstellen, um Usern und potentiellen Kund:innen im Kontext des heiklen Themas Datenschutz Vertrauen entgegenzubringen?

Den Kund:innen muss von Anfang an klar sein, welche Daten gesammelt werden und warum. Wenn kommuniziert wird, für welchen Zweck die Daten benötigt werden und wie auch Kund:innen davon profitieren, wird Verständnis geschaffen. Darüber hinaus wird ihnen dadurch die Entscheidungshoheit über die Angabe ihrer Daten übertragen. Diese Transparenz stärkt das Vertrauen in die Marke.

Die Kommunikation dazu sollte immer dort stattfinden, wo die Daten erhoben werden, so zum Beispiel bei der Eingabemöglichkeit der Telefonnummer. Wenn Kund:innen verstehen, dass bei Lieferproblemen der telefonische Kontakt von Vorteil ist, dann wird die eigene Nummer gerne für diesen Zweck angegeben. Die Erklärung des Warum ist also entscheidend.

Was ist deiner Meinung nach die längste tolerable Zeitspanne bis zu einer Antwort eines Unternehmens auf eine Kund:innennachfrage?

Franz Tretter von hello again, © hello again; Mario Riener Fotografie

Die Frage kann pauschal nicht beantwortet werden, aber die Vielzahl der Kund:innen schätzt Schnelligkeit. Da in den meisten Bereichen des Lebens Kommunikation immer schneller wird, wird man tendenziell eher ungeduldiger und erwartet eine schnelle Reaktion. Hier hilft es, Kund:innen ab Erhalt der Nachricht kommunikativ abzuholen. Der erste Schritt dabei ist, ihnen ein Signal zu geben, dass die Anfrage angekommen ist und bearbeitet wird. Wissen die Kund:innen, dass an der Anfrage gearbeitet wird beziehungsweise wann ein Feedback erwartbar ist, so wird die Geduld etwas größer. Standardantworten sind dafür zwar eine einfache Lösung, dennoch raten wir zu personalisierten Antworten. Sobald Kund:innen merken, dass auf der anderen Seite ein Mensch sitzt, steigt erfahrungsgemäß die Akzeptanz.

TikTok: yay or nay? Sollten Unternehmen die so wichtige App unbedingt als Kontaktpunkt zu User-Gruppen nutzen? Gibt es aus deiner Sicht eine Liste von Must-have-Plattformen?

Die Plattform ist besonders von der jungen Zielgruppe geprägt und bietet gewaltiges Potential, um in kurzer Zeit eine große Reichweite zu bespielen. Sie wächst mit rasantem Tempo. Voraussetzung für eine Präsenz auf TikTok ist eine saubere Content-Strategie, die sich mit sehr kurzen Videos auf TikTok übertragen lässt und dass sich natürlich die Zielgruppe deckt.

Welche Art von Content bietet sich dort deiner Erfahrung nach für den KPI Kund:innenbindung besonders an? Hast du ein Beispiel parat?

TikTok lebt von Interaktionen in der Community. Unternehmen können sich dies zu Nutze machen und zum Beispiel durch eine Hashtag Challenge Interaktionen und Engagement mit der Marke oder einem Produkt fördern. Das wirkt natürlich auch sehr stark auf die Kund:innenbindung ein, da die eigene Marke emotionalisiert wird. Ähnlich funktionieren auch Micro Games, die wir unseren Partner:innen als Option für die digitale Kund:innenbindung innerhalb ihrer App anbieten, um die Marke mit Emotionen aufzuladen.

Wie schaffe ich beispielsweise als lokales Unternehmen schon in der Suche Vertrauen? Hast du drei Tipps für die sinnvolle Optimierung des Google My Business Accounts?

Wichtig ist, ein sauberes Profil mit korrekter Anschrift, Kontaktdaten, Homepage und aktuellen Öffnungszeiten. Ein paar Fotos helfen den Kund:innen dabei, sich direkt ein Bild zu machen und werten den Eintrag zusätzlich auf. Darüber hinaus würde ich Stammkund:innen darum bitten, eine positive Bewertung zu schreiben. Das sind sicher die Basics, um einen guten Eindruck in der Google-Suche und auf Google Maps zu hinterlassen.

Wie können Unternehmen hybride Customer Journeys hervorbringen, die für User Convenience und Mehrwert bedeuten – und damit auch zur Markentreue beitragen können?

Eine Customer Journey umfasst heutzutage in fast allen Fällen mehrere Touchpoints, on- und offline. Das wichtigste dabei ist, dass diese Touchpoints alle verknüpft sind und miteinander kommunizieren. Das ist gleichzeitig auch der Punkt, der Unternehmen am schwersten fällt. Verschiedene Systeme und Datenbestände, die historisch gewachsen sind, miteinander zu verknüpfen, ist nicht einfach. Man muss deshalb oft Workarounds finden, um das Ziel zu erreichen. Wenn beispielsweise bei unseren Kund:innen eine Integration des Kassensystems in die App aus irgendeinem Grund nicht möglich ist, besteht die Möglichkeit, den Einkauf durch den Scan des QR-Codes auf der Rechnung zu erfassen. Dadurch verbinden wir den Kauf im stationären Geschäft mit dem digitalen Kund:innenbindungsprogramm.

Laut der Meaningful Brands-Studie von Havas erwarten 75 Prozent der Befragten von Unternehmen einen Fokus auf soziale und ökologische Themen. Wie kann man sich als Marke in diesem Kontext besonders positiv hervortun?

Das Wichtigste in diesem Bereich ist, dass ein Unternehmen die Versprechen, die es macht, einhält oder besser noch, sogar übertrifft. Kund:innen, denen diese Themen wichtig sind, erkennen beispielsweise Greenwashing sehr schnell. Es zählen deshalb nicht immer nur die großangelegten Kampagnen zur Rettung des Regenwaldes, sondern vielmehr die vielen kleinen Dinge, die ein Unternehmen in den täglichen Abläufen umsetzt, um sozial und ökologisch nachhaltig zu agieren. Langfristig gesehen bringt das Vertrauen und Glaubwürdigkeit, was gleichzeitig ein sehr wichtiger Faktor für Kund:innenbindung ist.

Nachhaltigkeit spielt für viele User inzwischen eine immense Rolle. Kannst du ein Beispiel für Maßnahmen von Brands nennen, die nicht nach Greenwashing klingen und das Vertrauen der Kund:innen langfristig stärken können?

Wie schon erwähnt, ist es wichtig nicht nur großangelegte Kampagnen in diesem Bereich zu betreiben. Es sind die kleinen Aktionen, die wichtig sind. Das Handelsunternehmen Müller bietet zum Beispiel die Möglichkeit Rechnungen nicht mehr in Papierform, sondern nur mehr digital zu erhalten. Dies spart enorm viel Papier und ist ein wertvoller Beitrag zur Umwelt, dem zudem jede:r Kund:in beim alltäglichen Einkauf begegnet.

Welche Stolperfallen gibt es für Unternehmen nach der Überzeugung von Usern vom Produkt oder einer Leistung etwa im Bereich Checkout oder Service?

Grundsätzlich gibt es die Gefahr, die Erwartungen, die vorher geweckt wurden, zu enttäuschen. Dies gilt es während der gesamten Customer Journey zu bedenken. Erweckt man den Eindruck ein cooles, einfaches Produkt zu haben und fragt danach auf mehreren Seiten beim Checkout die Daten von Kund:innen ab, so ist dies kein einheitliches Erlebnis und kann zu Frust führen.

Welche Mittel und Wege gibt es, um User auch mobil an ein Unternehmen zu binden, beispielsweise im App-Kontext?

Wichtig ist Kund:innen dort abzuholen, wo sie sich bewegen. War früher noch die Geldbörse der Gegenstand, den man immer dabei hatte, so ist das heute das Smartphone. Als Unternehmen und als Marke muss ich genau dort präsent sein. Bei wiederkehrendem Kontakt macht dies in Form einer eigenen Marken-App Sinn. Um langfristig die Loyalität zu steigern, sollte neben einem guten Service auch ein Kund:innenbindungsprogramm eingeführt werden. Zugeschnitten auf die Zielgruppe, mit monetären und auch emotionalen Anreizen, welche eine stärkere Bindung schaffen.

Inwieweit sollten User auch angeregt werden, Interaktionen mit der Brand zu haben? Wie lässt sich das im App-Kontext oder auch auf der Website anregen und incentivieren?

Mehr positive Interaktionen mit der Brand schafft eine zusätzliche Verbundenheit. Gamification ist das Zauberwort: Werden Kund:innen spielerisch mit eingebunden, wird die Bindung gestärkt. Micro Games fördern die Interaktion und somit die Markenbekanntheit, weil sie einerseits Spaß machen und andererseits werden Endkonsument:innen für ihre Interaktion mit Treuepunkten belohnt, die wiederum in Rabatte eingelöst werden können.

Die Befragten aus der aktuellen Meaningful Brands-Studie von Havas gaben an, es sei ihnen egal, wenn 77 Prozent der Marken von heute auf morgen verschwinden würden. Es herrscht also Nachholbedarf bei der Markenbildung und Etablierung als Love Brands. Welche Kernelemente sollten Brands deiner Meinung nach vor allem beherzigen, um einer Austauschbarkeit vorzubeugen?

Neben einem starken USP, den Kund:innen laufend spüren und eine konsequente Markenführung über alle Kanäle und einen längeren Zeitraum hinweg, spielt vor allem die emotionale Bindung eine wichtige Rolle: Fühlen sie sich vom Unternehmen verstanden und auch für andere Aktivitäten als den Einkauf im Unternehmen belohnt, werden sich diese Kund:innen mit dem Unternehmen verbundener fühlen und es wird ihnen nicht mehr egal sein, wenn die Marke von heute auf morgen verschwindet.

Wann ist für dich eine Marke unverzichtbar?

Für mich persönlich ist eine Marke unverzichtbar, wenn sie in mir ein besonderes Gefühl weckt, welches keine andere Marke am Markt liefert. Diese emotionale Bindung an eine Marke wird oft unterschätzt. Viele Unternehmen sehen in Kund:innen nur Umsatzbringer:innen. Dies ist heutzutage jedoch zu wenig. Kund:innen möchten sich verstanden und gut aufgehoben fühlen. Erreichst du diesen Wohlfühlfaktor bei deinen Kund:innen, dann wird deine Marke unverzichtbar.


Wir bedanken uns herzlich bei Franz Tretter für das schriftliche Interview und die ausführlichen Insights rund um die Kund:innenbindung in der Pandemie und darüber hinaus.

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