Human Resources
Wenn KI-Know-how nur eingebildet ist und Unternehmen leiden

Wenn KI-Know-how nur eingebildet ist und Unternehmen leiden

Marié Detlefsen | 16.10.25

Viele Arbeitnehmer:innen überschätzen ihre Fähigkeiten im Bereich Künstliche Intelligenz – und gefährden damit Produktivität, Team-Stabilität und Unternehmensziele. Erfahre, wie groß die Diskrepanz zwischen Selbstwahrnehmung und Realität tatsächlich ist.

Obwohl Künstliche Intelligenz längst als Motor für wirtschaftliches Wachstum gilt, zeigt eine aktuelle internationale Befragung von Skillsoft, dass viele Unternehmen noch weit von einer wirklich zukunftsfähigen Belegschaft entfernt sind. So zeigt die Analyse unter anderem, dass die meisten Arbeitnehmer:innen ihre KI-Skills und Fähigkeiten im Bereich Technologie deutlich überschätzen – mit spürbaren Folgen für Produktivität, Team-Arbeit und Unternehmensziele.

Fehlende KI-Skills als Wachstumsrisiko

Die „2025 Global Skills Intelligence Survey“ des Weiterbildungsunternehmens Skillsoft befragte 1.000 Fachkräfte aus verschiedenen Branchen in den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Deutschland sowie Australien und verdeutlicht, wie groß die Diskrepanz zwischen Selbstwahrnehmung und Realität ist. Nur zehn Prozent der befragten HR- und L&D-Verantwortlichen trauen ihrer Belegschaft zu, die Unternehmensziele in den nächsten zwei Jahren zu erreichen. Gleichzeitig sind 91 Prozent überzeugt, dass Mitarbeitende ihre eigenen Fähigkeiten überbewerten – besonders in Schlüsselbereichen wie Führung, technologischem Wissen und eben KI-Kompetenzen.

Diese Selbstüberschätzung der KI-Skills bleibt nicht ohne Folgen: Laut der Studie verschärft sie globale Qualifikationslücken (36 Prozent), schmälert die Produktivität (34 Prozent) und erhöht den Druck auf Führungskräfte (31 Prozent). In Deutschland wirkt sich die Überschätzung insbesondere negativ auf Projektzeitpläne (35 Prozent), Team-Zusammenhalt (34 Prozent) und realistische Zielsetzungen (34 Prozent) aus.

Die Selbstüberschätzung der KI-Skills bleibt nicht ohne Folgen (mit einem Klick aufs Bild gelangst du zur größeren Ansicht; die Grafik wurde anhand der Softskill-Daten mithilfe von ChatGPT erstellt)
Die Selbstüberschätzung der KI-Skills bleibt nicht ohne Folgen (mit einem Klick aufs Bild gelangst du zur größeren Ansicht; die Grafik wurde anhand der Softskill-Daten mithilfe von ChatGPT erstellt)

Veraltete Strategien verstärken das Problem

Trotz dieser Herausforderungen setzen Unternehmen noch immer auf Weiterbildungsmaßnahmen, die kaum Wirkung zeigen. Zwar bieten 85 Prozent der Befragten Programme zur Talententwicklung an, doch nur sechs Prozent bewerten diese als wirklich exzellent. Gerade einmal ein Fünftel der Verantwortlichen sieht überhaupt eine klare Verbindung zwischen den Weiterbildungsformaten und den strategischen Zielen des Unternehmens. Dass dieser Aspekt in der Erhebung prominent hervorgehoben wird, mag aber auch am eigenen Lösungsportfolio von Skillsoft liegen.

Hinzu kommt, dass viele Lösungen fragmentiert, manuell und zu wenig individualisiert sind. Nur knapp ein Viertel der Unternehmen (24 Prozent) nutzt eine zentrale Plattform, die einen transparenten Überblick über vorhandene Skills liefert. Ohne eine solche Basis bleibt es schwer, Kompetenzlücken systematisch zu schließen und Mitarbeitende für die Geschwindigkeit des technologischen Wandels fit zu machen. Dabei nehmen Mitarbeitende selbst nicht immer Angebote wahr. So nutzen unter anderem nur sieben Prozent der Arbeitnehmer:innen in Deutschland ihren Bildungsurlaub.


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Sorgen bremsen Weiterbildung

Besonders in Deutschland zeigt sich laut der Studie ein Spannungsfeld: 44 Prozent der Befragten geben an, dass mehr in Technologie als in Mitarbeitende investiert wird. Gleichzeitig sehen 29 Prozent das Risiko, dass Mitarbeitende ohne ausreichende Vorbereitung befördert werden – eine Entwicklung, die langfristig sowohl Motivation als auch Leistungsfähigkeit gefährden kann. Angestellte fordern mehr Transparenz in Bezug auf Gehälter und Vorgänge im Unternehmen.

Auch die Angst vor einem Abwandern von Top-Talenten ist in Deutschland ausgeprägter als im globalen Durchschnitt: 42 Prozent befürchten, dass qualifizierte Kräfte zu agileren Wettbewerber:innen wechseln könnten. Hinzu kommt eine wachsende Sorge vor Burn-out (35 Prozent) sowie die Befürchtung, dass die KI sich schneller entwickelt als die Weiterqualifizierung der Belegschaft (18 Prozent).

KI-Skills als Teil der Lösung – und des Problems

Während viele Mitarbeitende ihre eigenen KI-Skills überschätzen, sehen Unternehmen die Technologie selbst als Hoffnungsträger:in. Fast die Hälfte der Befragten (49 Prozent weltweit, 45 Prozent in Deutschland) glaubt, dass KI-gestützte Tools künftig helfen können, Fähigkeiten präziser zu erfassen und Weiterbildungsmaßnahmen passgenauer auszurichten. Generell erhoffen sich Unternehmen einen Produktivitäts-Boost durch den Einsatz von KI oder die Senkung von Arbeitskosten. Einige Arbeitgeber:innen gehen mittlerweile so weit und ersetzen Fachkräfte durch gezielte KI-Programme. So wünschen sich unter anderem 41 Prozent der Manager in den USA, dass sie in den nächsten Jahren Mitarbeitende durch kostengünstigere KI-Tools ersetzen können.

Dennoch wächst die Nachfrage nach personalisierten Lernformaten seitens der Arbeitnehmer:innen weiter: Besonders Echtzeit-Feedback (56 Prozent), interaktive Simulationen (44 Prozent) und adaptives Training (34 Prozent) stehen weit oben auf der Wunschliste. Damit könnten Weiterbildung und Talentförderung endlich stärker am individuellen Bedarf der Mitarbeitenden ausgerichtet werden und diese wiederum ihr eigenes Skillset vergrößern.

Arbeitnehmende wünschen sich besonders Echtzeit-Feedback und interaktive Simulationen (mit einem Klick aufs Bild gelangst du zur größeren Ansicht; die Grafik wurde anhand der Softskill-Daten mithilfe von ChatGPT erstellt)
Arbeitnehmende wünschen sich besonders Echtzeit-Feedback und interaktive Simulationen (mit einem Klick aufs Bild gelangst du zur größeren Ansicht; die Grafik wurde anhand der Softskill-Daten mithilfe von ChatGPT erstellt)

Die Studie macht deutlich: Unternehmen dürfen sich nicht länger auf die Selbsteinschätzung ihrer Mitarbeitenden verlassen. Wer im KI-Zeitalter konkurrenzfähig bleiben will, braucht valide Daten zu den tatsächlichen Fähigkeiten der Belegschaft – und Weiterbildungsstrategien, die weit über Standard-Trainings hinausgehen. Denn die größte Gefahr ist nicht das Fehlen von KI-Skills an sich, sondern die Illusion, sie bereits zu besitzen.


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Dieser Beitrag erschien erstmals am 3. September 2025.

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