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Die Zukunft ist vorbei – und nun? 10 Thesen zum Marketing 2018

Die Zukunft ist vorbei – und nun? 10 Thesen zum Marketing 2018

Ralf Scharnhorst | 13.04.18

Ralf Scharnhorst gibt seit 2001 jedes Jahr Denkanstöße und Prognosen für die nahe Zukunft.

1. Die Einmischung der Politik macht die Branche erwachsen

Marketing und die Internet-Branche werden nicht als systemrelevant betrachtet wie Banken oder Automobilhersteller – dennoch sind die Zeiten vorbei, als unsere Branche von der Politik einfach ignoriert wurde. Die Regierung will etwas unternehmen, damit sich Internet-Nutzer nicht ausspioniert fühlen. Denn sie will weiterhin nichts tun gegen das Ausspionieren der Privatsphäre durch Geheimdienste. Daher wird die Verarbeitung von personenbezogenen Daten stärker reglementiert in zwei Stufen: zuerst DSGVO/GDPR, dann die ePrivacy-Richtlinie. Ungewissheit behindert Investitionen dabei stärker als klare Regeln. Denn eine klare Ansage des vom Volk gewählten Schiedsrichters muss unserer Branche nicht schaden. Die neue deutsche Regierung erscheint wirtschaftsfreundlich genug, einen Kompromiss herbeiführen zu können. Aktuelle Gesetzes-Prognose: es bleibt alles wie es ist. Und User, die sich in ihrem Wunsch nach Privatsphäre respektiert fühlen, installieren weniger AdBlocker und reagieren besser auf Werbung.

2. Die Programmatic-Revolution frisst ihre Kinder 

Programmatic hat es traditionellen Vermarktern schwer gemacht. Nun machen es die Walled Gardens Google, Facebook und Amazon, deren Werbeverkauf praktisch schon immer programmatisch war, den unabhängigen Technologie-Anbietern schwer. Jeder muss für sich selbst entscheiden: gibt es zu viel oder zu wenig Technologie in unserer Branche? Oder nur die falsche? Und wer investiert noch, um bessere Technologie aufzubauen?

Der Kompass war klar, aber nicht geradlinig (c) Ralf Scharnhorst
Der Kompass war klar, aber nicht geradlinig (c) Ralf Scharnhorst

3. Publisher: ab jetzt geht es bergauf 

Mit Journalismus im Internet Geld verdienen? Für die Verlage kann es schlimmer nicht mehr kommen. Facebook hat sich Sorgen um die Gesundheit seiner User gemacht und will statt News und Fake-News lieber mehr Urlaubsfotos von Freunden zeigen. Wir hatten es vorhergesagt. Die gute Nachricht: Damit ist die Talsohle für hochwertig erarbeitete Inhalte erreicht. Die Akzeptanz für Paid Content wird wachsen – die Menschen geben ja auch weiterhin Geld aus für Musik, Bücher und Literatur.

4. Marketer werden als erste ersetzt durch Algorithmen

Der größte Fehler des Menschen als Arbeitskraft ist, möglichst viele Menschen in Abteilungen unter sich haben zu wollen: Mit den Jahren wachsen Unternehmens-Strukturen, bis sie ineffizient sind. Auf Zalando übersetzt in drei Stufen: „Schrei vor Glück!“, „Me. Unlimited.“, „Me. Unemployed.“ Es ist nicht der Taxifahrer oder der Paketbote, der als erster durch Algorithmen ersetzt wird, sondern der Online-Kampagnen-Manager. Unsere Branche ist Technologie-gläubig und A/B-Tests können die Algorithmen ausgezeichnet. Doch wer gibt das größere A und B vor? In der Kreativität, einer Marke ihre Positionierung, Einzigartigkeit und Strategie zu geben, ist der Mensch unersetzlich. Zumindest, solange die Produkte von Menschen gekauft werden. Im Einkauf durch Assistenten und Verkauf durch Bots wird sich eine spannende Schlacht der Algorithmen entwickeln – wird Alexa Siri davon überzeugen können, die Milch zu bestellen, bei der Amazon eine höhere Marge hat?

5. Inhousing vs. Outsourcing: ein stetes pendeln 

Werbungtreibende, gerade aus den Bereichen StartUps und e-Commerce, haben immer mehr Marketing-Funktionen ins eigene Haus verlagert. Oft nutzt die Geschwindigkeit und tiefe Produktkenntnis. Aber es geht auch nicht ohne die Technologie-Kompetenz, Marktkenntnis und externe Inspiration durch Dienstleister. Ist Outsourcing eine Alternative, wenn man Dienstleister findet, denen man vertraut? Und eine langfristige Zusammenarbeit aufbaut? Während die einen noch inhousen, outsourcen die anderen schon wieder. Wahrscheinlich schwingt in 2018 oder 2019 das Pendel um zum Trend “outsourcing”.

6. Broadcast ist tot, es lebe die Nische! 

Wenn selbst ein TV-Senderchef Fernsehzuschauer als konsumschwache Randzielgruppe abkanzelt, ist es offiziell: es gibt keine analogen Leitmedien mehr. Die Vorstellung, eine Werbebotschaft gleichzeitig an das ganze Volk zu senden, ist vorbei. Wenn der Nachteil der Online-Medien die Fragmentierung sein sollte, so haben die analogen Medien diesen Nachteil aufgeholt. Was die großen Werbungtreibenden ärgert, freut die kleinen: nie war es so teuer, alle Menschen zu erreichen. Nie war es so günstig wie jetzt, eine Nische zu erreichen.

7. Konsumenten wachsen nicht nach 

“Es gibt keine anderen Konsumenten, man muss arbeiten mit denen, die man hat” würde Adenauer sagen. Für die meisten Produkte gibt es keine Erstkäufer mehr. Jeder Käufer muss überzeugt werden: „Das neue iPhone ist so viel besser, wirf dein altes weg!“ Doch dazu bräuchte es nicht nur technischen Fortschritt, sondern Fortschritt im Nutzen für die Menschen. Das Ergebnis derzeit: der Absatz von Smartphones sinkt. Anderen Branchen geht es ähnlich. CRM ist das neue Marketing. Es wachsen keine stumm Werbebotschaften empfangenden Konsumenten nach, sondern Teenies, die sich in einen Dialog mit und über Marken begeben. Denn:

8. Es gibt keine Konsumenten mehr – sondern nur noch Micro-Influencer

Wenn etwas zu stark aufgeblasen wird, platzt es. Es gibt derzeit nichts, was Influencer Marketing davon abhält, zu stark aufgeblasen zu werden. Marken planen fünf- und sechsstellige Budgets für einzelne Influencer. Es kann nur wenige weitere Jahres-Budgetpläne dauern, bis diese Investitionen gemessen und hinterfragt werden. Drei Herausforderungen entstehen daraus: das Platzen von Blasen vorherzusagen, ist leicht. Nur der Zeitpunkt ist schwer zu bestimmen. Dann ist zu trennen, für welche Branchen Influencer-Marketing wie funktioniert und für welche nicht. Und wie man es misst, bewertet und optimiert. Aber vor allem: Weiterempfehlungen gab es schon immer. Und das wird und bleibt wichtig, denn jeder Konsument mit einem Social-Media-Account ist ein Influencer – nur eben ein kleiner.

Die Microsoft Hololens und Ralf Scharnhorst
Die Microsoft Hololens und Ralf Scharnhorst

9. Der Fortschritt bei der Hardware lässt auf sich warten

Wo sind sie geblieben, die halbdurchsichtigen Datenbrillen, die Zustellung per Drohne und die selbstfahrenden Autos?
Das meiste davon scheitert nicht am technischen Fortschritt, sondern am Menschen. Der sich gewehrt hat gegen “Glassholes” und selbstfahrende Autos einfach dadurch ausbremsen wird, dass er die Straße überquert. Werden wir es überhaupt merken, wenn das Moore’sche Gesetz endet, also die Prozessoren nicht mehr in weniger als zwei Jahren ihre Leistung verdoppeln? Vorher sollten wir uns – vorübergehend – anpassen an eine Welt, in der der aktuelle, tatsächliche Fortschritt langsamer wird.

(Nachtrag: dieser Artikel wurde geschrieben, bevor ein Uber-Volvo eine Frau überrollte. Wir gehen dennoch davon aus, dass selbstfahrende Autos für Menschen bremsen werden. Und dass die Autos daher im Stadtverkehr eher selbst stehen als selbst fahren werden.)

10. Facebook-Gruppen sind das nächste grosse Ding

Die „Walled Gardens“ wollen alles vereinnahmen, was vorher im freien Internet stand. Was früher Internet-Foren waren, sind jetzt Gruppen auf Facebook. Der blaue Gigant investiert weiter darin, Gruppen-Administratoren die Arbeit zu erleichtern, denn hier findet selbst-kontrollierter Content mit hoher Stickyness statt.

Noch zu klären: Wann kann man das kommerzialisieren, welche Marken brauchen nun eine eigene Gruppe statt einem eigenen Profil?

Fazit: Die Trends werden langsamer und vorhersehbarer

Die Vorhersagen aus den 10 Thesen für 2017 sind eingetroffen und gelten weiterhin. Wirkliche Irrtümer wie früher werden seltener.
So sind es dieses Jahr sechs langfristige Trends, an die sich jedes Unternehmen anpassen muss (1, 2, 3, 6, 7 und 10), und vier Pendel-Bewegungen (4, 5, 8 und 9), die je nach Branche bald wieder in das Gegenteil umschwenken können, wenn sie übertrieben werden – hier hilft nur Vorbereitung auf beide Szenarien und Flexibilität.

Wer vergleichen will: Hier zum Vergleich mein Rückblick über meine Prognosen der letzten 17 Jahre und die 10 Thesen des letzten Jahres.

Kommentare aus der Community

Pascal am 24.04.2018 um 19:34 Uhr

Grundsätzlich bin ich immer sehr skeptisch bei solchen „Vorhersageartikeln“. Tatsächlich muss ich den meisten Punkten hier aber zustimmen. Das im Marketing viele Menschen bereits heute weg digitalisiert werden kann ich ebenfalls beobachten. Allerdings vor allem auf Kundenseite und in der Media Planung. Auf Agenturseite werden gute kreative und Planner händeringend gesucht.

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