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Performance Marketing
Werbung ohne PC und Zielgruppe? 10 Thesen zur Zukunft des Marketing

Werbung ohne PC und Zielgruppe? 10 Thesen zur Zukunft des Marketing

Ralf Scharnhorst | 20.03.17

Ralf Scharnhorst macht sich seit 2001 Gedanken darüber, worauf wir uns vorbereiten sollten. Seine Denkanstöße für 2017.

1. Der PC ist die Zeitung von morgen

Braucht man den PC noch, um die Nachrichten zu lesen? Genau so wenig wie die Zeitung. Und um den Fisch einzuwickeln, ist er sogar noch unhandlicher.

In den meisten Marktsegmenten sinken die Werbebudgets, die auf Computern angezeigt werden. Weil die Menschen zunehmend auf Smartphones und Tablets lesen und auf vielfältigen anderen Geräten streamen. Kampagnen müssen die andere Nutzungssituation, Technologie und Formate berücksichtigen.

Das größte Problem haben die Publisher, die bei der Vermarktung mobiler Websites weniger verdienen als bisher.

2. Earned und Owned Media trocknen aus 

Die Unternehmen jubelten, dass Profile auf Facebook gratis angelegt werden können. Die User jubelten nicht über deren “Kauf mich!”-Meldungen im Newsfeed der Freunde. Immer öfter sagt Facebook daher über seine Werbeformen: “Kauf mich, wenn Du gesehen werden willst”. Das geht weiter, bis es auf Facebook teurer ist, einen Kunden zu gewinnen, als draußen im World Wide Web.

“Earned Media” ist damit nicht ganz tot, es muss jedoch sehr hart verdient werden – und zwar mit Informationen, die den User interessieren. Social-Media-Profile besitzen wir nicht wirklich, wir sollten sie besser „Rented Media“ nennen.

3. Alle Medien werden digital und programmatisch, DVB-T schlägt zu 

Die Digitalisierung der Medien begann bei Nachrichtentexten und -bildern. Inzwischen hat sie alle Inhalte bis hin zu Büchern und Filmen erfasst. Programmatic begann eigentlich 1999 bei der Versteigerung von Suchmaschinen-Klicks auf Textlinks bei Google. Nach Bannern sind jetzt auch Videos und Audio-Streams erfasst. Plakate digitalisieren sich langsam zu Screens. Im TV kann es einen Erdrutsch hin zu Internet-basierter Übertragung geben, wenn das bisherige DVB-T dieses Jahr nach und nach abgeschaltet wird. In vielen Haushalten ist dann das einzige, was noch TV empfangen kann, der Google Chromecast-Stick, Zattoo oder die TV-Spielfilm-App.

Bleibt nur noch Print-Werbung, die nie ganz in Echtzeit stattfinden wird. Aber individualisierte Anzeigen- oder Titelseiten schreiten voran und die Abläufe zwischen Vermarkter und Agentur werden optimiert.

4. Programmatic ist wie gemacht für Marken-Werbung, nur der Wechsel ist schwer 

Programmatic wuchs aus dem Retargeting von Online-Shops heraus: man wollte dem User im Banner nicht nur genau das Paar Schuhe anzeigen, das er sich gestern angesehen hatte. Und danach weitere, ähnliche Nutzer erreichen. Die e-Commerce-Unternehmen konnten ihre Daten und Kampagnen langsam optimieren und den Anteil von Programmatic an ihrem Werbebudget langsam hochfahren.

Für Brand Advertiser sind Daten nicht der wichtigste Grund, auf Programmatic umzusteigen: es ist die zentrale Steuerung der Kontaktdosis und der Motive. Erstmalig können sie Vermarkter-übergreifend festlegen, wie häufig ein Konsument eine Kampagne sehen soll. Und wer welche Motive sehen soll – was sich zum Storytelling nutzen lässt oder für unterschiedliche Inhalte für unterschiedliche Zielgruppen.

Der große Haken: um diesen Vorteil zu nutzen, ist ein Umstieg von null auf Hundert mit dem ganzen Budget notwendig. Tests können bei FMCGs für einzelne Marken oder Märkte erfolgen.

5. Purchase Tracking: Verbindung von offline zu online 

Die Optimierung von Werbekampagnen ist um ein Vielfaches ungenauer, wenn sich das Ergebnis nicht in digitalen Kanälen messen lässt. Hier erwarten wir die nächsten großen Fortschritte.

Onliner haben gelernt, von Conversions auf Micro-Conversions zu abstrahieren, um schneller mit höheren Datenmengen analysieren zu können. Die bisherigen Offliner werden einerseits ähnliche Messgrößen etablieren. Andererseits wird immer mehr digital messbar – ob nun Alexa den Einkaufszettel führt, die Payback-Karte den Rückschluss von der Ladenkasse auf die gesehene Werbung zulässt oder das Smartphone nicht nur der Werbeträger, sondern dank Mobile-Payment-App auch die digitale Geldbörse ist.

6. Die größten Fehler im Marketing passieren in der Definition der Zielgruppe 

Die Zielgruppen-Definitionen vieler Unternehmen haben sich seit 50 Jahren nicht geändert. Aber wer definiert sich selbst heute noch als “haushaltsführend” und welche Eigenschaften hat er dadurch mit anderen gemeinsam in der Mediennutzung?

Erschwerend hinzu kommt, dass die meisten Zielgruppen-Definitionen auf Basis dessen erfolgten, was in den Massenmedien als Zuschauer voneinander trennbar war. Die Lebensstile und die Medien haben sich fragmentiert, die Marketer müssen reagieren.

Hinzu kommen Fortschritte in der Messung und der Wissenschaft. Professor Byron Sharp beispielsweise drängt dazu, Werbung nicht auf die ohnehin schon treuen Kunden auszurichten, sondern auf die Unentschlossenen. Daher folgt auf eine ungenaue, nicht hinterfragte und in ihrer Wirkung gestestete Zielgruppen-Definition immer ein verschwendeter Teil des Werbebudgets.

Ralf Scharnhorst moderiert eine Paneldiskussion der d3con
Ralf Scharnhorst moderiert eine Paneldiskussion der d3con

7. Von Kampagnen zum Always-on-Marketing 

Die alte Klassifizierung von Push- und Pull-Marketing gilt weiterhin: Werbung nervt, wenn sie den Konsumenten von seinem eigentlichen Interesse abhält. Sie ist nützlich, wenn der User genau danach sucht. Die Logik und Effizienz von Search-Kampagnen lässt sich dank Programmatic auf grafische und Video-Werbeformen übertragen.

Aber: sichtbar zu sein im Moment, in dem der Kunde nach einer Marke sucht, bedeutet, dass aus zweiwöchigen Kampagnen mit festem Budget dauerhafte Kampagnen mit flexibler Budgetverteilung werden müssen.

Undenkbar für Fast Moving Consumer Goods? Nein, L’Oréal macht es schon.

8. “Digital First” zu denken lohnt sich ab 10% digitaler Spendings 

Die Verteilung des Mediabudgets sollte sich zunächst an der Mediennutzung der Zielgruppe orientieren. Das spricht bei manchen Produkten weiterhin für TV, Plakat, Radio oder Zeitschriften.

Kampagnen in den klassischen Medien sendet man und hofft, dass sie wirken. Mit Verzögerung und Ungenauigkeit misst man die Wirkung der gesamten Kampagne und nur selten ihrer Teile. Im Vergleich dazu ermöglichen digitale Medien eine schnellere und präzisere Lernkurve.

Daher lohnt es sich auch bei überwiegend klassischen Kampagnen, ein Test- und Lern-Szenario im Digitalen aufzubauen, aus dem man für alle Medien lernen kann.

9. Der Bauchladen als Erfolgsrezept 

Verlage und Web-Publisher haben es nicht einfach: die Werbeerlöse haben sich verringert durch AdBlocker und den Schwenk der User zu mobilen Geräten. Paywalls, Abomodelle oder Artikel einzeln zu bezahlen erbringt nur marginale Erlöse. Dennoch ist Diversifikation sicherer als alles auf eine Karte zu setzen.

Wie schwer es ist, zu diversifizieren, zeigen Google und Facebook. Google will die Welt retten, verdient aber sein Geld immer noch mit Klicks auf der Suchmaschine und YouTube. Facebook hat mit Verzögerung die Virtual-Reality-Brille Oculus Rift auf den Markt gebracht und Instagram als Social Network für die Generation nach Facebook gekauft.

10. Politik ist nicht egal 

Die Haltung “Was interessiert mich Politik, ich mache doch nur Online-Marketing” funktioniert nicht mehr. Unsere Abhängigkeit von amerikanischer Technologie wächst weiter – während wir uns auf Handelskriege vorbereiten müssen. Microsoft baut bereits seine Server-Farmen in Deutschland aus. Wir dürfen aber nicht darauf vertrauen, amerikanische Technologie weiter unverändert nutzen zu können. Jeder sollte sich engagieren, für das, was er erhalten oder verändern will.

Kommentare aus der Community

Manu am 21.03.2017 um 22:33 Uhr

Sehr interessanter Beitrag mit netten Denkanstößen. Es bleibt wie immer spannend!

Antworten
Kati Budde am 20.03.2017 um 12:42 Uhr

Sehr informativ und super spannendes Thema.

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