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Programmatic Advertising
d3con 2019: Inhouse, Education und Transparenz bewegen Programmatic

d3con 2019: Inhouse, Education und Transparenz bewegen Programmatic

Niklas Lewanczik | 04.04.19

Bei der d3con waren sich die Meisten einig: Inhouse ist der Weg zum Erfolg für Programmatic. Doch wer trägt eigentlich die Verantwortung für die Branche?

Die d3con in Hamburg hat wieder einmal das Who is Who der Programmatic-Szene versammelt. Dabei sind Diskussionen mit den verschiedensten Perspektiven entstanden, die die aktuelle und künftige Lage der Branche in den Mittelpunkt stellten. Während neue Lösungen etwa für Programmatic Audio oder Transparenzbestrebungen zur Debatte standen, war besonders der technologische Prozess ein Thema. Mehr Regulierung und Unklarheiten sahen bei vielen Experten nur eine Lösung vor: Inhouse als Zukunftsoption.

Viele Themen, klarer Fokus

Bei der Programmatic-Konferenz in Hamburg, der d3con, wurde vielfach diskutiert, was den Markt bewegt. Keynote Speaker Craig Silverman von Buzzfeed berichtete über ungeheuerliche Ad Fraud-Systeme, welche wir auch schon thematisiert haben. Problematisch werden Betrugssysteme, bei denen hinter einer Pseudo-Banner Ad Video Ads in deutlich höherem Wert verkauft werden. Das kostet die Apps, bei denen es geschieht, nicht nur Geld, sondern auch User. Denn die Video Ads im Verborgenen verbrauchen Daten und Akkukapazitäten der Nutzer.

Keynote Speaker Craig Silverman, © d3con

Hatte Silverman also auf Probleme in der Branche direkt aufmerksam gemacht, sollte in den verschiedenen Panels besonders über die Verantwortung im Programmatic Advertising diskutiert werden. Das Experten-Panel zum Thema Programmatic 2019 zeigte bereits einen großen Trend: Inhouse wird gefordert. Nina Haller von Accenture bemerkte, dass Verantwortung für Daten und die „Ownership“ relevanter denn je werden. So werde Inhousing für datengestützte Kampagnen umso wichtiger. Gleichzeitig betonte sie aber, dass es dafür des Upskillings bedürfe, die Talente müssen zur Verfügung stehen. Gerade das wird für viele Unternehmen oft zum Problem. Dennoch baut Frank Bachér von RMS ebenso auf inhouse geführte Datensammlung. Immerhin bietet Audio wenig Cookie Traffic, weshalb RMS eine eigene DMP erstellt hat. Uwe Storch (OWM/Ferrero) hingegen gab sich skeptisch:

Lauter Angler unterhalten sich über den besten Köder und der Fisch wundert sich.

Er glaubt demnach nicht, dass so schnell neue Lösungen gefunden werden können, die über Inhouse-Aktivitäten generiert werden. Außerdem betonte Storch, dass er es für untragbar erachtet, dass der Werbekunde die meisten Messungen durchführen soll. Die Verantwortung liege bei allen, auch den AdTech-Anbietern. So stand die Diskussion über die Kosten für programmatische Werbung ebenfalls im Raum. Auf Spekulationen aus Berichten, dass nur 15 Cent pro Euro beim Publisher ankommen, antwortete Haller, dass man die ganze Kette betrachten müsse, nicht nur einen CPM. Storch forderte eine Transparenz für die einzelnen Beiträge zur Wirkung. Wenn klar ist, für welche Leistung was berechnet wird, sind solche Diskussionen weniger aufreibend, meint er.

Mit einem Blick auf die Zukunft gab das Panel verschiedene Punkte zu bedenken. Zum einen, so Googles Bernd Fauser, werden Cookie-Datenerhebungen durch Browser weiter eingeschränkt, während die Nutzer selbst einen höheren Anspruch an Datenschutz haben. Deswegen braucht es nach Marius Rausch (AppNexus) ohnehin eine andere User-Identität, um weiter zielgenaue programmatische Werbung zu entwickeln.

Bernd Fauser spricht beim Experten-Panel 2019, © d3con

Digital Out of Home, Addressable TV und Programmatic Audio zählen zu den weiteren Lösungen, die uns künftig im programmatischen Bereich begleiten werden. Zum Beispiel in Form von Programmatic Creative, nach Haller datengetriebenem Image Content für verschiedene Devices. Denn das IoT und Cross-Device-Optionen werden immer relevanter. 

Auch die Werbetreibenden wollen Inhouse

Das Panel zur „Lage der Nation“, bei dem namhafte Advertiser versammelt waren, zeigte wiederum die Tendenz zu inhouse durchgeführten Operationen. Daimlers Alexander Merkel forderte die First Party-Daten-Erfassung über solch eine Lösung; ebenso weil das Tracking bei Browsern immer mehr erschwert wird. Auch bei L’Oréal setzt man laut Andreas Neef auf Inhouse im Bereich Programmatic, das Unternehmen bezeichnet sich gar als Beauty Tech Company.

Die Digitalisierung ist eine Einladung mit Konsumenten durch den Funnel zu gehen, 

sagt Neef. Umso besser also, wenn diese Kunden die Daten direkt an den Anbieter weitergeben. Hyun-Min Moon von der DWS Group bestätigt das. Inhouse-Prozesse sollen zu Insights führen, die Mehrwert generieren. Das Panel war sich einig, dass First Party-Daten einen besonderen Wertschöpfungstreiber darstellen.

Andreas Neef im Gespräch mit Moderator Erik Siekmann, © d3con

Doch nachdem im letzten Jahr proklamiert wurde, dass Daten das neue Öl sind, ist der Zugriff auf diese nicht ohne Hürden gewährleistet. Consent Management-Systeme und Fingerprint IDs könnten neue Lösungswege bieten, um sich abzusichern. 

Das Datenschutzpanel diskutierte übrigens, inwieweit der asiatische und der US-Markt künftig ebenso auf Regelungen wie bei der DSGVO zurückgreifen werden. Während diese Entwicklung kommen könnte, fragen sich noch heute viele Unternehmen, wer eigentlich bei der Datenverarbeitung die Verantwortung zu tragen hat, zum Beispiel, wenn es um Third Party Cookies geht. Diese werden von den Browsern und dem Markt selbst aber, so die Meinung der Panel-Teilnehmer, womöglich schneller obsolet gemacht, als es die ePrivacy könnte, so sie denn kommt. Michael Neuber vom BVDW warnte jedoch vor Cookie Walls. Ansonsten führt zu viel granulare Transparenz zu Abschreckung, wenn immer noch ein informatives Fenster auftaucht, das eine Interaktion des Nutzers fordert. Umfassende Safeguards seien sinnvoller als viele differente Einwilligungen.

Die Themen bleiben die gleichen: Transparenz, Inhouse, AdTech-Verlierer

Ob beim Publisher Panel oder beim International Experts’ Panel: durch die gesamte Konferenz zogen sich wiederkehrende Themen und Motive. Das Thema Inhouse etwa war vor allem bei den Publishern prominent. Sascha Hottes von digital & friends war ebenso davon überzeugt wie Andreas Lenz von t3n.

Im Rahmen einer ganzheitlichen Marktsicht verwies Alex Gardner von Index Exchange auf Sizmeks überraschenden Insolvenzantrag und gab die Meinung preis, dass mehr Modelle und Unternehmen auf dem AdTech-Markt stärker geprüft werden. Auch er forderte Transparenz und die Bereitstellung von Werten für alle Betroffenen. Pfizers Konrad Dobschuetz sieht anders als Gardner die AdTech-Szene sogar in einer Krise. Mehr AdTech Provider könnten aus dem Markt fallen – eine Ansicht, die Andreas Lenz im Publisher Panel teilte – und es fehle an technologischen Innovationen. Dem setzten einige Speaker das Header Bidding entgegen, das laut Jörg Vogelsang von Index Exchange mehr Kontrolle an Publisher zurückgibt und sicherstellt, dass eine SSP damit nicht „der neue Vermarkter“ wird.

Simon Halstead von IAB Europe stellte in der Diskussion auch klar, dass es sinnvolle Level zur Transparenz geben sollte. Lasse Nordsiek von Smart gab im Publisher Panel an, Geld versickere in der Blackbox der Supply Chain; was wiederum eine Forderung nach Transparenz nach sich zog. Doch Halstead meinte, diese müsse angemessen sein, nicht übertrieben granular. Hier würden ihm einige Publisher oder Advertiser womöglich aber widersprechen. Nola Solomon von DailyMotion sieht jedoch in der Transparenz des Marktes eine Chance, um sich gegen die Big Player Google, Amazon und Facebook zu behaupten – die den Werbemarkt ohne Frage beherrschen, aber zuweilen intransparent erscheinen. 

Das International Experts’ Panel mit Simon Halstead und Co., © d3con

Das Panel der internationalen Experten sah vor allem die Agenturen in der Pflicht, warnte aber vor einer zu simplen Herangehensweise an programmatische Werbung. Solomon betonte, dass Klienten oft bekommen, wofür sie bezahlen, ergo bei günstigen Preisen auch kein Premium-Werbeumfeld. Da nach Zahlen des IAB bis 2023 gut 90 Prozent aller Werbung programmatisch sein soll, ist ein Punkt, der immer wieder erwähnt wurde, umso wichtiger für die gesamte Branche: die Education.

Education als Weg für ein harmonischeres Programmatic-Umfeld?

Viele Aussagen der Konferenz deuten darauf hin, dass eine umfassende Unterrichtung aller beteiligten Parteien im Prozess programmatischen Werbens viele Probleme lindern könnte. TripleLifts John Stoneman sagt Kontext sei alles, Konrad Dobschuetz ist fest überzeugt, dass die Klienten besser unterrichtet sein müssen und BILDs Robert Blancks konstatierte Unklarheit bei Datenschutzvorgaben durch differente juristische Meinungen spielt hier ebenso eine Rolle.

Blanck selbst sieht in Sachen Education cross-funktionale Profile zu den Bereichen Tech, Legal und Business als sinnvolle Lösung an. Michael Neuber, selbst Jurist, kann sich gerade im rechtlichen Bereich vorstellen, dass die Einbeziehung von Experten, die bisher zu selten vorkommt, zu mehr Klarheit und Transparenz in der gesamten Branche führen könnte.

Am Ende gibt es also eine klare thematische Konzentration bei der diesjährigen d3con. Das Programmatic Advertising dreht sich natürlich um Daten und Datenverarbeitungsprozesse, insbesondere um First Party-Daten. Diese möchte mit wachsender Regulierung von außen jeder haben, das ist klar. Daher das große Bestreben, das fast alle Stimmen darlegen: Inhouse.

Für den Markt stellt sich jedoch ebenso deutlich heraus, dass ein Mangel an Verständnis für die ganzheitlichen Abläufe besteht. Ob bei der Diskussion um die 15 Cent, die beim Publisher ankommen oder der Frage nach Lösungen, die nicht nur potentiell, sondern auch zeitnah effektiv sind, Education und Transparenz bleiben als Forderungen im Gedächtnis. Das ist auf der einen Seite eine gute und wichtige Erkenntnis und ein Aspekt, der Wert ist, dass man ihn angeht. Doch könnte genau diese Forderung auf der anderen Seite ein Phänomen widerspiegeln, das die Branche ebenfalls umtreibt. Wenn nämlich die Verantwortung für einen funktionierenden Programmatic-Markt von Publisher zu Agentur und Berater, dann wieder zum AdTech Provider geschoben wird, während die Politik quasi von oben auch noch mitmischt, dann lässt sich Transparenz nur schwer erreichen.

Diese Aufgabe steht allen Marktteilnehmern bevor – und die Balance zwischen Education und Transparenz auf der einen und den Inhouse-Ansätzen auf der anderen Seite wird zur besonderen Reifeprüfung. Wir dürfen gespannt sein, auf welchem Level die Programmatic-Expertenwelt im nächsten Jahr diskutiert.

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