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Performance Marketing
Google soll eigene Werbestandards missachtet haben: Milliardenforderungen drohen

Google soll eigene Werbestandards missachtet haben: Milliardenforderungen drohen

Niklas Lewanczik | 28.06.23

Eine umfassende Analyse zeigt, dass rund 80 Prozent von Googles TrueView Ads auf Drittseiten und in Apps die versprochenen Standards nicht einhalten. Google selbst dementiert und klärt auf, kann aber nicht alle Vorwürfe entkräften.

Es sind signifikante Vorwürfe gegen Google, die ein aktueller Bericht von Adalytics beinhaltet. Demnach sollen Advertiser mindestens drei Jahre lang irregeführt worden sein, da zahlreiche TrueView Ads auf Drittseiten und in Apps teilweise stummgeschaltet, als Out-Stream oder Interstitial Ad, im Autoplay-Modus und ohne Berücksichtigung der Qualitätsstandards Googles ausgespielt worden sein sollen. Das könnte Adalytics zufolge für Ausgaben in Milliardenhöhe gesorgt haben, die nicht mit der von Google versprochenen View-Zahl in Einklang stehen. Während der Bericht angibt, dass 77 Prozent der analysierten Ads von über 1.000 Advertisern nicht mit den TrueView-Standards vereinbar waren, zweifelt Googles Director für Global Video Solutions die Ergebnisse der Analyse an. Der Bericht weise „extrem ungenaue Behauptungen“ auf.

Diese Probleme wurden bei der Ausspielung der TrueView Ads erkannt

Die Analyse von Adalytics schlägt auch medial hohe Wellen. Das Wall Street Journal und The Guardian berichten über die Erkenntnisse im Bericht. Nach Angaben von Google müssen die TrueView Ads skippable und hörbar sein sowie durch eine User-Interaktion gestartet werden. Zudem sollen Werbetreibende nur für Ads zahlen, die auch Views generieren. Diese zählen ab 30 Sekunden Watchtime oder bei der Completion (wenn die Ad kürzer als 30 Sekunden ist). Allerdings offenbart die Analyse von Adalytics, dass zahlreiche Anzeigen von Werbetreibenden auf eine Art und Weise ausgespielt worden sind, die mit den Standards Googles nicht in Einklang stehen. So heißt es im Bericht:

However, this research report finds that for years, significant quantities of TrueView skippable in-stream ads, purchased by many different brands and media agencies, appear to have been served on hundreds of thousands of websites and apps in which the consumer experience did not meet Google’s stated quality standards. For example, many TrueView in-stream ads were served muted and auto-playing as out-stream video or as obscured video players on independent sites. Often, there was little to no organic video media content between ads, the video units simply played ads only.

Die TrueView Ads können auf YouTube ausgespielt werden, aber über das Google Video Partner (GVP) Network auch auf Seiten und in Apps Dritter. Das ist für Advertiser grundsätzlich nicht problematisch. Wenn aber die Videowerbung beispielsweise im Autoplay-Modus startet und stumm bleibt, könnte das Abspielen der Werbung als View gezählt werden, der den entsprechenden Werbetreibenden zur Zahlung verpflichtet – obwohl der User womöglich die Werbung gar nicht aktiv wahrgenommen hat. Das könnte passieren, wenn eine Ad wie im folgenden Beispiel aus dem Adalytics-Bericht präsentiert wird.

Screenshot von Adalytics, eine Ad für American Express wird als Out-Stream Ad, stummgeschaltet und im Autoplay-Modus auf einer Third Party Website am Rand positioniert abgespielt, © Adalytics
Screenshot von Adalytics, eine Ad für American Express wird als Out-Stream Ad, stummgeschaltet und im Autoplay-Modus auf einer Third Party Website am Rand positioniert abgespielt, © Adalytics

Aus dem Bericht geht hervor, dass viele Ads auch im Loop mehrmals hintereinander abgespielt wurden. Einige wurden sogar nebeneinander oder am äußersten Rand des Viewports (des sichtbaren Screen-Bereichs) platziert. In einigen Beispielen wurden auch mehrere TrueView skippable Ads gleichzeitige auf einem Gerät gerendert. Des Weiteren war der Button zum Überspringen der Werbung häufig verdeckt oder schwer zu erkennen. Auch das könnte zu mehr View Completions und damit mehr Kosten für die Advertiser beigetragen haben.

Haben große Marken zu viel bezahlt?

Zu den Marken, die nach Angaben von Adalytics falsch deklarierte Ads bezahlt haben, gehören unter anderem HP, das Wall Street Journal, Bayer, Samsung, Disney+, Mercedes-Benz, Ernst & Young, aber auch das EU-Parlament und etwa der Environmental Defense Fund (EDF). Auf Drittseiten wie den Websites von Reuters, Wired, Mashable und Gizmodo oder auch der New York Times sollen TrueView Ads ausgespielt worden sein, die nicht Googles Standards entsprechen. Darüber hinaus sollen die Ads auf Websites ausgespielt worden sein, die hochproblematische Inhalte aufweisen, sowie in Apps für Kinder.

This report documented instances of TrueView ads serving on websites with tens of thousands of DMCA copyright violations, on websites discussing executions or children being murdered, on “made-for-advertising” sites, and on sites with no organic video media content. Furthermore, a significant amount of brands’ ad budget was delivered on gaming apps that appear to be intended for young children.

Adalytics geht von einer Fehlrepräsentation vonseiten Googles hinsichtlich der Werbeausspielung aus. Diese dürfte große Advertiser Milliarden gekostet haben. Sollten Werbetreibende auf Basis dieser Analyse ihre Ad Performance überprüfen und eine Missachtung der Google-eigenen Standards finden, könnten sie das Unternehmen womöglich zu Rückzahlungen in immenser Höhe auffordern. Auch eine gerichtliche Auseinandersetzung wäre vorstellbar.

Google dementiert, aber erklärt nicht alles

Auf dem Google Ads & Commerce Blog geht Marvin Renaud, Director für Global Video Solutions, auf die Vorwürfe ein und erläutert zunächst, dass die meisten TrueView Ads auf YouTube ausgepielt werden, nicht auf anderen Plattformen:

The report wrongly implies that most campaign spend runs on GVP rather than YouTube. That’s just not right. The overwhelming majority of video ad campaigns serve on YouTube.

Über das GVP Network könnten Advertiser andere Publika erreichen. Wo diese Werbung ausgespielt wird, können die Werbetreibenden laut Renaud sehen, auch Echtzeianalysen werden angeboten. Darüber hinaus ist ein Opt-out hinsichtlich der Ausspielung auf Drittseiten ebenso möglich wie der Ausschluss bestimmter URLs und Seiten für die Ausspielung der Ads. Marvin Renaud dementiert, dass viele der Ads nicht gesehen werden und erklärt:

The claims in the third-party report simply aren’t right. Put simply, over 90% of ads on GVP are visible to people across the web – and advertisers are only paying for ads when they are viewed. We use real-time ad quality signals to determine if people are present and paying attention that help us decide whether to serve a video ad in a Google Video Partner site or app. Those signals include viewability, the size and position of the player and whether people are engaging with the ads.

Diese Aussage lässt allerdings Interpretationsspielraum. Denn „visible“ könnte als Prädikat auch gelten, wenn die Ads im Autoplay-Modus und stummgeschaltet abgespielt werden. Auf diese etwaigen Brüche mit den Qualitätsstandards Google reagiert der Director nicht direkt. Er verweist lediglich auf die Richtlinien für Publisher, die für die Monetarisierung der Seiten einzuhalten sind. 2022 stoppte Google die Ausspielung von Ads auf über 143.000 Seiten, die den Richtlinien nicht gerecht wurden. Im Endeffekt liefert Renaud eine konzise Übersicht zur Brand Safety für Googles TrueView Ads. Einige der Vorwürfe adressiert er jedoch nur indirekt; und so bleiben diese für sich stehen. Womöglich folgen nun weitere Untersuchungen, zum Beispiel vonseiten der Advertiser, von Marketing-Verbänden oder von Google selbst. Ruben Schreurs, Chief Product Office des Media-Investment-Analyseunternehmens Ebiquity erklärt als Reaktion auf den Adalytics-Bericht:

The research report by Adalytics is highly incriminating. Based on the findings and allegations represented within, I see this as a structural misrepresentation of advertising products at best, and downright fraudulent misleading practices at worst. If true, this will have major repercussions in the industry and lead to a significant negative impact on Google’s perceived quality and reliability. Ebiquity works for over 75 of the top 100 brands, nearly all listed in this report as possibly being exposed, and we will initiate a large-scale review of this immediately. We thank Adalytics for their hard work in this and previous cases, and look forward to a detailed reply from Google.

Die ausführliche Analyse von Adalytics findest du mit sämtlichen Details auf dem Blog des Unternehmens. Die Reaktion von Marvin Renaud findest du auf Googles Blog.


Google droht erstmals ernsthaft Aufspaltung

© Google, Gebäudefront mit Google-Logos und -Shriftzügen, Bäume davor und eine Straße
© Google

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