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„Die Marktteilnehmer haben Fraud ein Stück weit selbst gezüchtet“ – Arno Schäfer, Platform161
Arno Schäfer, CEO Platform161, © Raimar von Wienskowski

„Die Marktteilnehmer haben Fraud ein Stück weit selbst gezüchtet“ – Arno Schäfer, Platform161

Anton Priebe | 04.03.16

Arno Schäfer, CEO Platform161, skizziert die Entwicklungen im RTA in 2016 und erläutert die Herausforderungen, die Ad Fraud dabei mit sich bringt.

Wir sind dieses Jahr erneut Medienpartner der d3con 2016, die im März die erfolgreichsten und schlauesten Köpfe der RTA-Branche in der Hamburger Handelskammer versammelt, um gemeinsam zu diskutieren. Innerhalb der nächsten Wochen interviewen wir im Voraus einige der Speaker, um die aktuellen Trends und Top-Themen im Real-Time Advertising zu beleuchten.

Im heutigen Interview sprachen wir mit Arno Schäfer, CEO von Platform161. Schäfer ist seit knapp 20 Jahren in der Digitalbranche tätig. Zunächst begann er Ende der Neunziger bei Roland Berger und Partner im Consulting und gründete dann 2000 die Münchner Agentur MindMatics mit Fokus auf Mobile Marketing mit. Schäfer leitete ab 2005 fünf Jahre lang die Geschäfte der MediaCom Interaction, bevor er Geschäftsführer und Gesellschafter bei der Hamburger Agentur Performance Media wurde. Mit einem kurzen Zwischenstopp bei Digital Response, inzwischen von ClickDistrict übernommen, ist der 44-Jährige seit 2013 CEO von 161MEDIA und der hauseigenen DSP Platform161 mit Sitz in Amsterdam.

Interview mit Arno Schäfer, CEO Platform161

OnlineMarketing.de: Was bringt das Jahr 2016 für die RTA-Branche in Deutschland und Europa?

Arno Schäfer: Die Erkenntnis, dass automatisierte programmatische Auslieferung eine wesentlich effizientere Kampagnensteuerung und -optimierung ermöglicht, wird sich in Deutschland und Europa noch stärker durchsetzen. Und hierbei wird sich die Entwicklung in Deutschland als auch in Europa 2016 weiter angleichen.

Während in anderen europäischen Ländern wie der Niederlande oder UK schon mehr als 50% des Inventars programmatisch gehandelt und ausgeliefert werden, sind es in Deutschland erst rund 20% – mit stark steigender Tendenz und der Rückstand wird nach und nach kleiner.

Noch nie hat die Automatisierung im Bereich Programmatic Advertising, speziell in Deutschland, so viele technische Möglichkeiten geboten wie aktuell, wie z.B. beim Targeting über alle Endgeräte hinweg, der effizienten Integration der verschiedenen internen bzw. externen Datenquellen oder auch der Optimierung auf die Sichtbarkeit der Werbemittel.

Neben den „klassischen“ digitalen Kanälen wie Display, Mobile oder Video werden zunehmend auch auf traditionellem Wege abgewickelte Kanäle wie Radio oder Out-of-Home weitere Schritte in Richtung einer programmatischen Abwicklung unternehmen, so haben wir z.B. bereits zu Weihnachten 2014 die erste, in Real Time gehandelte, europäische Digital-Out-Of-Home-Kampagne für Coca-Cola durchgeführt. Weitere Kampagnen werden folgen.

Wo siehst du in deinem Geschäft die größten Chancen?

Wir sind seit 6 Jahren in den Niederlanden, dem neben den USA am weitest entwickelten programmatischen Markt, mit eigener DSP-Technologie unterwegs und liefern weltweit in mehr als 100 Ländern aus. Wir sehen als europäische DSP speziell die größten Chancen im Markt durch drei wesentliche Kriterien unseres Technologie-Angebots: unsere Flexibilität und Fähigkeit zum Customizing, unsere Unabhängigkeit im Markt und unsere Transparenz.

Während es bis vor kurzem vielen Kunden darum ging, eine (standardisierte) DSP zu nutzen, rückt nun eine Differenzierung und eine auf die sich über die Zeit verändernden Bedürfnisse des Kunden abgestimmte Technologie entscheidend in den Vordergrund.

Ich vergleiche es mit einem Fahrrad. Im ersten Schritt ist ein kleiner Junge froh, überhaupt eins zu haben, um nicht mehr laufen zu müssen, aber mit der Zeit und dem Alter wächst das Bedürfnis und auch die Notwendigkeit, ein Fahrrad zu besitzen, welches mehrere Gänge und einen stabileren Rahmen besitzt, um auch einen Berg hinaufzufahren oder auf dem Schulhof zu beeindrucken.

Ähnlich ist es bei einer DSP. Die Anforderungen verändern sich – vor allem verändern sie sich über die Zeit. Hier sehen wir riesige Chancen für unser Angebot. Sehr häufig wenden sich Kunden an uns, weil sie einen Client Score, CRM-Daten oder eigene BI Tools in ihre DSP integrieren möchten, aber die Infrastruktur des bestehenden Partners dies nicht zulässt bzw. einfach nicht auf der Roadmap steht.

Zusätzlich fokussieren wir uns lediglich auf die Nachfrage- und Einkaufseite und sind damit komplett unabhängig gegenüber Publisher-Interessen. Das ermöglicht uns, z.B. Fraud völlig ohne Vorbehalte und ohne Rücksicht auf Vertragspartner auf der SSP-Seite bekämpfen zu können.

Wir glauben nicht an preisliche Transparenz, wenn ein Player auf beiden Seiten des Tisches gleichzeitig sitzt.

Wir sind auch meines Wissens nach die einzige DSP weltweit, die auf Wunsch Log-files der gelaufenen Kampagnen zur Verfügung stellt. Mehr Unabhängigkeit und Transparenz geht nicht.

In Kombination mit dem in den Niederlanden strengsten Datenschutz weltweit und neuen innovativen Themen wie Multi-Goal Optimierung sehen wir uns für die kommenden Jahre in Deutschland und Europa sehr gut aufgestellt.

Ihr seid auf der d3con vertreten mit eurem Gründer Marco Kloots auf einem Panel zum Thema Fraud im Display Advertising. Das ist ja kein Thema, über das die Branche gern spricht, dennoch ein sehr wichtiges. Wie geht ihr mit den Herausforderungen um, die das fragmentierte Display-Ökosystem mit sich bringt?

Zunächst muss man feststellen, dass das Thema Fraud in der Tat eines der großen Probleme der gesamten Industrie darstellt und stark zu bekämpfen ist.

Grundsätzlich gibt es leider in fast allen Branchen, wo es Geld zu verdienen gibt, betrügerische Absichten, z.B. Baugewerbe oder Finanzwesen. Dieser Verweis rechtfertigt das Verhalten dieser hochentwickelten Betrüger natürlich nicht und wir sollten es auch nicht akzeptieren.

Allerdings muss man auch konstatieren, wie es entstanden ist. Durch die z.T. übertriebene Forderung nach niedrigen TKPs und gleichzeitig hoher Klickraten haben die Marktteilnehmer ein Stück weit Fraud selbst gezüchtet. Es ist nun mal nicht seriös möglich bei einem TKP unter 0,15 € eine Klickrate von mehr als 1% zu erzielen und dabei auch noch eine grundlegende Qualität der Auslieferung zu erwarten.

Wenn aber z.B. der Erfolg eines Online Marketing Verantwortlichen isoliert nach (möglichst) niedrigen TKPs und (möglichst) hohen Klickraten bewertet wird, hat keiner der Marktteilnehmer ein gestiegenes Interesse, irgendetwas zu verändern. Wir sehen das komplett anders.

Es ist entscheidend, wie man damit umgeht und wie es bekämpft wird.

Viele Werbetreibende und Agenturen sind der Meinung, Fraud kann lediglich durch das Pflegen einer White- oder Blacklist oder Ausschluss bestimmter SSPs verhindert werden.

Es ist aber weit mehr als das.

Wir haben als eine der ersten DSPs bereits 2010 das Thema mit einem der leistungsstärksten, dynamischen Fraud-Filter der Branche auf die Agenda genommen. Alle verdächtigen Impressions und Clicks werden automatisch nach komplexen Algorithmen ausgefiltert, einzeln ausgewiesen und diese Seiten natürlich auch von der zukünftigen Optimierung ausgeschlossen.

Selbst hoch angesehene sogenannte Premium Publisher sind von dem Thema betroffen, oft ohne es zu wissen. Wir haben z.B. bei einen Werbetreibenden in den Niederlanden festgestellt, dass er bei seiner vorigen DSP mehr als 30% Bot-Traffic über einen angesehenen Publisher eingekauft hat – interessanterweise davon 80% von einer SSP.

Auffälliges Verhalten (z.B. mehrere Klicks auf Basis einer einzigen Impression) muss identifiziert werden, sogenannte wiederverkaufte Impression-Ketten („Daisy Chaining“) verhindert werden, nur dann schaffen wir es als Industrie, die immer noch vorhandene Vorbehalte aller zu überwinden.

Vielen Dank für das Interview!


OnlineMarketing.de ist offizieller Medienpartner der d3con 2016. Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit den Event-Organisatoren entstanden. Interessierte können sich hier für die d3con anmelden. Außerdem organisiert OnlineMarketing.de die Aftershow-Veranstaltung des Events.

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