Human Resources
Zwischen Überangebot und Mangel: Wo die Gen Z wirklich gebraucht wird

Zwischen Überangebot und Mangel: Wo die Gen Z wirklich gebraucht wird

Marié Detlefsen | 11.09.25

Trotz steigender Jugendarbeitslosigkeit finden viele Unternehmen kaum geeignete Nachwuchskräfte. Besonders Ingenieurwesen, IT und Nachhaltigkeit stehen vor großen Besetzungsproblemen – während es in anderen Branchen ein Überangebot gibt. Wir zeigen, wie du Talente anziehst.

„Die jungen Leute von heute wollen einfach nicht mehr arbeiten“ – ist eine Denkweise, die schon lange nicht mehr stimmt. Tatsächlich gibt es nur wenige junge Menschen, die keinen Job wollen, dafür allerdings viele unbesetzte Stellen. So steht die Wirtschaft in Deutschland vor einem paradoxen Problem: Während die Jugendarbeitslosigkeit im Juli bei 6,3 Prozent lag und viele Absolvent:innen händeringend nach einem Einstieg suchen, kämpfen Unternehmen gleichzeitig mit massiven Nachwuchssorgen. Laut dem aktuellen Bericht von JobTeaser, bereitet es jeder zweiten Personalabteilung Schwierigkeiten, offene Positionen zu besetzen. Besonders deutlich zeigt sich die Schere zwischen Studienwahl und tatsächlichem Arbeitsmarktbedarf.

In diesen Branchen fehlt der Nachwuchs

Der Bericht analysierte über 300.000 Bewerbungen und 100.000 Stellenangebote und verdeutlicht, dass vor allem technische und naturwissenschaftliche Felder von einem Nachwuchsmangel betroffen sind. Sechs der zehn Berufe mit den größten Besetzungsproblemen stammen aus dem Ingenieurwesen. Spitzenreiter:in ist der Bereich Bauingenieurwesen und Statik, wo die Bewerbungsquote bei lediglich 13 Prozent des eigentlich benötigten Niveaus liegt. Ähnlich prekär ist die Lage im Bereich der Infrastruktur, Netzwerke und Telekommunikation.

Währenddessen boomt die Zahl der Studienanfänger:innen in BWL und Geisteswissenschaften – ein Trend, der zwar die Hörsäle füllt, aber den Fachkräftemangel in MINT-Berufen weiter verschärft.

Vor allem technische und naturwissenschaftliche Felder sind stark von einem Nachwuchsmangel betroffen (mit einem Klick aufs Bild gelangst du zur größeren Ansicht), © JobTeaser
Vor allem technische und naturwissenschaftliche Felder sind stark von einem Nachwuchsmangel betroffen (mit einem Klick aufs Bild gelangst du zur größeren Ansicht), © JobTeaser

Auch die IT zeigt ein widersprüchliches Bild. Zwar bewerben sich viele Absolvent:innen auf Stellen in diesem Bereich, doch die Qualifikationen passen häufig nicht. Besonders kritisch sind Schnittstellenprofile, die sowohl technisches Know-how als auch wirtschaftliches Verständnis erfordern – etwa in Wirtschaftsinformatik, Data Analytics oder Controlling. Schon jetzt warnt die Studie vor neuen Engpässen in diesen hybriden Feldern.

Nachhaltigkeit boomt – doch der Nachwuchs fehlt

Ein besonders spannender Trend betrifft Berufe im Bereich Umwelt und Nachhaltigkeit. Seit 2022 haben Stellenausschreibungen hier um plus 270 Prozent zugenommen. Doch der qualifizierte Nachwuchs hält mit diesem Wachstum nicht Schritt. Im JobTeaser-Index landen diese Berufsfelder deshalb auf Platz sechs der am schwersten zu besetzenden Jobs.

Die geopolitischen Entwicklungen spiegeln sich ebenfalls am Arbeitsmarkt wider: Cyber-Sicherheit ist eine der dynamischsten Branchen, mit einem prognostizierten Defizit von über 100.000 Fachkräften bis 2026. Auch der Verteidigungssektor wächst rasant, befeuert durch staatliche Investitionen und globale Spannungen.


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Besonders dramatisch ist die Lage in der Industrie: Aktuell sind dort rund 350.000 Stellen unbesetzt – ein Großteil davon in Bereichen, die ohnehin schon schwer zu besetzen sind. Betroffen sind sowohl Fachkräfte mit Berufsausbildung als auch Akademiker:innen. Der Fachkräftemangel wird zudem zusätzlich durch geschlechtsspezifische Schieflagen verschärft. In der Programmierung liegt der Frauenanteil bei nur 17 bis 20 Prozent, während in klassischen HR-Berufen lediglich 20 bis 25 Prozent Männer vertreten sind. Diese ungleiche Verteilung verringert den Talentpool spürbar und macht die Suche nach Nachwuchs noch komplizierter.

Orientierung für Nachwuchskräfte dringend nötig

Die Studie zeigt auch: Viele junge Menschen entscheiden sich für ein Studium, ohne die realen Karrierechancen im Blick zu haben. Eine bessere Berufsorientierung und engere Vernetzung von Hochschulen und Arbeitsmarkt könnten helfen, Fehlentwicklungen frühzeitig zu vermeiden. Dieser Ansicht ist auch Amber Wigmore Álvarez, Director of Partnerships, Universities and Schools bei JobTeaser:

Unsere Analyse zeigt deutlich: Die Studienwahl vieler junger Menschen erfolgt oft ohne klare Kenntnis der realen Jobperspektiven. Gleichzeitig entwickelt sich die Arbeitswelt schneller, als die Hochschulprogramme reagieren können – etwa in neuen Feldern wie Cybersicherheit oder Nachhaltigkeit. Umso wichtiger ist es, Studierende noch besser über Zukunftsbranchen zu informieren und sie gezielt bei Entscheidungen zu unterstützen, die zu ihren Stärken und Wünschen passen.

Diese Aspekte sind notwendig, um Nachwuchs anzuziehen

Unternehmen müssen ihre Methoden überdenken, wenn sie Nachwuchskräfte gewinnen und weiter wettbewerbsfähig bleiben wollen. Dazu gehören unter anderem folgende Aspekte:

  • Active Sourcing – Studierende direkt ansprechen, bevor die Konkurrenz es tut.
  • Transparenz und Glaubwürdigkeit – eine starke Arbeitgeber:innenmarke zählt.
  • Upskilling und Weiterbildung – Lernangebote sollten systematisch Teil der Stellenprofile sein.
  • Attraktive Arbeitsbedingungen – faire Gehälter, flexible Modelle und klare Entwicklungschancen sind unverzichtbar, um Nachwuchskräfte zu binden.

Vor allem im Bereich Ingenieurwesen, IT, Nachhaltigkeit und Industrie leiden Unternehmen unter massiven Nachwuchsproblemen. Für Führungskräfte bedeutet das: Nur wer die Realität des Arbeitsmarktes versteht und mit neuen Recruiting-Strategien reagiert, kann sich im Wettbewerb um die besten Talente behaupten. Für Nachwuchskräfte wiederum ist es wichtiger denn je, ihre Studienwahl auch im Hinblick auf zukünftige Jobchancen zu treffen. Eventuell ergeben sich bessere Karrierepfade durch eine Ausbildung statt eines Studiums. Wer hier die Marktlücken im Auge behält und sich auf praxisnahe Berufswege stützt, kann für viele Unternehmen zur unentbehrlichen Arbeitskraft werden.


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