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Studium abgeschlossen, Gehalt gekürzt? Der Gender Pay Gap nach dem Hochschulabschluss

Studium abgeschlossen, Gehalt gekürzt? Der Gender Pay Gap nach dem Hochschulabschluss

Marié Detlefsen | 24.02.25

Obwohl Frauen genauso gut ausgebildet sind wie ihre männlichen Kommilitonen, verdienen sie nach dem Studium oft weniger. Zu dieser Erkenntnis sind drei Studien verschiedener staatlicher Universitäten in Deutschland gekommen. Der Gender Pay Gap ist somit auch unter Hochschulabsolvent:innen ein Problem. Doch wieso gibt es bereits kurz nach dem Studium eine so große Gehaltslücke und wie lässt sich das ändern?

Dass Frauen im Durchschnitt weniger verdienen als Männer, ist eine bekannte Tatsache. Doch wie groß ist der Gender Pay Gap konkret bei Hochschulabsolvent:innen? Welche Faktoren beeinflussen ihn, und was kann dagegen getan werden? Wir werfen einen Blick auf drei verschiedene Studien und zeigen dir, wo und warum es große Lohnlücken gibt.

Auch unter Absolvent:innen gibt es einen Gender Pay Gap

Mehrere Untersuchungen zeigen, dass Hochschulabsolventinnen im Schnitt schlechter bezahlt werden als ihre männlichen Kommilitonen. In einer Studie der Universität des Saarlandes wurde der Lohnunterschied von Absolvent:innen in ihrer ersten Vollzeitbeschäftigung untersucht. Die Daten von über 6.000 Hochschulabsolvent:innen aus den Abschlussjahrgängen 1994 bis 2010 ergaben: Während Männer durchschnittlich 111 Euro brutto pro Tag verdienten, lag das Einkommen der Frauen bei lediglich 90 Euro. Dieser unbereinigte Gender Pay Gap ist alarmierend. Doch selbst nach Bereinigung um Faktoren wie Studienfach, Abschlussnote oder Dauer der Arbeitsplatzsuche blieb eine Lohnlücke von sieben Prozent bestehen.

Ein ähnliches Bild zeigt eine Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (IWS) der Hans-Böckler-Stiftung. Hier wurden 3.000 Absolvent:innen der Universität Pforzheim befragt. Auch bei ihnen verdienten Frauen nach Bereinigung der Daten immer noch 7,9 Prozent weniger. Besonders besorgniserregend: Diese Lücke vergrößerte sich mit zunehmender Berufserfahrung.

Eine Untersuchung der Hochschule München, die sich auf das Fach Wirtschaftsingenieurwesen konzentrierte, ergab sogar eine Differenz von mindestens 13 Prozent. Ein möglicher Erklärungsansatz: Männer besetzen häufiger Führungspositionen. Laut der IWS-Studie waren vier bis neun Jahre nach dem Abschluss 36,6 Prozent der Männer in leitenden Rollen tätig, jedoch nur 25,6 Prozent der Frauen.

Falscher Studiengang als Ursache für den Gender Pay Gap?

Oft wird argumentiert, dass Frauen einfach die „falschen“ Fächer studieren. Tatsächlich erklärt die Studienfachwahl einen Teil des Gender Pay Gaps. In technischen und wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen sind Frauen nach wie vor unterrepräsentiert. Da diese Berufe in der Regel höhere Gehaltsaussichten bieten als geistes- oder sozialwissenschaftliche Bereiche, wirkt sich dies auf das Einkommen aus.

Studentinnen wählen häufig geistes- oder sozialwissenschaftliche Studiengänge.
Studentinnen wählen häufig geistes- oder sozialwissenschaftliche Studiengänge, © DSW/DZHW 21. Sozialerhebung

Laut der Saarland-Studie beeinflusst die Studienwahl etwa 40 Prozent der Lohnlücke. Doch selbst wenn man diesen Faktor herausrechnet, bleibt eine unerklärbare Differenz bestehen. Ein zentrales Problem ist die sogenannte „statistische Diskriminierung“. Arbeitgeber:innen kalkulieren oft bereits ein, dass Frauen später Erwerbsunterbrechungen haben oder in Teilzeit arbeiten. Dadurch erhalten sie von Beginn an niedrigere Gehaltsangebote.

Ein weiteres Problem liegt in den Gehaltsverhandlungen. Die Studien zeigen ebenfalls, dass Frauen oft zurückhaltender sind, wenn es darum geht, ein höheres Einstiegsgehalt zu fordern. Auch stereotype Rollenbilder nehmen einen wichtigen Faktor ein: Frauen werden seltener in Führungspositionen befördert, obwohl sie gleich oder sogar besser qualifiziert sind als ihre männlichen Kollegen.

Der Gender Care Gap als verdecktes Problem

Der unbereinigte Gender Pay Gap zeigt auch, dass Frauen häufiger in Teilzeit arbeiten oder berufliche Pausen einlegen – nicht selten wegen der Familienplanung. Diese unbezahlte Sorgearbeit wird als „Gender Care Gap“ bezeichnet.

Auf dieses Phänomen macht der Equal Care Day aufmerksam, welcher jährlich am 1. März (in Schaltjahren am 29. Februar) stattfindet. Zur Care-Arbeit zählen nicht nur die Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen, sondern auch Aufgaben im Haushalt wie kochen und putzen, Einkäufe und ehrenamtliches Engagement. Jene Aufgaben werden nach wie vor deutlich häufiger von Frauen erledigt als von Männern.

Konkret haben Frauen in Deutschland laut Auswertungen des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2022 wöchentlich rund neun Stunden mehr unbezahlte Care-Arbeit geleistet als Männer. Daraus ergibt sich eine Gender Care Gap von 43,8 Prozent. Frauen verbrachten ganze 30 Stunden pro Woche mit unbezahlter Arbeit, bei den Männern waren es 21 Stunden. Die folgende Grafik veranschaulicht, wie genau sich die wöchentliche Care-Arbeit zusammensetzt.

Wöchentliche Care-Arbeit bei Frauen und Männern.
Wöchentliche Care-Arbeit bei Frauen und Männern, © Statistisches Bundesamt

Frauen leisten immer noch einen überproportional hohen Anteil der Kinderbetreuung und Hausarbeit, was ihre Karrierechancen und Einkommensentwicklung einschränkt. Dies zeigt sich auch bei Absolventinnen, welche auf dem Arbeitsmarkt nach Jobs für Einsteiger:innen schauen.

Maßnahmen gegen den Gender Pay Gap

Um den Gender Pay Gap zu reduzieren, können sowohl Unternehmen als auch die Regierung selbst auf verschiedene Weise aktiv werden. Einige mögliche Maßnahmen wären beispielsweise:

  • Mehr Frauen in MINT-Berufen: Initiativen wie der Girls’ Day können Mädchen früher für technische und naturwissenschaftliche Berufe begeistern.
  • Transparenz in der Bezahlung: Unternehmen sollten überlegen, ihre Gehaltsstrukturen offenzulegen, um Ungerechtigkeiten bei der Bezahlung gezielt entgegenzuwirken.
  • Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Ein weiterer Ausbau von Kinderbetreuungsmöglichkeiten ist essenziell, damit Frauen nicht benachteiligt werden.
  • Förderung von Frauen in Führungspositionen: Quotenregelungen könnten helfen, mehr Frauen in leitende Rollen zu bringen.
  • Aufbrechen von Rollenklischees: Männer sollten ermutigt werden, ebenfalls Erwerbsunterbrechungen für die Familie in Anspruch zu nehmen.

Unternehmen können nachhaltige Lösungen schaffen

Die Zahlen zeigen: Der Gender Pay Gap ist auch unter Hochschulabsolvent:innen ein reales Problem. Zwar erklären Studienwahl und andere Faktoren einen Teil der Differenz, doch bleibt ein unerklärbarer Gehaltsunterschied bestehen. Solange strukturelle Benachteiligungen und stereotype Rollenbilder existieren, bleibt die Forderung nach Gleichberechtigung auf dem Arbeitsmarkt aktuell. Es liegt an Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, endlich nachhaltige Lösungen zu schaffen. Unternehmen können hierbei ebenfalls ihren Angestellten unter die Arme greifen, zum Beispiel, wenn es um das Thema Mutterschutz oder Teilzeitarbeit geht. 

Du möchtest mehr dazu wissen, wie Unternehmen geschlechtsneutrale, bezahlte Elternzeit für alle Mitarbeitenden umsetzen können? Dann schau dir unser folgendes Interview mit Tabea Fesser an:


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Gender Pay Gap ist nicht das einzige Problem: „Equal Care für alle“ – Interview über Chancengleichheit bei der Elternzeit.
© Picsea – Unsplash

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