Human Resources
Studium oder Lehre? 44 Prozent der Studierenden bereuen ihre Karrierewahl

Studium oder Lehre? 44 Prozent der Studierenden bereuen ihre Karrierewahl

Marié Detlefsen | 15.07.25

Immer mehr Studierende hinterfragen ihre Studienwahl. Eine Ausbildung hätte ihnen womöglich mehr Praxisnähe, Stabilität und Eigenständigkeit geboten. Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass der Weg über die Lehre deutlich an Attraktivität gewinnt.

Die Entscheidung für ein Studium galt lange als Inbegriff einer klugen Karrierewahl. Doch diese Ansicht ist bereits veraltet. Eine aktuelle Umfrage von Indeed unter 500 (ehemaligen) Studierenden zeigt: Zwei Drittel von ihnen haben sich bereits gefragt, ob eine Lehre nicht doch besser zu ihnen gepasst hätte. Fast jede:r Zweite gesteht sogar offen, dass er oder sie es bereue, keine Ausbildung gemacht zu haben.

Eine Lehre für mehr Praxis und erleichterten Karriereeinstieg

Laut der Studie beginnt für viele der Zweifel nicht erst beim Berufseinstieg, sondern schon mitten im Studium. Wer tagein, tagaus mit Theorien jongliert, aber kaum praktische Relevanz erlebt, stellt sich irgendwann die Frage: wozu das alles? Die Antworten in der Umfrage sprechen eine deutliche Sprache. So schätzen etwa 28 Prozent die Jobaussichten von Auszubildenden inzwischen sogar attraktiver ein als die von Studierenden. 50 Prozent der befragten Studierenden, die über eine Lehre nachdachten, hätten gerne früher auf eigenen Beinen gestanden – sprich: finanzielle Unabhängigkeit erreicht. Weiter sehnten sich 44 Prozent nach praktischer Erfahrung, die das Studium schlicht nicht bieten konnte, und 36 Prozent glauben, eine Ausbildung hätte den Karriereeinstieg erleichtert.

Aus diesen Gründen hätten Studierende sich im nachhinein lieber für eine Lehre entschieden (die Grafik wurde anhand der Indeed Daten mithilfe von ChatGPT erstellt).
Aus diesen Gründen hätten Studierende sich im Nachhinein lieber für eine Lehre entschieden (die Grafik wurde anhand der Indeed-Daten mithilfe von ChatGPT erstellt)

Angesichts des Fachkräftemangels in Pflege, Handwerk und Gastronomie überrascht diese Einschätzung nicht. Auszubildende sind so gefragt wie lange nicht. Dr. Virginia Sondergeld, Economist beim Indeed Hiring Lab, sagt über die Entwicklungen:

In Zeiten des Arbeitskräftemangels haben Auszubildende tatsächlich gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Auch bieten Ausbildungsberufe vermehrt spannende Entwicklungs- und Verdienstmöglichkeiten, die in Teilen mit denen klassischer Wissensarbeit mithalten können. Da hat sich in den letzten Jahren einiges zugunsten der Mitarbeitenden verschoben.

KI – Ein neuer Unsicherheitsfaktor bei der Karrierewahl

Ein weiterer Grund für die wachsende Skepsis: Künstliche Intelligenz. Während Algorithmen, Chatbots und maschinelles Lernen viele Büro- und Analysejobs auf den Kopf stellen, gelten manuelle und praxisnahe Tätigkeiten als „KI-resistent“ – doch wie lange das so bleibt, ist ungewiss.

Mehr als jede:r Zweite (52 Prozent) der Befragten fürchtet daher, dass KI ihre im Studium erworbenen Fähigkeiten überflüssig machen könnte. Unter den aktuellen Studierenden sehen das 46 Prozent so, bei Berufseinsteiger:innen liegt dieser Wert sogar bei 58 Prozent – ein besorgniserregendes Signal für Universitäten und Arbeitgeber:innen gleichermaßen. Wer sich besonders vor den Fähigkeiten der KI sorgt, gehört auffallend oft zu denen, die ihre Studienwahl später bereuen und lieber eine Ausbildung gemacht hätten.

So wächst auch das Interesse an praxisnahen Berufen, die früher oft als weniger angesehen galten: 25 Prozent der Befragten halten die Jobchancen von Studierten und Ausgebildeten für ausgeglichen. Nur 19 Prozent sehen Akademiker:innen vorn und sogar zwölf Prozent glauben, dass Auszubildende bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben.


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Lehre und Studium nähern sich immer weiter an

Trotz aller Zweifel bleibt das Vertrauen in den langfristigen Wert eines Studiums bestehen. 83 Prozent der Befragten glauben, dass sich ihr Studienabschluss im Laufe der Karriere noch auszahlen wird. Besonders unter den Berufseinsteiger:innen ist der Optimismus groß – 86 Prozent von ihnen sehen ihre akademische Laufbahn positiv.

Doch was ist nun besser – Studium oder Lehre? Diese Frage lässt sich heute nicht mehr pauschal beantworten. Fest steht: Die Grenze zwischen Studium und Ausbildung wird zunehmend unscharf und das gesellschaftliche Ansehen beider Wege ist im Wandel. Zwischen den Versprechen akademischer Karrieren und der Sicherheit praxisnaher Berufe entsteht eine neue Mitte. Eine, in der Lehre und Studium nicht länger Gegensätze sind, sondern gleichwertige Alternativen mit je eigenen Stärken und Schwächen. Mehr Argumente für den Karriereweg Ausbildung findest du in unserem Artikel.


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