Dein wichtigster Touchpoint zur Digitalbranche.
Dein wichtigster Touchpoint zur Digitalbranche.
SEO - Suchmaschinenoptimierung
Gnadenfrist oder unnötiger Aufschub? So reagiert die Tech-Branche auf Googles vertagte Cookie Deadline

Gnadenfrist oder unnötiger Aufschub? So reagiert die Tech-Branche auf Googles vertagte Cookie Deadline

Niklas Lewanczik | 28.06.21

Die Ankündigung zur Verschiebung des Drittanbieter-Cookie-Endes bei Chrome hat die Marketing-Welt in Aufruhr versetzt. Wir haben Reaktionen gesammelt.

Es kam zu einem überraschenden Zeitpunkt, aber kam es völlig unerwartet? Google kündigte vergangene Woche – inmitten der Roll-outs großer Search Updates wie das June 2021 Core Update und ein umfangreiches Spam Update – plötzlich an, dass die Third Party Cookies im Chrome Browser fast zwei Jahre länger als zunächst geplant genutzt werden können. Für die gesamte digitale Marketing-Branche bedeutet das ein neuerliches Umdenken. Einerseits gibt es mehr Zeit, um passende Alternativlösungen zu finden; vor allem Google möchte die eigene Alternative FLoC (Federated Learning of Cohorts) aus der Privacy Sandbox bis 2023 optimieren. Andererseits wird schon eingesetzten Lösungen wie Shared IDs oder Contextual-Targeting-Ansätzen die Dringlichkeit als Basis für ein aktuelles Geschäftsmodell entzogen. Googles Privacy Engineering Director für Chrome Vinay Goel hatte als Erklärung zur Entwicklung bei der Abkehr von Third Party Cookies angegeben:

Insgesamt wurden bereits beträchtliche Fortschritte erzielt. Allerdings ist auch klar geworden, dass im gesamten Ökosystem mehr Zeit benötigt wird, bis alles richtig läuft.

Zu dieser Erkenntnis kommen auch einige der Unternehmen und Personen, die sich nun zu Googles Paukenschlag äußern. Von diesem selbst zeigt sich SEO-Experte Barry Schwartz hingegen nicht überrascht:

Stimmen aus der Branche: „Eine willkommene Gnadenfrist“

Ähnlich wie bei Googles Ankündigung im vorigen Jahr, die Unterstützung für Third Party Cookies bei Chrome 2022 zu beenden, häufen sich nun erneut die Einschätzungen von Expert:innen aus der Branche und den Businesses, die von den News direkt betroffen sind. So erklärte Andrew Casale, der Präsident und CEO des global operierenden Advertising-Marktplatzes Index Exchange, gegenüber OnlineMarketing.de:

Mit all den Fragen, die die Privacy Sandbox immer wieder aufwarf, wurde der ursprüngliche Zeitplan von Google immer unrealistischer. Die Adtech-Branche wird sich weiterhin an diese neue Welt anpassen und sich auf diese vorbereiten, aber diese Verlängerung gibt der Branche eine willkommene Gnadenfrist bei der Gestaltung einer Privacy-First-Zukunft, die allen Beteiligten nachhaltige Vorteile bietet.

Auch das große französische Adtech-Unternehmen Criteo äußerte sich per Statement:

Die heutige Ankündigung ist eine willkommene Nachricht für jeden, der auf ein florierendes und gesundes offenes Internet angewiesen ist. Wir begrüßen Googles Entschluss, der Digitalbranche mehr Zeit zur Vorbereitung zu lassen. Die verlängerte Deadline beeinflusst jedoch in keiner Weise die Strategie von Criteo […].

Criteo wolle aber weiterhin Produkte entwickeln, mit denen Kund:innen „ihre Zielgruppen auch ohne Third Party Identifier adressieren können“. Kürzlich hatte Criteos CEO Megan Clarken Google auf einem Panel der VivaTech-Konferenz aufgefordert, den Zeitplan für die Beendigung des Supports für Third Party Cookies zu ändern.

Weitere Einschätzungen: Third Party Cookies aktuell noch die beste Infrastruktur

Stephan Jäckel, Co-Geschäftsführer beim Programmatic-Advertising-Unternehmen emetriq, erklärt gegenüber OnlineMarketing.de, dass er die Third Party Cookies, „Stand heute“, für die beste Lösung hält:

Schön, dass auch Google erkennt, dass Third Party Cookies, Stand heute, die sowohl für den Nutzer als auch den Wettbewerb im Ökosystem beste Infrastruktur sind. Sicherlich ist der Cookie nicht fehlerfrei, aber durch die DSGVO sind die Einwilligungen klar geregelt und jeder User kann mit wenigen Klicks in seinem Browser die Historie annullieren. Dennoch müssen wir als Industrie weiter daran arbeiten, die Interessen der User genauso in den Fokus zu stellen wie die unserer Marktpartner und uns selbst.  Wenn wir das schaffen, haben wir ein starkes Fundament für eine hohe Akzeptanz und erfolgreiche Zukunft des freien Adtech-Marktes – mit und ohne Cookie.

Auch Mischa Rürup, der CEO der Consent-Management-Plattform Usercentrics, sieht aktuell noch ein Problem beim Beenden des Supports für Third Party Cookies:

Das Zusammenspiel aus Cookies und Werbetechnologie ist nicht nur hochkomplex, sondern auch ein wesentlicher Baustein des offenen Internets. Third Party Cookies abzuschalten, würde aktuell dazu führen, dass das Internet als Raum für Information und Inspiration nicht mehr funktioniert. Gleichzeitig braucht es Treiber wie diese Deadline, um Alternativen zum Third-Party-Tracking aufzubauen und weitgehend zu etablieren. Künftig wird sich das Internet vermehrt über Server-to-Server-Integrationen und die Umstellung auf First-Party-Identifikatoren finanzieren, doch dafür braucht es noch Entwicklungszeit. Zeit ist in diesem Fall der entscheidende Faktor, genau deshalb ist der Schritt, den Google nun ergreift, praxisnah und technisch absolut sinnvoll.

Rémi Cackel, Chief Data Officer bei der Vermarktungsplattform Teads, betont im seinem Statement, dass Googles News nicht bedeuten, dass die Entwicklung aufgehoben ist. Datenschutzkonforme Lösungen brauche es ohnehin schon jetzt:

Durch Googles Ankündigung verschiebt sich zwar die Timeline, aber die Branche muss sich trotzdem schnell vorbereiten und wie die Erfahrung mittlerweile zeigt, ist dies ein langer Weg. Für einen Großteil des heutigen Traffics bleibt Cookieless die Realität und damit natürlich auch ein strategischer Schwerpunkt für uns als Mediaplattform wie auch die Branche. Während sich jetzt bei Chrome die Abschaffung von Third Party Cookies verzögert, erfordern die von Apple eingeführten Einschränkungen bei der IDFA-Nutzung (iOS 14.5) und die bevorstehende Abschaffung von IP (iOS 15) weiterhin einen unmittelbaren Bedarf an datenschutzkonformen Lösungen. Parallel dazu ist das Bewusstsein und der Appetit der Verbraucher auf ihre digitale Privatsphäre ungebrochen hoch.

Trotz Aufschub: Keine Zeit zum Ausruhen für die Tech- und Marketing-Branche

Uli Hegge, Senior Vice President Central Europe bei der privatsphärezentrierten Data-Collaboration-Plattform InfoSum, stimmt mit Cackel überein und warnt davor „die Füße hochzulegen“:

Nachdem Googles Ankündigungen im Januar wenig überraschend waren, sind auch die Änderungen des zeitlichen Ablaufs und des Prozesses dazu durch Googles Chrome-Team eine nicht unerwartete Reaktion auf das Feedback aus dem Markt und der Politik. Vor allem die aktuellen wettbewerbsrechtlichen Untersuchungen, insbesondere durch die EU und in Großbritannien, haben in den letzten Wochen und Monaten mehr und mehr Druck aufgebaut. Dieser hat jetzt offensichtlich die bisherige Verwirrungsstrategie mit teilweise unterschiedlicher Kommunikation der Chrome- und Advertising-Bereiche von Google beendet und zu hinreichend präzisen Aussagen zum weiteren Vorgehen geführt. Für die Branche bedeutet das aber jetzt keinesfalls, die Füße hochzulegen und sich zurückzulehnen. Der Blog-Post hat noch klarer als vorher die Ziele genannt: Das Ende der Third Party Cookies in Googles Ökosystem ist damit nur aufgeschoben, nicht aufgehoben.

Für Advertiser, Publisher und Technologieanbieter hat sich im Kern nichts geändert. Die Entwicklung und Umsetzung einer First-Party-Datenstrategie ist essenziell, um den Datenschutz und den Fokus auf die das Internet nutzenden Menschen nachhaltig wieder in den Fokus zu rücken und echte Alternativen zu finden, die diesen unterstützen. Denn da hat Google vollkommen Recht: Es kann nicht darum gehen, einfach eine möglichst schnelle Alternative für übergreifendes Tracking zu finden – wie beispielsweise das mehrfach genannte Fingerprinting – sondern es muss nach wie vor gemeinsam an einer datenschutzkonformen und sicheren Lösung gearbeitet werden, die alle Interessen, das heißt die der Advertiser, Publisher und vor allem von uns Menschen, berücksichtigt und einen stabilen, fairen und damit besseren Markt schafft. Dem sehen wir optimistisch entgegen, denn es zeigt sich gerade, dass durch die intensive Zusammenarbeit zwischen unabhängigen Technologieanbietern und ihren Kunden bereits marktfähige innovative Lösungen entwickelt wurden, die diesen Anforderungen gerecht werden.

„Zeit für einen neuen Personalisierungsansatz, basierend auf Zero- und First-Party-Daten“

Muriel Raffatin, Head of Marketing EMEA and APAC beim Cloud-Datenintegrationsunternehmen Talend, gibt an, dass Unternehmen jetzt etwas mehr Luft haben, um das Vertrauen in die Daten bei Usern wieder zu stärken:

Auch wenn sich das Ende der Cookie-Ära verzögern sollte, stellt bietet dies trotzdem dem Marketing eine neue Chance das Vertrauen in die Daten wiederherzustellen – wenn auch jetzt etwas später. Nachhaltiges Marketing über intelligenten Technologien hält Einzug und der Verlust von Drittanbieter-Cookies stellt für zukunftsorientierte Marketingspezialisten und ihre Strategien hinsichtlich der Kundenkenntnisse keinen Nachteil mehr dar. Im Gegenteil, er bietet die Chance, eine intelligente Beziehung aufzubauen, die auf gesunden und vertrauensvollen Daten basiert, die mit dem Einverständnis der Kunden erhoben wurden. Eine Zukunft ohne Cookies bedeutet allerdings nicht, dass Unternehmen das Thema Personalisierung ad acta legen müssen – ganz im Gegenteil! Es ist lediglich Zeit für einen neuen Personalisierungsansatz, basierend auf Zero- und First-Party-Daten.

Auch Maren Seitz, Head of DACH bei der Marketingberatung Analytic Partners, äußerte sich gegenüber OnlineMarketing.de:

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben – Googles Verschiebung des Cookie-Banns auf 2023 ermöglicht Werbetreibenden zwar ein kurzes Aufatmen, eine Entwicklung hin zu einer datenschutzkonformeren Digitalwelt ist jedoch unausweichlich. Anstatt sich weiter auf die Unterstützung von Drittanbieter-Cookies zu konzentrieren, müssen sich Werbetreibende heute schon für die Post-Cookie-Ära wappnen. Eine One-fits-all-Lösung wird es hierbei nicht geben. Vielmehr benötigt es einen Mix aus verschiedenen Ansätzen wie beispielsweise Kohortendaten, Contextual Advertising oder der verstärkte Aufbau von First Party Data. So kann eine personalisierte und nachhaltige Kundenansprache auch zukünftig gelingen.

Die Stimmen aus der Branche sind sich einig, dass Googles Fristverlängerung für die Marketer eine willkommene Entwicklung sein dürfte. Allerdings handelt es sich nur um einen Aufschub. Und genauso, wie die Advertiser sich nach dem Aufschub der App Tracking Transparency bei iOS auf diese Entwicklung vorbereiten mussten, ist die Arbeit an Lösungen für das Targeting und Marketing ohne Third Party Cookies weiterhin extrem relevant.

Kommentare aus der Community

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*
*