Dein wichtigster Touchpoint zur Digitalbranche.
Dein wichtigster Touchpoint zur Digitalbranche.
Affiliate Marketing
Affiliates und ihre Schatten – Von Erfolg und Betrug

Affiliates und ihre Schatten – Von Erfolg und Betrug

Lars Antrack | 17.04.12

Welchen Risiken birgt Affiliate Marketing, wie wird betrogen und was kann dagegen unternommen werden?

Affiliate Marketing ist aus der digitalen Werbewirtschaft nicht mehr weg zu denken. Der BVDW (Bundesverband Digitaler Werbewirtschaft) beziffert das Bruttowerbevolumen des Online-Werbemarktes bereits 2010 auf 5,4 Milliarden Euro. Davon halten Affiliates einen Anteil von 6,27 Prozent, also immerhin 339 Millionen. Kein Kleingeld.

Ein lukratives Geschäft, so scheint es. Für Werbetreibende verspricht Affiliate Marketing Absatzförderung und Bekanntheitssteigerung auf verhältnismäßig niedrigem Kostenniveau, bei gleichzeitig guter Messbarkeit des Werbeerfolges. Das blaue vom Himmel also? Ja und Nein. Allein das Medium Internet setzt bei Werbetreibenden ein nicht unerhebliches Maß an technischem Know How voraus, um das Instrument a) richtig zu verstehen und b) sich selbst vor eventuellem Betrug zu schützen. Nicht selten machen sich fadenscheinige Affiliate Partner das Wissensdefizit ihrer Kunden zu Nutze, um sich an ihnen unverdient zu bereichern. Das schwierige daran, der Kunde versteht den Betrug oftmals sogar als Erfolg. Das perfekte Verbrechen.

Aber was genau ist Affiliate Marketing eigentlich?  Wie funktioniert es und welche Risiken gehen damit einher? Besonders Online affine Leser können den theoretischen und grundlagen-technischen Teil dieses Artikels getrost überspringen. Dem ein oder anderen mag es jedoch hilfreich erscheinen.

Also was wollen wir uns ansehen?

  1. Was ist Affiliate Marketing?
  2. Die Akteure
  3. Welche technischen Grundlagen sind zu verstehen?
  4. Das Unfeine: Cookie Spreading und iFrame Betrug
  5. Im toten Winkel der Werbekunden
  6. Und was tun?
  7. Schlussbetrachtung

1. Was ist Affiliate Marketing

In einem Satz ist Affiliate Marketing grundlegend nichts anderes als „Selling other people’s stuff“ (SOPS). Dabei platzieren Werbetreibende ihre Werbemittel auf Webseiten, die thematisch zum eigenen Angebot passend. Entlohnt werden die Betreiber dieser Seiten für den Fall einer gewünschten User-Interaktion mit einer Vermittlungsprovision. Vergütet wird also nur der Erfolgsfall. Somit trägt einzig der Betreiber einer verpartnerten Website das Risiko eventueller Streuverluste. Er ist also dazu angehalten, die bereitgestellten Werbemittel möglichst zielgerichtet einzubinden, um Click-Through-Rates der Anzeigen zu steigern und die Wahrscheinlichkeit der angestrebten Interaktion zu erhöhen. Klassische Konditionsmodelle sind Pay per Lead oder Pay per Sale. Anders gesagt: Macht der Kunde, was er soll, kriegt mein Werbepartner, was ihm vertraglich zusteht. Einfache Ad Impression werden nicht vergütet.

Aufgrund des rein leistungsbasiertem Abrechnungsmodells sind Affiliate Programme der klassischen Mediawerbung, bei der allein Reichweite und Wahrscheinlichkeit eines Werbemittelkontaktes (TKP) seitens der Werbekunde im Voraus bezahlt werden müssen, klar im Vorteil.

2. Die Akteure

Die Welt des Affiliate Marketings dreht sich üblicherweise um fünf Akteure. Der Werbetreibende (Advertiser oder Merchant) stellt die entsprechenden digitalen Materialien zusammen, mit denen er Kunden werben möchte und findet einen Werbepartner. Dieser Partner (Publisher oder Affiliate) bindet das Material in die eigenen Online-Präsenzen ein und fungiert als Multiplikator des Advertisers – heißt, er bringt Angebot und Nachfrage zueinander. Dabei bedient sich der Publisher verschiedenen Instrumente, die teils weit über das bloße Zeigen einer Anzeige hinaus gehen. Dies können sein:

  • zielgruppenspezifische Microsites
  • Banner-Communities
  • Bonus- und Cashback-Programme
  • E-Mail-Marketing

Um den Findungsprozess zwischen Advertiser und Publisher zu vereinfachen, existieren Affiliate Netzwerke. Big Player in diesem Segment sind beispielsweise affili.net oder zanox. Ihre Aufgabe ist es, für das passende Angebot den passenden Werbepartner zu finden, um an der gezahlten Vermittlungsprovision im Erfolgsfall verdienen zu können. Nicht selten setzen Werbetreibende auch Agenturen ein, die das Projektmanagement seitens der Advertiser übernehmen und die richtigen Publisher oder Netzwerke identifizieren. Für Werbetreibende ist dabei zu berücksichtigen: Je mehr Akteur in diesen Prozess involviert werden, desto schwieriger gestaltet sich die Nachvollziehbarkeit, wie letztlich mit bereitgestellten Werbemitteln umgegangen wird. Folgende Grafik zeigt diesen Prozess im Überblick.

3. Welche technischen Grundlagen sind zu verstehen?

Um nun nachvollziehen zu können, ob ein Besucher tatsächlich über einen Publisher zum Kunden geworden ist, kommt das Standard-Cooking-Tracking zum Einsatz. Cookies sind elementarer Bestandteil von Seite-Tage-Lösungen wie beispielsweise Google Analytics, die u.a. dazu dienen, das Besucherverhalten zu protokollieren. Bei einem Werbemittelkontakt wird über den Browser des Users ein Cookie gesetzt und lokal gespeichert. Innerhalb des Cookies wird dem User ein anonyme ID zugewiesen, die 30 Tage ihre Gültigkeit behält. Es dient also der eindeutigen Identifikation des Besuchers. Im Erfolgsfall wird das Cookie ausgelesen und damit festgestellt, wo es gesetzt wurde. Ist die ID auf die im Affiliate Programm platzierte Anzeige zurückzuführen, erhält der Publisher seinen Anteil. So weit so gut. Jedoch können verschiedene Umstände die Erolgsmessung verwässern. Zum einen können Internet affine Nutzer, dass setzen von Cookies in den Browseroptionen verbieten lassen. Zum anderen kann das Cookie Maximum für die jeweilige Domain erreicht sein, die Zahl variiert je nach Browser.

4. Das Unfeine: Cookie Spreading und iFrame Betrug

Aber wie genau kommt es zum Betrug, wo doch alles so transparent scheint? Der Schlüssel zum Erfolg ist zeitgleich das Werkzeug zum Betrug: das Cookie. Nehmen wir an, wir sind ein betrügerischer Affiliate, jedoch gut und seriös verpackt. Angeheuert werden wir von einem großen eTailer, der allein durch die Prominenz seiner Marke ein großes Absatzvolumen aufweist. Wir wissen, dass viele Verkäufe innerhalb der nächsten 30 Tage sehr wahrscheinlich sind. Nun müssen wir aber dafür sorgen, dass die Erfolge vermeintlich auf unsere Kappe gehen. Dazu erstellen wir Gewinnspiel-Fakeseiten, bedienen uns pornografischer Inhalte oder erstellen Warez-Toplist-Seiten. Damit diese Inhalte im Google Ranking fleißig nach oben klettern, versorgen wir sie mit reichlich Backlinks, um Relevanz vorzugaukeln. Zwar erkennt der Google Algorithmus unterschiedliche Qualität von Domains, dennoch kann der Trick funktionieren. Die Social Networks bieten uns eine gute Plattform unsere zwielichtigen Inhalte zu verbreiten. Ein Tweet, in dem beispielsweise der Gewinn eines iPhones versprochen wird, hat immer noch genug Charme für verschiedene gutgläubige Menschen. Oder denken wir an illegale Film-Plattformen, die besonders zum Wochenende heiß laufen. Hier nun der Trick.

Um dafür zu sorgen, dass möglichst viele Cookies auf den Browser der User landen (Cookie Spreading), benutzen wir sogenannte Inline Frames ( kurz iFrames). Was für einige erstmal befremdlich klingen mag, hat im Grunde schon jeder einmal gesehen oder selbst benutzt. Illustrativ lässt sich das einbinden eines Youtube Videos auf dem eigenen Blog nennen. Dazu benutzt man den vorgeschlagenen „embedded Code“. Der sieht üblicherweise so aus:

<iframe width=“560″ height=“315″ src=“https://www.youtube-nocookie.com/embed/12345xv“ frameborder=“0″ allowfullscreen></iframe>

Aha, „iframe“ steht da! Deshalb hat Youtube aber noch nichts mit betrügerischen Affiliates gemein. Es ist ein weit verbreitetes Werkzeug um Inhalte anderer Webseiten auf der eigenen zu Verfügung zu stellen. Wir packen unseren iFrame, unsichtbar für unsere Besucher, beispielsweise in einen 1×1 großen Pixel. Oder besser gleich mehrere davon. Wird unsere Website nun aufgerufen, laden die versteckten iFrames die Anzeigen unsere Werbekunden, ohne das die Besucher davon Notiz nehmen. Die Cookies für die jeweiligen Anzeigen schlucken sie trotzdem. Ein kleines Beispiel: Xvideo, die größte Video-Plattform für Pornografie, verzeichnet im Monat 4,4 Milliarden Visits. In einem Monat mit 31 Tagen also 141 935 483,9 Visits pro Tag. Verteilen wir mit jedem Visit drei „falsche“ Cookies, landen wir bei 425 806 451,6 erschlichener Kekse. Die Wahrscheinlichkeit, dass unter diesen Usern, Standard-Käufer unseres Werbekunden sind, ist ziemlich hoch. Die Wahrscheinlichkeit, dass einer unter ihnen innerhalb der nächsten 30 Tage online shoppen wird ebenfalls. Heißt, ohne jegliches Zutun nutzen betrügerische Affiliates die Loyalität der „Ohnehin-Kunden“ aus, um Verkäufe, die rein gar nichts mit einem Werbemittelkontakt zu tun haben, zu monetarisieren. Hier eine vereinfachtes Schema von Knol:

Es handelt sich nur um ein Beispiel, welche die Dimensionen von schwarzem Affiliate Marketing verdeutlichen soll. Damit soll nicht gesagt sein, das Xvideos tatsächlich als Cookie-Schleuder fungiert.

5. Im toten Winkel der Werbekunden

Das Ganze passiert natürlich jenseits der Kenntnis des Werbekunden. Dieser sieht ja nur Verkäufe die augenscheinlich aus der Kooperationen mit Affiliate Partner resultieren. Dass er hingegen für Kunden bezahl, die ohnehin kaufen wollte, kann er nicht wissen. Also schüttet er guten Gewissens seine Provisionen aus.

Erfolgreich sind die schwarzen Affiliates also nur dann, wenn es sich um bereits etablierte und erfolgreiche Shops handelt. Bei eTailern mit nur geringem Traffic sinkt auch die Wahrscheinlichkeit eines Kaufes innerhalb der nächsten 30 Tage. Man benötigt den grundsätzlich hohen Traffic des Werbekunden, um darin das Cookie Spreading verstecken zu können. Der Erfolg und die Prominenz hoch frequenter Shops werden zu ihrem Fluch.

Zu den Betroffenen zählen auch Big Player wie Microsoft, Ebay oder Flensburger. Der Spiegel berichtet, wie die eben Genannten auf unseriösen Seiten pornografischen Inhaltes oder illegalen Video-Plattformen auftauchten, ohne davon zu wissen.  Hier geht es nicht in erster Linie um Cookie-Spreading, jedoch darum, dass der Kunde schnell den Überblick über involvierte Dienstleister verlieren kann.

Es werden Spezialisten hinzugezogen, die das Trageting und die Werbeplatzierung übernehmen sollen. Diese wiederum arbeiten mit anderen Netzwerken und Partner zusammen, und geben die Werbemittel weiter um deren Reichweite maximieren zu können. Diese Partner haben Partner, haben Partner, haben Partner… Und nur einer von Ihnen muss es mit dem Schalten auf seriösen Seiten nicht ganz so ernst nehmen, um für den Betrug zu sorgen. Dabei fällt dies natürlich auf alle Involvierten negativ zurück. Ein großes Problem der Branche, weiß auch Christoph Schäfer, Geschäftsführer der Hamburger Firma Performance Partner:

Wir versuchen im Vorfeld jegliche kritische Inhalte (Filesharing, Gewalt, Pornografie) bei dem jeweiligen Vermarkter bzw. Mittler auszuschließen.

Das sich Agenturen ihrerseits weiterer „Unterhändler“ bedienen, ist erstmal nicht schlimm und auch nicht selten. Nur bei der Suche nach solchen Partner, muss deren Leistungsbeschreibung verlässlich sein und das ist sie nicht immer. Im Falle der Hamburger fiel man auf Demand Side Plattform (DSP) Partner herein, die damit warben 50.000 am Thema interessierte Nutzer zu erreichen. Wenig später erschien die Anzeige des Werbekunden auf  illegalen Video-Plattformen.

6. Und was tun?

Eine Möglichkeit ist die „Ad Verification“. Hier wird der Anzeige des Werbekunden eine Art digitales Wasserzeichen in Form eines Codes hinzugefügt. Via Tracking-Software kann dann nachvollzogen werden, wo die Anzeige tatsächlich erscheint und ob sie dort gewünscht ist oder nicht. Im Spiegel erhält dieses Prinzip allerdings das Prädikat „leidlich funktionierendes Alarmsystem“, da gemeinhin Uneinigkeit besteht, in wie weit man dieses Prinzip überhaupt braucht. Immerhin sind die Tricks sehr clever. Via per Referrer gesteuertem Spreading ist es beispielsweise möglich, die im unsichtbaren iFrame versteckte Anzeige nur dann laden zu lassen, wenn ein Besucher über einen klar definierten Link auf die Seite gelangt. Diese wiederum wird unter anderem durch die Robot.txt vor den Suchmaschinen geheim gehalten und ist praktisch nicht auffindbar.

Es ist also gar nicht so leicht den Betrug a) zu enthüllen und b) sich davor zu schützen. Der Bundesverband Digitale Wirtschafts vergibt Qualität-Zertifikate und kennzeichnet damit jene Affiliates, die sich einem gewissen Standard verschrieben haben und als vertrauenswürdig gelten.

Die Instrumentarium zur Gegenwehr schient also begrenzt. Schätzungen besagen, dass jeder siebte Euro an Betrüger gezahlt wird.

Schlussbetrachtung

Affiliate Marketing per se ist nicht schlecht. Jede Branche beheimatet schwarze Schafe. Das rein leistungsbasierte Abrechnungsmodell und die vielen Möglichkeiten, Inhalte direkt an interessierte Nutzer auszuliefern sind klare Stärken. Jedoch sollte bei der Partner-Wahl besondere Vorsicht walten. Lassen sie sich im Detail erklären, wer alles in den Prozess involviert ist, auf welche Netzwerke und Unterhändler man zurückgreift und nach welchen Kriterien diese ausgewählt wurden. Sollten Sie Unregelmäßigkeiten innerhalb ihrer Kampagne entdecken, kontaktieren Sie den jeweiligen Dienstleister und lassen sich aufklären. Nicht immer ist es gleich Betrug. Sind sie dennoch skeptisch, nehmen Sie die Programmplanung in die eigene Hand und sondieren sie, welche Websiten als Werbeträger für Sie in Frage kommen. Letztlich ist Betrug im Affiliate Marketing auch eher der Einzelfall und daher sollten wenigen bekannten Betrugsfälle nicht gleich eine hoch profitable und effiziente Branche überschatten.

Kommentare aus der Community

Lars Antrack am 26.04.2012 um 15:42 Uhr

Hallo Armin,

freut mich, dass dir der Artikel „gefällt“!

Vorsicht kann nie schaden, allerdings sollte daraus keine unangebrachte Angst erwachsen. Affiliate Marketing ist dennoch ein überwiegend positives Werbekonzept. Solltest du mit Externen zusammen arbeiten, dann ist eine intensive und transparente Kommunikation ein guter Weg, die Zügel (und Cookies :-) in der Hand zu behalten. Auch regelmäßige und detaillierte Reportings seitens der Dienstleister zu vereinbaren und diese stichprobenartig zu überprüfen kann helfen, schwarze Schafe zu entlarven oder eben gute, kompetente Partner zu identifizieren.

Mit freundlichen Grüßen,
Lars Antrack

Antworten
Armin Schmethuesen am 26.04.2012 um 14:24 Uhr

Hallo Lars,
ein wirklich und interessanter und betrückender Artikel. Da ich auch auf dem Gebiet unterwegs bin, werde ich in Zukunft noch vorsichtiger sein.

Mit freundlichen Grüßen
Armin Schmethüsen

Antworten
Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*
*