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Unternehmenskultur
Transparente und einheitliche Gehälter für mehr Fairness

Transparente und einheitliche Gehälter für mehr Fairness

Larissa Ceccio | 08.07.22

Ungleiche Bezahlung im Unternehmen kann ein Indiz für Ungerechtigkeit sein. Doch inwiefern können fixe Gehälter zu mehr Fairness beim Gehalt führen? Dieser und weiterer Fragen widmet sich Georg Weber, COO bei Gateway Ventures, im Interview.

Die Inflation in Deutschland beträgt laut Schätzung des Statistischen Bundesamts derzeit fast acht Prozent. Der Gedanke, mehr Gehalt zu verlangen, liegt daher nahe. Andersrum plädieren einige Arbeitnehmer:innen und Arbeitsrechtler:innen auf fixe Gehaltsstrukturen, in dem Fall bezeichnen diese einheitliche und transparente Gehälter. Damit würde eine Gehaltsverhandlung, die in vielen Start-ups, aber auch KMU und Konzernen, Usus ist, wegfallen. Denn bislang sind transparente Saläre eher die Ausnahme, vor allem Start-up-Gründer:innen ziehen selten klare Gehaltsstrukturen von Anfang an auf. Auch ein Ergebnis einer Studie von karriere.at zeigt, dass rund 75 Prozent aller befragten Mitarbeiter:innen nicht wissen, wie sich die Gehälter in dem Unternehmen, in dem sie tätig sind, entwickeln.

Doch diese Gegebenheiten können zu großen Unterschieden und Unsicherheiten sowie im schlimmsten Fall zu einer übergreifend toxischen Unternehmenskultur führen. Auch das im Juli 2017 in Kraft getretene Entgeltgesetz zeigt kaum Wirkung und erzielte beispielsweise in Bezug auf die „Gender Pay Gap“, die seit Beginn der Covidpandemie sogar noch höher ist, nicht die erhofften Erfolge. Start-up Coach Stephanie Biebel erklärt:

Mitarbeitende tauschen sich irgendwann über die Gehälter aus. Nicht nachvollziehbare Unterschiede führen zu einer toxischen Kultur und lähmen insbesondere Start-ups im Wachstum.

Nachteile bestehen somit sowohl für Arbeitnehmer:innen als auch auf Unternehmensseite. Eine Glassdoor-Umfrage zeigt beispielsweise, dass Gehaltstransparenz in Unternehmen mehr Vertrauen schaffen würde. Eine Möglichkeit wäre es, offen über das Gehalt zu sprechen. Doch damit tun sich noch immer die meisten Menschen schwer – und einige Unternehmen fordern sogar explizit, Gehälter zu verschweigen. Eine andere Option sind fixe Gehaltsstrukturen.

OnlineMarketing.de hat mit Georg Weber, COO bei Gateway Ventures, über die Machbarkeit, Kosten und Chancen von fixen Gehaltsstrukturen gesprochen und dabei auch gefragt, ob diese, vor allem in der Start-up-Praxis, umsetzbar sind.

Das Interview

OnlineMarketing.de: Wie definieren sich fixe Gehaltsstrukturen und was bedeuten diese für Unternehmen – insbesondere für Start-ups?

Georg Weber: Unserem Verständnis nach definieren fixe Gehaltsstrukturen Schemata, die die jeweils möglichen Gehälter und die Faktoren, die diese in ihrer Höhe beeinflussen, für bestimmte Bereiche oder das gesamte Unternehmen, festlegen. Individuelle Faktoren wie Erfahrung, Location und weitere können zwar berücksichtigt werden, jedoch muss dafür das Schema angepasst werden, was zum Teil zu unverhältnismäßigem Mehraufwand führt.

Um die Bedeutung fixer Gehaltsstrukturen für Start-ups zu beschreiben, ist es wichtig, zu wissen, dass Start-up nicht gleich Start-up ist, denn ein Unternehmen mit fünf bis 15 Mitarbeiter:innen kann laut Definition genauso ein Start-up sein wie ein Unternehmen mit über 100 Angestellten. Je kleiner ein Unternehmen ist, desto flexibler muss es sein. Fixe Gehaltsstrukturen würden diese Flexibilität nicht erlauben. In meinen Ausführungen denke ich vor allem an junge Start-ups mit weniger als 15 Mitarbeiter:innen.

Welche Chancen bieten fixe Gehaltsstrukturen Start-ups?

Fixe Gehaltsstrukturen ermöglichen, meiner Meinung nach, vor allem folgende Dinge: Klarheit und Geschwindigkeit. Für Personen, gleich in welcher Stufe sie einsteigen, ist klar, was sie zu welchem Zeitpunkt verdienen können. Und dadurch, dass die Voraussetzungen für die nächste oder darunterliegende Stufe klar definiert wurden, ist es auch einfach zu sehen, wie die persönliche Entwicklung in der Firma hin zur nächsten Stufe passieren kann. Diese zusätzliche Klarheit beschleunigt durch stärkere Selbstselektion und nicht vorhandene Verhandlungen auch den Bewerbungsprozess. Die Geschwindigkeit ist an dieser Stelle dennoch ein zweischneidiges Schwert, denn durch die fehlende Flexibilität bewerben sich bestimmte Kandidat:innen erst gar nicht, was somit zu einem Kompromiss zwischen Geschwindigkeit und Qualität an falscher Stelle führt. Vollkommene Transparenz bleibt weiterhin eine Option.

Derzeit herrscht akuter Fachkräftemangel in vielen Bereichen – Start-ups sind ebenfalls betroffen und finden nicht selten kein qualifiziertes Personal. Gleichzeitig ist ein Job-Wechsel oft die beste Möglichkeit, um mehr zu verdienen. Könnten fixe Gehaltsstrukturen dazu führen, dass Mitarbeiter:innen länger in Start-up-Jobs bleiben? Oder bestehen auch Risiken, Mitarbeiter:innen dadurch zu verlieren?

Ich würde Mitarbeiter:innen – vor allem von kleinen Start-ups – als sehr mutig und risikobereit beschreiben. Sie schaffen sich ihre eigenen Möglichkeiten und somit auch ihr eigenes Wachstum, was sich langfristig auch im Gehalt widerspiegelt. Dieses nicht lineare, sondern potenziell exponentielle Wachstum ist nicht standardisierbar und deshalb auch nicht wirklich in einer fixen Gehaltstabelle abzubilden. Dementsprechend sehe ich die Chance, die richtigen Mitarbeiter:innen mithilfe einer fixen Gehaltsstruktur zu gewinnen und zu halten, nicht als die vielversprechendste.

Welche Kosten kommen auf Start-ups, die fixe Gehaltsstrukturen planen, zu?

Ich denke der wichtigste Faktor bezogen auf die Kosten sind die nur schwer bezifferbaren Opportunitätskosten, die Start-ups durch die Implementierung einer fixen Gehaltsstruktur entstehen. Wenn ich als Start-up eine:n Top-Entwickler:in oder eine geniale Marketing-Kraft nicht einstellen kann, weil es meine Gehaltsstrukturen nicht zulassen, dann entgehen mir im schlimmsten Fall Milliarden. Wenn doch sehr unwahrscheinlich, ist es selbst die Existenz der kleinsten Wahrscheinlichkeit nicht wert, dieses Risiko einzugehen.

Stichwort Frauenquote: Start-ups werben häufig damit, besonders innovativ zu sein – doch auch hier sind Frauen häufig immer noch schlechter bezahlt als Männer. Woran liegt das?

Wie genau die Beziehung zwischen Innovation und der „Gender Pay Gap“ ist, kann ich nicht kommentieren. Was ich beobachte, ist, dass die Awareness für das Thema Diversität, was mir hier als Wording besser gefällt als „Quoten“, und die damit verbundenen Vorteile, sehr stark ausgeprägt ist, gerade in kleinen Start-ups. Dementsprechend würde ich auch die Hypothese aufstellen, dass die „Gender Pay Gap“ in Start-ups geringer ist als in großen Konzernen. Ein Aspekt, der bei kleinen Start-ups beachtet werden muss, ist, dass bis zu dem Zeitpunkt, zu dem wirklich dieselben Positionen miteinander verglichen werden können, keine wirklich aussagekräftige Bewertung getroffen werden kann. Einen pauschalen Grund für die leider nach wie vor auftretenden Unterschiede zu nennen, wäre an dieser Stelle nicht angebracht.  

In einem Berliner Start-up, das vegane Kondome vertreibt, können die Mitarbeiter:innen selbst entscheiden, wie viel sie verdienen und wie viele Urlaubstage sie nehmen – und dieses Konzept funktioniert angeblich. Was hältst du von dieser Art der „fairen” Entlohnung?

Die Frage, die sich mir in diesem Fall stellt, ist, inwiefern dieses System automatisch zu „Fairness“ führt. Weiß jeder im Team, was für ein Gehalt ich mir aussuche? Und wie reagiert das Team, wenn ich es als „fair“ für mich empfinde, in der Crunchtime ein wenig mehr Urlaub zu nehmen? Und wer definiert in diesem Fall auch das „Funktionieren des Systems“? Ich stehe derart völlig freien Formaten kritisch gegenüber. Wie so oft liegt das Beste in der Mitte: Die Gehälter sollten sich, meiner Meinung nach, mit dem Unternehmen und der Weiterentwicklung der individuellen Mitarbeiter:innen entwickeln. Je klarer sich in einem Start-up eventuelle Bereiche, Rollen und Hierarchien standardisieren, desto klarer kann auch die Gehaltsstruktur sein.

Was können Arbeitnehmer:innen, die vermuten oder wissen, dass sie deutlich schlechter als Kolleg:innen bezahlt werden, tun?

Fragen, wie es dazu kommt, auch wenn dies wahrscheinlich im ersten Moment unangenehm ist. Die Kultur, gerade in jungen und kleinen Unternehmen, zeichnet sich meist durch ihre Offenheit aus, die für solche Situationen gute Voraussetzungen schafft. Wichtig dabei ist, auf die Bedürfnisse und die Faktoren, die die Erwartungshaltung ausmachen, beider Seiten einzugehen, und zu versuchen, diese zu verstehen. Das kann nur im gemeinsamen Gespräch funktionieren.


Wir bedanken uns recht herzlich für das schriftliche Interview mit Georg Weber und die aufschlussreichen Insights.

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