Human Resources
Arbeitsfrust statt Zufriedenheit: Warum Deutschland beim Wohlbefinden im Job international abrutscht

Arbeitsfrust statt Zufriedenheit: Warum Deutschland beim Wohlbefinden im Job international abrutscht

Marié Detlefsen | 09.12.25

Deutschland rutscht beim Wohlbefinden im Job ab – stärker als viele andere Industrienationen. Die Folgen reichen weit über Schlafprobleme und Erschöpfung hinaus: Unzufriedene Beschäftigte verlieren die Lust auf neue Technologien und die Wettbewerbsfähigkeit gerät unter Druck.

Das Wohlbefinden am Arbeitsplatz entscheidet maßgeblich darüber, ob Talente leistungsfähig bleiben, sich weiterentwickeln und ob Unternehmen langfristig erfolgreich sind. Doch Deutschland bleibt beim Thema Arbeitszufriedenheit erneut zurück. Der aktuelle Work Wellbeing Report 2025 von Indeed zeigt: Beschäftigte hierzulande fühlen sich im Job deutlich weniger wohl als Arbeitnehmer:innen in vielen anderen Industrienationen.

Deutschland erneut Schlusslicht beim Wohlbefinden

Lediglich 21 Prozent der Arbeitnehmer:innen in Deutschland geben laut dem Report an, sich im Rahmen ihrer Tätigkeit sowohl zufrieden als auch entfaltungsfähig zu fühlen. Damit landet Deutschland im internationalen Vergleich abgeschlagen hinter anderen Ländern: Ganz vorn liegen die Niederlande mit 36 Prozent, gefolgt von den USA mit 26 Prozent. Auch Australien und Frankreich (je 25 Prozent) sowie das Vereinigte Königreich (23 Prozent) schneiden deutlich besser ab. Deutschland liegt erneut am unteren Ende der Skala, ein Dauerproblem, das sich in den vergangenen Jahren kaum verbessert hat.

Deutschland erneut auf den hinteren Plätzen, wenn es um Wohlbefinden am Arbeitsplatz geht (mit einem Klick aufs Bild gelangst du zur größeren Ansicht), © Indeed
Deutschland erneut auf den hinteren Plätzen, wenn es um Wohlbefinden am Arbeitsplatz geht (mit einem Klick aufs Bild gelangst du zur größeren Ansicht), © Indeed

Der Report zeichnet zudem ein Bild, das Betriebe besonders alarmieren dürfte: Zufriedenheit und technologische Anpassungsfähigkeit scheinen eng miteinander verknüpft. In Unternehmen, die das Wohlbefinden ihrer Mitarbeitenden gezielt fördern, zeigen sich 71 Prozent der Beschäftigten besonders aufgeschlossen gegenüber neuen Technologien wie Künstlicher Intelligenz. Des Weiteren schätzen sich dort 52 Prozent als kreativer und produktiver ein. Dort, wo Frust und Stress den Arbeitsalltag bestimmen, schwindet die Offenheit für technologische Innovationen. Unzufriedenheit wirkt hier nicht nur stimmungsdämpfend, sondern auch innovationshemmend.

Wohlbefinden als Erfolgsfaktor

Ein unterstützendes Arbeitsumfeld wirkt sich nachweislich positiv auf Unternehmen aus. Es geht mit höherer Kreativität, stärkerem Zusammenhalt und langfristiger Bindung einher. Beschäftigte, die sich bei der Arbeit wohlfühlen,

  • erreichen zu 91 Prozent häufiger ihre Ziele,
  • denken zu 80 Prozent eher darüber nach, ihren Arbeitgeber:innen treu zu bleiben,
  • leiden zehnmal seltener unter chronischem Stress,
  • und bringen zu 33 Prozent aktiv Ideen für Verbesserungen ein.

Besonders auffällig ist jedoch, wie stark sich die Stimmung in Deutschland innerhalb kurzer Zeit verschlechtert hat. Noch im Jahr 2023 sagten 41 Prozent, sie seien die meiste Zeit über glücklich bei der Arbeit. 2025 sind es laut dem Report nur noch 24 Prozent. Auch Stress nimmt deutlich zu: 25 Prozent suchen 2025 wegen hoher Belastung nach einem neuen Job, verglichen mit 19 Prozent zwei Jahre zuvor. Die mangelnde Flexibilität, die 2023 noch maßgeblich zum Jobwechsel beitrug, rückt damit weiter nach hinten.

Die weitreichenden Konsequenzen vom schlechten Wohlbefinden

Niedriges Wohlbefinden wirkt allerdings nicht nur auf die eigentliche Arbeit im Unternehmen. So berichten 91 Prozent der Befragten, dass ihre Arbeit direkten Einfluss auf ihre persönliche Stimmung hat. Fast jede:r zweite Beschäftigte (49 Prozent) empfindet die Arbeit sogar als größten täglichen Stressfaktor, noch vor politischen Entwicklungen, familiären Herausforderungen oder gesundheitlichen Sorgen.

Fast jede:r zweite Beschäftigte empfindet die Arbeit als größten täglichen Stressfaktor (mit einem Klick aufs Bild gelangst du zur größeren Ansicht), © Indeed
Fast jede:r zweite Beschäftigte empfindet die Arbeit als größten täglichen Stressfaktor (mit einem Klick aufs Bild gelangst du zur größeren Ansicht), © Indeed

Die Auswirkungen sind spürbar: 4 Prozent schlafen schlechter, 52 Prozent berichten von körperlichen Beschwerden und 47 Prozent fehlt nach der Arbeit die Energie für Hobbys oder soziale Aktivitäten. Schlechte Arbeitsbedingungen wirken damit weit über das Büro hinaus und prägen den Alltag vieler Beschäftigter.

Schlechte Arbeitsbedingungen haben weitreichende Konsequenzen bis in den Alltag hinein (mit einem Klick aufs Bild gelangst du zur größeren Ansicht), © Indeed
Schlechte Arbeitsbedingungen haben weitreichende Konsequenzen bis in den Alltag hinein (mit einem Klick aufs Bild gelangst du zur größeren Ansicht), © Indeed

Bewerber:innen achten auf Kultur – fragen aber kaum konkret nach

Auch im Bewerbungsprozess spielt Wohlbefinden eine größere Rolle, als es auf den ersten Blick scheint. Zwar wünschen sich 95 Prozent der Jobsuchenden Einblick in Themen wie Kultur, Fairness oder Fürsorge, doch nur 19 Prozent fragen aktiv danach. Viele orientieren sich stattdessen an indirekten Signalen:

  • 49 Prozent achten auf das Auftreten von Interviewern,
  • 48 Prozent darauf, ob Work-Life-Balance angesprochen wird,
  • 43 Prozent auf den Team-Geist,
  • 39 Prozent auf Weiterbildungschancen.

Als besonders glaubwürdig gelten Unternehmen vor allem dann, wenn sie flexible Arbeitsmodelle anbieten (51 Prozent) oder eine hohe Mitarbeiter:innenbindung vorweisen können (48 Prozent). Besonders großes Vertrauen genießen persönliche Empfehlungen, auf die 43 Prozent der Jobsuchenden setzen. Social Media spielt dagegen eine deutlich geringere Rolle (28 Prozent).

Die Studie macht deutlich: Das Wohlbefinden der Mitarbeitenden entscheidet längst nicht mehr nur über deren Zufriedenheit, sondern über den Erfolg ganzer Unternehmen. Wer ein Arbeitsumfeld schafft, das Sicherheit, Anerkennung und Entwicklung bietet, stärkt die Fähigkeit der Belegschaft, mit komplexen Technologien umzugehen. Dieser Ansicht ist auch Dr. Stefanie Bickert, Arbeitsmarktexpertin bei Indeed:

Dauerhafter Stress und Überlastung senken die Lern- und Innovationsleistung, denn sie mindern Kreativität und Anpassungsbereitschaft. Wer dagegen ein Umfeld schafft, in dem sich Menschen entfalten können, fördert die Fähigkeit, KI sinnvoll und produktiv einzusetzen. Zufriedenheit im Job ist somit kein ,Nice to have‘, sondern ein zentraler Faktor für die Innovationskraft eines Unternehmens.


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© Vlada Karpovich – Pexels

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