Human Resources
Sicherheit statt Karriere: 6 von 10 Arbeitnehmer:innen würden für mehr Stabilität auf Gehalt verzichten

Sicherheit statt Karriere: 6 von 10 Arbeitnehmer:innen würden für mehr Stabilität auf Gehalt verzichten

Marié Detlefsen | 29.10.25

Steigende Preise, politische Unsicherheiten und eine schwächelnde Wirtschaft verändern die Prioritäten auf dem Arbeitsmarkt: Für viele zählt Jobsicherheit inzwischen mehr als Karriere oder Gehalt. Erfahre, wie weit Beschäftigte in Deutschland dafür zu gehen bereit sind.

Der Wind am Arbeitsmarkt hat sich gedreht. Während in den vergangenen Jahren Schlagworte wie Job Hopping und Karriere-Booster dominierten, gewinnt nun das Gegenteil an Bedeutung: das sogenannte Job Hugging. Gemeint ist die bewusste Entscheidung, lieber an einem sicheren Arbeitsplatz zu bleiben, als ständig auf der Suche nach der vermeintlich besseren Position zu sein. Eine aktuelle Umfrage von Indeed zeigt deutlich: Für sechs von zehn Arbeitnehmer:innen in Deutschland ist Jobsicherheit inzwischen so wichtig, dass sie dafür finanzielle Einbußen hinnehmen würden.

Jobsicherheit rückt in den Fokus – besonders bei der jungen Generation

Die aktuelle wirtschaftliche Stimmung hat deutlichen Einfluss auf den Alltag vieler Angestellter: steigende Lebenshaltungskosten, Rezessionsängste und unsichere politische Rahmenbedingungen lassen viele Beschäftigte vorsichtiger werden. Das spiegelt sich auch in den Zahlen der Studie wider. So gaben 67,8 Prozent der Befragten an, dass ihnen ein sicherer Arbeitsplatz heute wichtiger ist als noch vor einem Jahr. Für fast ein Drittel (28,6 Prozent) ist diese Priorität sogar deutlich gestiegen.

Die Generation Z sorgt sich dabei stärker als jede andere Altersgruppe um ihre berufliche Zukunft. 77,2 Prozent der 18- bis 24-Jährigen sagen, dass Jobsicherheit für sie heute einen höheren Stellenwert hat. Das sind fast zehn Prozentpunkte mehr als im Durchschnitt. Offenbar ist der Drang nach Stabilität nicht nur eine Frage des Alters, sondern der Zeit, in der man lebt.

Mehr Jobsicherheit statt mehr Geld

Insgesamt wären 60,5 Prozent der Arbeitnehmer:innen in Deutschland bereit, auf einen Teil ihres Einkommens zu verzichten, wenn sie dafür langfristig sicherer beschäftigt wären. Rund ein Fünftel (20,4 Prozent) würde sogar bis zu zehn Prozent des Gehalts abgeben, während 12,3 Prozent bereit wären, noch tiefer in die Tasche zu greifen und mehr als zehn Prozent aufzugeben. Und immerhin 3,7 Prozent, also fast jede:r 25. Beschäftigte, würden über ein Fünftel ihres Gehalts opfern, um nicht um den Arbeitsplatz fürchten zu müssen.

So viele Arbeitenehmer:innen wären bereit für mehr Jobsicherheit auf einen Teil ihres Gehalts zu verzichten (die Grafik wurde anhand der Daten von Indeed mithilfe von ChatGPT erstellt)
So viele Arbeitenehmer:innen wären bereit für mehr Jobsicherheit auf einen Teil ihres Gehalts zu verzichten (die Grafik wurde anhand der Daten von Indeed mithilfe von ChatGPT erstellt)

Diese Bereitschaft zeigt: In unsicheren Zeiten ist der Wunsch nach Stabilität stärker als die Aussicht auf ein höheres Einkommen. Das Gefühl, den eigenen Job auch morgen noch zu haben, scheint vielen mehr wert zu sein als ein dickeres Monatsgehalt.

Doch was treibt die Sorge um den Arbeitsplatz an? Laut der Befragung spielt vor allem die gesamtwirtschaftliche Situation eine Rolle: 18,5 Prozent sehen darin den entscheidenden Einflussfaktor auf ihre berufliche Sicherheit. Dahinter folgen politische Entwicklungen (15,4 Prozent) und die eigene Leistung (14,2 Prozent). Unternehmensentscheidungen rangieren mit 12,8 Prozent etwas dahinter. Nur 8,9 Prozent fürchten sich dabei vorrangig vor technologischen Entwicklungen wie Künstlicher Intelligenz oder Automatisierung. Die größte Unsicherheit entsteht laut der Studie also nicht durch Maschinen, sondern durch Märkte.


Was ist Job Hugging?

Warum viele Zufriedenheit auf der Arbeit vortäuschen

– und was dahintersteckt

Was ist Job Hugging? Warum viele Zufriedenheit auf der Arbeit vortäuschen – und was dahintersteckt.
© Jopwell – Pexels


Zu viel Sicherheit führt zu Blockaden und Stillstand auf dem Arbeitsmarkt

Trotz der neuen Vorsicht sind Beschäftigte nicht völlig immobil. Wer den sicheren Hafen verlässt, tut das allerdings nur, wenn sich der Wechsel spürbar lohnt. 57,8 Prozent der Befragten würden einen weniger sicheren Job in Kauf nehmen, wenn das Gehalt deutlich höher wäre. Für 34,3 Prozent spielen flexible Arbeitszeiten und Home Office eine entscheidende Rolle. Auch ein kürzerer Arbeitsweg (23,6 Prozent) oder bessere Entwicklungsmöglichkeiten (21,3 Prozent) können die Sicherheit aufwiegen. Nur 14,2 Prozent sagen klar: Für einen unsicheren Job käme ein Wechsel unter keinen Umständen infrage. Dr. Stefanie Bickert, Karriereexpertin bei Indeed, ordnet die Ergebnisse ein:

Job Hugging ist zunächst kein Zeichen von Bequemlichkeit, sondern eine nachvollziehbare Anpassungsstrategie. In Phasen ökonomischer Unsicherheit neigen Menschen dazu, Stabilität zu priorisieren. Bemerkenswert ist allerdings, wie verbreitet aktuell die Unsicherheit ist. Zwei von drei Angestellten geben an, dass Jobsicherheit aktuell eine größere Rolle als noch vor einem Jahr spielt. Für Arbeitgeber ist das ein zweischneidiges Schwert. Einerseits sorgt Job Hugging für mehr Planungssicherheit und geringere Fluktuation. Andererseits kann es dazu führen, dass Angestellte in Positionen bleiben, die sie nicht mehr ausfüllen – mit Folgen für Motivation, Innovation und Leistungsbereitschaft. 

Beschäftigte sollten bei allem Wunsch nach Stabilität nicht vergessen: Ein sicherer Arbeitsplatz trägt zwar entscheidend zum Wohlbefinden bei, weil er Ängste reduziert und damit Raum für konzentriertes, produktives Arbeiten schafft. Wird Sicherheit jedoch zum alleinigen Maßstab, kann sie zur Bremse werden. Wer aus reiner Vorsicht in einer Position verharrt, die eigentlich nicht mehr zu einem passt, läuft Gefahr, Motivation und Sinn zu verlieren und damit langfristig die eigene Entwicklung zu blockieren. Gerade in unsicheren Zeiten kann es deshalb klug sein, Chancen zu nutzen und beruflich trotzdem einen Schritt nach vorn zu wagen.


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