Human Resources
Talente wenden sich ab: Der Arbeitsmarkt in Deutschland verliert internationale Bewerber:innen

Talente wenden sich ab: Der Arbeitsmarkt in Deutschland verliert internationale Bewerber:innen

Marié Detlefsen | 10.06.25

Von einer einst begehrten Arbeitsdestination zu einem zunehmend umkämpften Standort im globalen Rennen um Talente: Deutschlands Attraktivität als Ziel für internationale Fachkräfte sinkt spürbar – ein Warnsignal für Wirtschaft und Politik.

Während der Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften in Deutschland stetig wächst – nicht zuletzt aufgrund des demografischen Wandels – sinkt gleichzeitig das Interesse internationaler Bewerber:innen, in der Bundesrepublik Fuß zu fassen. Eine aktuelle Analyse der Jobplattform Indeed zeigt: Das Niveau der internationalen Jobsuchen nach Stellen in Deutschland befindet sich auf einem historischen Tiefstand – so niedrig war der Anteil zuletzt 2022.

Im April 2025 machten internationale Jobsuchen gerade einmal 4,3 Prozent der Gesamtanfragen aus. Zum Vergleich: Im Sommer 2022 lag dieser Wert noch über der Sechs-Prozent-Marke, mit einem Höchststand im August 2023 bei 6,3 Prozent. Seitdem zeichnet sich ein kontinuierlicher Rückgang ab – ein Alarmsignal für Wirtschaft, Politik und Arbeitsmarkt.

Deutschland verliert an internationaler Strahlkraft, allerdings nicht in den USA

Trotz des generellen Negativtrends gibt es auch gegenläufige Entwicklungen. Besonders auffällig ist das wachsende Interesse aus der Ukraine und den Vereinigten Staaten. So hat sich die Zahl der Jobsuchen aus der Ukraine innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt – von 1,5 auf 3,2 Prozent. Auch aus den USA ist ein spürbarer Anstieg zu verzeichnen: Hier wuchs der Anteil internationaler Jobsuchen auf dem deutschen Markt von 5,1 auf 6,8 Prozent.

Diese Veränderung ist insofern bemerkenswert, als ein Umzug aus Nordamerika weitaus komplexer ist als aus einem EU-Nachbarstaat. Insbesondere politische Entwicklungen, gesellschaftliche Umbrüche oder auch das Bedürfnis nach Stabilität könnten hier eine Rolle spielen.

Insbesondere Fachkräfte aus der Ukraine und den Vereinigten Staaten haben Interesse daran in Deutschland zu arbeiten (mit einem Klick aufs Bild gelangst du zur größeren Ansicht; Die Grafik wurde mithilfe der Indeed Daten von ChatGPT erstellt).
Insbesondere Fachkräfte aus der Ukraine und den Vereinigten Staaten haben Interesse daran, in Deutschland zu arbeiten (mit einem Klick aufs Bild gelangst du zur größeren Ansicht; die Grafik wurde mithilfe der Indeed-Daten von ChatGPT erstellt)

In scharfem Kontrast dazu steht das abnehmende Interesse aus Süd- und Südostasien – Regionen, die traditionell als Quelle hochqualifizierter Fachkräfte gelten, insbesondere im MINT-Bereich. Besonders deutlich fällt der Rückgang in Indien aus: Innerhalb eines Jahres halbierte sich der Anteil indischer Jobsuchen von 5,6 auf 2,94 Prozent. Ähnlich drastisch zeigt sich das Bild in Pakistan (von 1,61 auf 0,6 Prozent) und Bangladesch (von 1,42 auf 0,24 Prozent). Diese Entwicklungen sind problematisch – nicht nur angesichts des Fachkräftemangels in Deutschland, sondern auch im Hinblick auf vergangene politische Bemühungen, genau diese Zielgruppen für den Arbeitsmarkt in Deutschland zu gewinnen.

Pflegeberufe in Deutschland stabil – Tech-Branche verliert deutlich

Auch bei der Nachfrage nach konkreten Berufsgruppen lassen sich signifikante Unterschiede erkennen. Während das Interesse an Pflege-, Einzelhandels- und Sozialberufen relativ stabil bleibt, zeigt sich ein deutlicher Rückgang in technikorientierten Berufsfeldern.

Besonders hart trifft es die Softwareentwicklung: Hier schrumpfte der Anteil ausländischer Jobsuchen von 19,1 auf 11,4 Prozent – ein Rückgang von fast acht Prozentpunkten. Auch in verwandten Bereichen wie Data Analytics, IT-Infrastruktur oder Projektmanagement lässt sich ein ähnlicher Trend beobachten. Offenbar verliert Deutschland als Innovations- und Technologiestandort zunehmend an Anziehungskraft für internationale IT-Expert:innen. Dr. Virginia Sondergeld, Arbeitsmarktexpertin bei Indeed, sagt hierzu:

Ein konjunktureller Aufschwung wäre das stärkste Signal, um Deutschland international wieder attraktiver zu machen, doch dieser ist aktuell nicht absehbar. Umso wichtiger wird es sein, dass die neue Bundesregierung die strukturellen Voraussetzungen verbessert, um internationale Fachkräfte gezielt anzuziehen und gleichzeitig Impulse für wirtschaftliches Wachstum setzt. Der Koalitionsvertrag sieht hierfür unter anderem schnellere Visaverfahren, eine vereinfachte Anerkennung von Berufsqualifikationen und eine bessere Sprachförderung vor. Das sind alles sinnvolle Ansätze, die aber auch konsequent und praxistauglich umgesetzt werden müssen.

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Der internationale Rückhalt für den deutschen Arbeitsmarkt bröckelt. Länder wie die USA oder die Ukraine mögen Ausnahmen sein – doch die generelle Tendenz zeigt nach unten. Dabei ist der globale Wettbewerb um kluge Köpfe härter denn je. Werden keine gezielten politischen und wirtschaftlichen Maßnahmen ergriffen, droht Deutschland, im Rennen um die besten Talente den Anschluss zu verlieren.


Wer darf kommen – und zu welchem Preis?

Die Blue Card im EU-Vergleich

Kommentare aus der Community

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*
*

Melde dich jetzt zu unserem HR-Update an und erhalte regelmäßig spannende Artikel, Interviews und Hintergrundberichte aus dem Bereich Human Resources.