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Human Resources
Vertrauen verspielt: Wie Ghost Jobs Bewerbende frustrieren und die Arbeitgeber:innenmarke schwächen

Vertrauen verspielt: Wie Ghost Jobs Bewerbende frustrieren und die Arbeitgeber:innenmarke schwächen

Marié Detlefsen | 22.11.24

Stellenanzeigen ohne echte Einstellungsabsicht, sogenannte Ghost Jobs, frustrieren Bewerber:innen, schädigen die Arbeitgeber:innenmarke und werfen ein Licht auf die Defizite in Recruiting-Prozessen. Doch wodurch entstehen Ghost Jobs, was für Konsequenzen ergeben sich aus ihnen und wie können Unternehmen gezielt dagegen vorgehen? Das erfährst du in unserem Beitrag.

Ein Bewerbungsprozess kann oft langwierig und nervend sein. Manchmal erhält man Absagen oder erst gar keine Rückmeldung, doch ein Phänomen sorgt unter Bewerber:innen besonders für Unsicherheit und Frustration: Ghost Jobs. Dieser Begriff bezeichnet Stellenanzeigen, die veröffentlicht werden, ohne dass eine tatsächliche Absicht besteht, die Position zu besetzen. Doch was steckt dahinter, und welche Konsequenzen birgt dieses Phänomen?

Ein Drittel der Bewerber:innen fehlen konkrete Stellenbeschreibungen

Der Candidate Experience Report von Greenhouse beschäftigt sich mit dem Thema Ghosting und basiert auf den Erfahrungen von 2.900 Arbeitnehmer:innen aus dem DACH-Raum, den USA, Großbritannien und Irland. Obwohl Unternehmen zunehmend Talente suchen, haben 43 Prozent der Befragten im vergangenen Jahr erlebt, wie viel Zeit sie in Bewerbungsprozesse investiert haben – nur um am Ende eine Absage zu erhalten. Dies führt nicht nur zu Frustration, sondern auch zu einer geringeren Bereitschaft, sich auf langwierige Bewerbungsverfahren einzulassen. Knapp die Hälfte der Befragten würde maximal zwei Interviews akzeptieren, während nur ein kleiner Anteil bereit wäre, mehr als vier Gespräche zu führen.

Die größte Kritik richtet sich dabei gegen die fehlende Klarheit in den Prozessen. 34 Prozent der Teilnehmenden bemängeln unklare Stellenbeschreibungen, während 32 Prozent unzureichende Kommunikation seitens der Unternehmen anprangern. Auch die Erwartungen an Gehalt und Sozialleistungen klaffen oft auseinander, was für 35 Prozent der Befragten ein Hauptproblem darstellt.

Wie entstehen Ghost Jobs?

Ein alarmierender Aspekt der Studie ist der hohe Anteil an Bewerber:innen, die von Ghosting berichten. Im DACH-Raum gaben 65 Prozent an, während eines laufenden Bewerbungsverfahrens plötzlich keine Rückmeldung mehr erhalten zu haben. Diese Erfahrung betrifft sowohl Absagen als auch ausstehende Zwischenmeldungen, die für Bewerber:innen besonders wertvoll sind. Doch wie entstehen solche Ghost Jobs überhaupt? Jon Stross, Präsident und Mitgründer der Hiring-Software Greenhouse, nennt einige Gründe:

Zum einen kann es vorkommen, dass Personalvermittler:innen bei hohen Bewerbungsaufkommen den Überblick verlieren, was dazu führen kann, dass eine Anzeige trotz besetzter Position online bleibt. Ein weiterer häufiger Grund liegt aufseiten der Unternehmen selbst: Offene Stellen werden ausgeschrieben, aber der Einstellungsprozess wird aufgrund wirtschaftlicher Unsicherheiten gestoppt. Die Anzeige bleibt jedoch weiterhin online, um keine negativen Signale an den Markt zu senden. Manche Unternehmen veröffentlichen Stellenanzeigen auch, um regulatorische Anforderungen zu erfüllen, die eine öffentliche Ausschreibung vorschreiben – selbst wenn diese bereits intern besetzt wurde oder gar keine unmittelbare Einstellungsabsicht besteht.


Job-Ghosting:

Aus diesen Gründen wird man beim Bewerbungsprozess häufig im Dunkeln gelassen

Ghost Jobs: Aus diesen Gründen wird man beim Bewerbungsprozess häufig im Dunkeln gelassen
© Matt Hoffman – Unsplash


Außerdem seien häufig mehrere Personalvermittler:innen involviert, was dazu führen kann, dass eine Stellenanzeige weiterhin als vakant erscheint, obwohl die Position bereits besetzt ist. Häufig liegt dies auch daran, dass eine beauftragte Agentur das Duplikat der Anzeige nicht aus dem Netz genommen hat.

Ghosting statt gegenseitige Kommunikation im Bewerbungsprozess

Bei einer Bewerbung auf einen vermeintlichen Ghost Job bekommen Bewerber:innen häufig auch gar keine Antworten von den Unternehmen, dabei ist eine gute Kommunikation das A und O in einem erfolgreichen Einstellungsprozess. Das spiegelt sich auch in der Studie wider: 37 Prozent der Befragten erwarten ein erstes Feedback innerhalb von zwei Wochen nach ihrer Bewerbung, weitere 25 Prozent innerhalb eines Monats. Doch viele Unternehmen bleiben hinter diesen Erwartungen zurück. Während Arbeitgeber:innen in den USA Fortschritte gemacht haben (dort sank die Rate des Ghostings um 22 Prozent im Vergleich zum Vorjahr) bleibt die Situation im DACH-Raum unverändert.

Ghost Jobs stehen daher häufig für unzureichend strukturierte Recruiting-Prozesse und eine mangelnde Anpassung an moderne Anforderungen. Veraltete Systeme und eine Überlastung von Personalverantwortlichen tragen dazu bei, dass Stellenanzeigen weiterhin sichtbar bleiben, obwohl die Position längst besetzt ist oder gar nicht mehr benötigt wird. Dies führt zu einem falschen Signal auf dem Arbeitsmarkt und frustriert potenzielle Talente, die auf solche Ausschreibungen reagieren.

Wie können Unternehmen Ghost Jobs vermeiden?

Die Auswirkungen dieses Phänomen, sowohl auf die Bewerber:innen als auch auf die Unternehmen selbst, sollten allerdings nicht unterschätzt werden. Für Kandidat:innen bedeuten Ghost Jobs eine immense Zeitverschwendung. Sie investieren Energie in Bewerbungen auf nicht existierende Positionen, nur um schlussendlich geghostet zu werden. Für Unternehmen bergen Ghost Jobs daher erhebliche Risiken. Sie untergraben das Vertrauen potenzieller Talente und schädigen die Arbeitgeber:innenmarke nachhaltig, sagt auch Jon Stross:

Wenn Stellenanzeigen online bleiben, obwohl die Positionen längst besetzt sind oder nie ernsthaft besetzt werden sollten, leidet die Glaubwürdigkeit des Unternehmens. Denn es besteht das Risiko, dass das Unternehmen auf Plattformen wie Kununu negative Bewertungen erhält, ganz zu schweigen von kritischen Posts auf Social Media, was potenzielle Talente abschreckt. Auch intern kann dies die Moral der Belegschaft beeinträchtigen. Wenn Mitarbeitende den Eindruck gewinnen, dass Stellen nur zum Schein ausgeschrieben werden oder offene Positionen nicht ernsthaft besetzt werden, könnte dies Zweifel an der Stabilität und strategischen Ausrichtung des Unternehmens schüren. Das wiederum könnte die Mitarbeiterbindung schwächen und zu einer höheren Fluktuation führen.

Ein positiver Befund der Studie zeigt jedoch, dass Bewerber:innen nicht nur an positiven Rückmeldungen interessiert sind. 68 Prozent der Teilnehmenden geben an, dass konstruktive Kritik, selbst im Falle einer Absage, ihre Motivation steigern würde, sich zu einem späteren Zeitpunkt erneut bei dem Unternehmen zu bewerben. Diese Einsicht unterstreicht die Bedeutung transparenter und wertschätzender Kommunikation.

Transparenz und Struktur sind daher grundlegend, um Ghost Jobs zu vermeiden und Vertrauen aufzubauen. Stross empfiehlt das Konzept des Structured Hiring: Von der Bedarfsanalyse über die Definition klarer Rollen bis hin zur regelmäßigen Überprüfung aktiver Stellenanzeigen sollten Unternehmen ihre Prozesse sorgfältig organisieren. Automatisierte Tools können hierbei unterstützen, indem sie veraltete Anzeigen identifizieren und entfernen. Zusätzlich sollte die Kommunikation intern und extern optimiert werden. Klare Zuständigkeiten und regelmäßige Updates im Recruiting-Team sind essenziell. Nach außen hin gilt es, Bewerber:innen proaktiv über Verzögerungen oder Änderungen im Einstellungsprozess zu informieren. „Diese Offenheit stärkt das Vertrauen und hilft, die Arbeitgebermarke langfristig zu festigen“, betont Stross.


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