Dein wichtigster Touchpoint zur Digitalbranche.
Dein wichtigster Touchpoint zur Digitalbranche.
Digitalpolitik
Virale Videos und Datenschutzplan: So wehrt sich TikTok gegen ein US-Verbot

Virale Videos und Datenschutzplan: So wehrt sich TikTok gegen ein US-Verbot

Niklas Lewanczik | 27.03.23

Nach der Aussage des TikTok CEO vor dem US-Kongress spitzt sich die Diskussion um die Legitimität der App in den USA zu. Inzwischen setzt das Unternehmen auf einen 4-Punkte-Plan und die über 150 Millionen US User als Fürsprecher:innen, um ein Verbot abzuwenden. US-Politikerin Alexandria Ocasio-Cortez ging mit einem Video, in dem sie sich ebenfalls gegen ein Verbot ausspricht, viral.

Wird es für TikTok in den USA tatsächlich bald ein Verbot geben? Trotz der scharfen Kritik, der anhaltenden Datenschutzbedenken, diversen Verboten auf Dienstgeräten bei der BBC und verschiedenen Regierungen sowie der unerbittlichen Befragung von CEO Shou Zi Chew im US-Kongress erscheint das Komplettverbot derzeit noch abwegig – zu viele Probleme könnte das, ironischerweise auf politischer Ebene, mit sich bringen. Während die Diskussion um die App in den USA und Europa immer größere Ausmaße annimmt, setzt TikTok sehr viel daran, Datenschutzbedenken zu zerstreuen und die Relevanz der App, auch für US-Unternehmen, hervorzuheben. Unterstützung erhält die Entertainment-Plattform von der demokratischen Politikerin Alexandria Ocasio-Cortez sowie der TikTok Community.

150 Millionen monatlich aktive User in den USA – TikTok betont die Relevanz der eigenen App

TikTok könnte in den Vereinigten Staaten verboten oder verkauft werden, und darf von Mitgliedern verschiedener Regierungen und Medienhäuser (darunter die BBC) nicht mehr auf Diensthandys genutzt werden. Die Verbote für die Dienstgeräte stützen sich auf große Datenschutzbedenken – viele US-Politiker:innen, aber auch andere Beobachter:innen der App gehen davon aus, dass TikToks Mutterunternehmen ByteDance Daten an die chinesische Regierung weitergeben könnte. In diesem Kontext hat sogar das FBI vor der Nutzung der App gewarnt. Allerdings gibt es dafür keine Beweise und TikTok CEO Shou Zi Chew hat dieses Vorgehen mehrfach dementiert. Doch einen Zugriff auf US-User-Daten (und auch auf User-Daten aus der EU) hat es in China gegeben.

Das Unternehmen plant jedoch, die europäischen User-Daten künftig in Irland und Norwegen zu speichern. Und die US-User-Daten sollen dank des Project Texas einzig in den USA gespeichert, eingesehen und verwaltet werden. Letzteres Versprechen ist Teil eines 4-Punkte-Plans, den Shou Zi Chew auf TikTok vorstellt, um die Sicherheit der App auch in den USA zu betonen. Die vier Punkte, die er aufführt, sind:

  1. Sicherheit, besonders für Teenager, bleibt eine Priorität auf TikTok
  2. Die App schützt die Daten (weiterhin) vor unautorisiertem Zugriff aus Drittländern
  3. TikTok soll weiterhin freie Meinungsäußerung fördern und von keiner Regierung manipuliert werden dürfen
  4. Die App verspricht Transparenz und die Prüfung durch Third-Party-Beobachter:innen
@tiktok

Our CEO Shou shares his thoughts about the recent congressional hearing and everything TikTok is doing to make it a safe place to connect, create, share and learn.

♬ original sound – TikTok

Eingangs betont der CEO, dass in den USA monatlich 150 Millionen Menschen aktiv auf die App zugreifen. Das hatte er bereits in einem Clip erwähnt, der vor der Anhörung im US-Kongress veröffentlicht wurde. Darin sagt er:

That’s almost half of the US coming to TikTok to to connect, to create, to share, to learn or just to have some fun.

Des Weiteren erwähnt er, dass rund fünf Millionen US-Unternehmen auf TikTok als Plattform für ihren Erfolg bauen, während das Unternehmen selbst etwa 7.000 Beschäftigte in den USA hat. Seine Videos haben jeweils weit über 20 Millionen Views.

@tiktok

Our CEO, Shou Chew, shares a special message on behalf of the entire TikTok team to thank our community of 150 million Americans ahead of his congressional hearing later this week.

♬ original sound – TikTok

Virales Video gegen Verbot

Shou Zi Chew ist nicht der einzige, der sich klar gegen ein Verbot ausspricht und die Relevanz der Plattform in den Mittelpunkt stellt. Auch die Politikerin Alexandria Ocasio-Cortez sagt auf TikTok, dass ein Verbot der App wenig Sinn ergebe. Vielmehr müssten die US User grundsätzlich im Digitalraum vor dem massiven Zugriff auf ihre Daten geschützt werden. Wie Axios berichtet, ist ihr Clip binnen kurzer Zeit viral gegangen. Inzwischen hat das Video über 3,4 Millionen Views (Stand 27. März 2023).

@aocinthehouse

Some thoughts on TikTok…

♬ original sound – aocinthehouse

Verschiedene Politiker:innen und Unternehmer:innen sprechen sich für TikTok aus, weil sie die Plattform als Kommunikationskanal zum Erreichen ihrer Zielgruppen für essentiell halten; so auch Coventry MP Zarah Sultana aus Großbritannien, wie sie der BBC mitteilte. Viele Kleinunternehmenr:innen, die über die Plattform ihr Geld verdienen, würden ein Verbot ebenso kritisch sehen. Solche lässt TikTok in einer neuen Minidokumentationsreihe namens TikTok Sparks Good auch zu Wort kommen, um den Negatvischlagzeilen entgegenzuwirken. Dabei werden in je 60 Sekunden Unternehmen und Creator vorgestellt, die über TikTok Communities gegründet und damit auch wirtschaftlich Erfolg haben. Unter dem Hashtag #tiktokimpact oder auf dem dedizierten TikTok Impact Account finden sich diverse Videos aus dieser Reihe.

@tiktokimpact @callofthewyld – Jackson, WY #tiktokimpact #smallbusiness #jacksonwy #wyoming #callofthewyld #jacksonhole #dogmushing #womanownedbusiness #youngentrepreneur ♬ In the Bosom – Sweet After Tears

Darüber hinaus berichtet das Wall Street Journal auch über Creator, die Angst vor einem TikTok-Verbot in den USA haben. Sie fürchten um ihre Reichweite und Umsätze und überlegen sich bereits Alternativen. Plattformen wie YouTube, Instagram und Snapchat – wohlgemerkt allesamt in US-amerikanischer Hand – würden deutlich davon profitieren.

„Damage Control Mode“ bei TikTok

Damit es nicht so weit kommt, dass TikTok verboten wird und im Kontext der Diskussion um ein Verbot nicht an Umsatz einbüßt, hat TikTok diverse Maßnahmen ergriffen. Laut The Information ist das Unternehmen im „Damage Control Mode“ und hat Advertiser per Mail informiert, um über falsche Behauptungen und die eigenen Pläne zur Gewährleistung der Datensicherheit zu informieren. Im Vorwege war es bereits zu Warnung einiger Creator und Brands vor neuen Deals mit und auf TikTok gekommen, wie der Publisher angibt.

In den USA baut das Unternehmen nicht nur mit der Präsenz des CEO in Videos, vor dem Kongress und der Business-Dokumentation auf die Unterstützung der Community und Digitalgesellschaft. Auch Werbung an öffentlichen Plätzen (und im Digitalraum), in der es etwa heißt: „TikTok is committed to protecting user data“ ist vielerorts zu sehen.

Hinsichtlich der Werbeeinnahmen läuft es derweil aber noch sehr gut für die App. Laut einer aktuellen WARC-Prognose wird ByteDance dieses Jahr über TikTok knapp 15,2 Milliarden US-Dollar mit Ads einnehmen. Das sind 53 Prozent mehr als im Vorjahr. Auch das Wachstum der Plattform bleibt angesichts immer neuer User nicht aus.

Noch nimmt das etwaige Verbot keine Form an

Ausgerechnet im politischen Kontext könnte ein mögliches Verbot von TikTok in den USA an seine Grenzen stoßen. Denn gerade weil so viele US-Amerikaner:innen die App nutzen, nicht zuletzt, um damit Geld zu verdienen, würden viele ein Verbot wahrscheinlich äußerst kritisch betrachten. Zumal es keine belastbaren Hinweise darauf gibt, dass die App tatsächlich für Zwecke der Informationsweitergabe an die chinesische Regierung genutzt wird. Auf Daten aus dem Ausland zuzugreifen ist indes in den USA bei den Tech-Firmen gang und gäbe; und sogar der Zugriff durch US-Geheimdienste ist grundsätzlich immer möglich.

Bei der tagesschau berichtet Claudia Sarre aus dem ARD-Studio in Washington, D.C., dass sie ein Verbot für „unwahrscheinlich“ hält:

Dass es in den USA aber tatsächlich zu einem Komplettverbot von TikTok kommt, ist eher unwahrscheinlich. Die US-Regierung und die Demokraten wollen nicht riskieren, ihre jungen Wähler zu verprellen. Auf ihre Stimmen könnten sie bei den nächsten Präsidentschaftswahlen angewiesen sein.

Trotz aller PR-Arbeit TikToks bleiben jedoch diverse Bedenken gegenüber der App bestehen. So hat diese beispielsweise eine Reihe von Wörtern aktiv unterdrückt, liefert in der Suche oftmals kritische Fehlinformationen und hat auch in Ads Falschinformationen geduldet. Auch wenn es nicht zu einem Verbot kommt, wird die App weiterhin in der Kritik stehen. Dass aber, sofern TikTok alle US-User-Daten in den USA speichert und verwaltet, ein Verkauf – wie ihn schon Ex-US-Präsident Donald Trump 2020 erzwingen wollte – notwendig wird, wirkt derzeit eher wie eine Drohung und nicht wie eine Eventualität.


TikTok: Verkauf oder Verbot in den USA

– PR-Kampagne soll gegensteuern

© Jonathan Kemper - Unsplash, TikTok-Logo in Halle
© Jonathan Kemper – Unsplash

Kommentare aus der Community

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

*
*