Human Resources
Zwischen Stabilität und Sprungbrett: Mehr als die Hälfte der Arbeitnehmenden wechselt in eine neue Berufsgruppe

Zwischen Stabilität und Sprungbrett: Mehr als die Hälfte der Arbeitnehmenden wechselt in eine neue Berufsgruppe

Marié Detlefsen | 22.09.25

In Deutschland führt jeder zweite Jobwechsel in eine neue Berufsgruppe. Eine aktuelle Analyse zeigt: Während einige Branchen von hoher Stabilität geprägt sind, öffnen sich andere für Quereinsteiger:innen.

Mehr Gehalt, spannendere Aufgaben oder einfach mal was Neues ausprobieren. Wer seinen Job wechselt, bewegt nicht nur das eigene Leben, sondern verändert auch den Arbeitsmarkt. Ein aktueller Blick auf über eine Million anonymisierte Lebensläufe von Indeed-Nutzer:innen zeigt, wie häufig Arbeitnehmer:innen nicht nur den Arbeitsplatz, sondern gleich die ganze Berufsgruppe hinter sich lassen und welche Folgen dies für Fachkräftemangel, Produktivität und Qualifikationsbedarf mit sich bringt.

Wer wechselt besonders häufig die Berufsgruppe – und wer bleibt lieber?

Die Analyse macht deutlich: Monatlich verabschiedet sich im Durchschnitt eine von fünfzig Personen von ihrer bisherigen Stelle. Damit liegt die Wechselrate bei knapp zwei Prozent. Überraschend hoch ist dabei der Anteil derer, die diesen Schritt nutzen, um in eine neue Berufsgruppe einzutreten: 58 Prozent aller Jobwechsel sind mit einem Feldwechsel verbunden.

Die größten Bewegungen gibt es in klassischen Bürojobs. Im Personalwesen liegt die monatliche Wechselrate bei 2,9 Prozent, im Kund:innenservice sowie in den Daten- und Analyseberufen bei jeweils 2,6 Prozent – alles deutlich über dem Durchschnittswert von 1,9 Prozent.

Ganz anders sieht es in spezialisierten oder hochregulierten Bereichen aus. In Berufsfeldern mit hohen fachlichen Eintrittsbarrieren gibt es daher weniger Wechsel. In der Medizintechnik und Zahnmedizin liegt die Wechselrate bei nur 1,2 Prozent, im Chemieingenieurswesen sogar nur bei einem Prozent.

Quereinstieg: Manche Branchen offen, andere verschlossen

Noch spannender wird es beim Blick auf die Eintrittsrate. Dabei handelt es sich um den Anteil der Neueinsteiger:innen, die aus einer ganz anderen Berufsgruppe kommen. Besonders verschlossen zeigt sich laut Analyse die Zahnmedizin: Hier beträgt der Quereinstiegsanteil lediglich 18,6 Prozent. Auch in der Pflege liegt der Wert mit 21,5 Prozent auffällig niedrig. In verwandten Bereichen wie Pharmazie und Kinderbetreuung kommen jeweils nur 23,7 Prozent der Beschäftigten von außen hinzu. Kaum durchlässiger sind die Therapieberufe mit 24,4 Prozent, die Software-Entwicklung mit 25,9 Prozent und die Medizintechnik mit 26,5 Prozent. Sogar in klassischen akademischen Feldern wie Rechtswesen und Architektur bleibt die Eintrittsrate mit 29,3 Prozent unter der 30-Prozentmarke. Ein ähnliches Bild zeigt sich im Bildungs- und Erziehungswesen, wo 29,6 Prozent der Belegschaft Quereinsteiger:innen ausmachen.

Das Versicherungswesen hat die höchste Eintrittsrate und erweist sich damit besonders offen gegenüber Quereinsteiger:innen (mit einem Klick aufs Bild gelangst du zur größeren Ansicht; Die Grafik wurde anhand der Daten von Indeed mithilfe von ChatGPT erstellt)
Das Versicherungswesen hat die höchste Eintrittsrate und erweist sich damit besonders offen gegenüber Quereinsteiger:innen (mit einem Klick aufs Bild gelangst du zur größeren Ansicht; Die Grafik wurde anhand der Daten von Indeed mithilfe von ChatGPT erstellt)

Ein völlig anderes Bild zeichnet sich dagegen in stärker offenen Berufsfeldern ab. In der Logistik kommt mehr als jede:r Zweite (54,5 Prozent) aus einer anderen Berufsgruppe. Ebenso hoch ist die Durchlässigkeit im Management (52 Prozent) und im Projekt-Management (50,2 Prozent), wo Stellen oft im Rahmen von Aufstiegen besetzt werden; allerdings wirken diese Bereiche im Vergleich eher wie Karrierestufen als Berufsfelder per se. Über der 50-Prozentgrenze liegt schließlich auch das Versicherungswesen mit 51,5 Prozent, das sich damit als besonders attraktiv für Quereinsteiger:innen erweist.


Quereinstieg als Karriereoption

– 68 Prozent der Arbeitnehmer:innen sind offen für Wechsel

Quereinstieg als Karriereoption – 68 Prozent der Arbeitnehmer:innen sind offen für Wechsel
© Thisisengineering – Unsplash


Einige Berufsgruppen sind stabiler als andere

Des Weiteren zeigt die Untersuchung auch, wie unterschiedlich stabil Berufsgruppen sind, wenn es um Austritte geht. Besonders treu bleiben Beschäftigte in der Software-Entwicklung: Nur 31 Prozent wechseln in dieser Branche das Berufsfeld. Auch die Pflege (35 Prozent), Therapieberufe (36 Prozent) und Pharmazie (42 Prozent) zeigen vergleichsweise geringe Austrittsraten. Das dürfte mit der relativen Jobsicherheit gegenüber anderen Feldern – etwa der Medienbranche – zusammenhängen.

Am anderen Ende der Skala stehen Branchen wie Kunst und Kultur sowie Sozialwissenschaften: Dort kehren über 80 Prozent der Beschäftigten ihrer Berufsgruppe den Rücken, wenn sie den Arbeitsplatz wechseln. Hohe Werte gibt es auch im Sport (78 Prozent), Versicherungswesen und in der Sozialarbeit (jeweils 76 Prozent).

Berufsgruppenwechsel in einigen Branchen kritisch

Laut Indeed-Ökonomin Dr. Virginia Sondergeld sind diese Bewegungen zweischneidig. Auf der einen Seite kann hohe Mobilität dafür sorgen, dass Fähigkeiten besser genutzt und sich Arbeitskräfte dorthin orientieren, wo sie gebraucht werden.

Ob ein Berufsfeld eine hohe Jobmobilität aufweist und offen für Quereinstiege ist oder nicht, ist zunächst weder pauschal gut noch schlecht. Hohe Durchlässigkeit kann dazu beitragen, dass Menschen dort arbeiten, wo ihre Interessen und Fähigkeiten am besten zum Einsatz kommen, und so die gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivität steigern. Dies ist besonders relevant in der aktuellen Debatte darüber, ob in Deutschland zu wenig gearbeitet wird. 

Auf der anderen Seite zeigen gerade Berufe mit hoher Qualifikationshürde, wie groß die Gefahr des Fachkräftemangels ist. Besonders in der Pflege, wo der Anteil an Quereinsteiger:innen gering bleibt, droht der Mangel an Arbeitskräften durch den demographischen Wandel weiter zuzunehmen. Sondergeld betont daher: Ein gesunder Arbeitsmarkt braucht sowohl Bewegung als auch Stabilität. Nur wenn Weiterbildungen, Umschulungen und Anerkennungsverfahren schneller und leichter möglich werden, lassen sich Lücken in den kritischen Berufen schließen.


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