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Wenn Erfolg sich wie Betrug anfühlt: 70 Prozent der Beschäftigten leiden am Impostor-Syndrom

Wenn Erfolg sich wie Betrug anfühlt: 70 Prozent der Beschäftigten leiden am Impostor-Syndrom

Marié Detlefsen | 20.02.25

Viele erfolgreiche Menschen zweifeln an sich selbst und glauben, ihre Erfolge nicht verdient zu haben. Das sogenannte Impostor-Syndrom sorgt für Unsicherheit, Stress und kann die Karriereentwicklung stark beeinflussen. Erfahre, was genau es damit auf sich hat.

„Ja, das war keine große Sache“ oder „ich habe die Beförderung nur durch Glück bekommen“ – Wer sich bei solchen Gedanken ertappt, leidet womöglich unter dem Impostor-Syndrom. Was zuerst nach einer Krankheit klingt, ist tatsächlich ein Phänomen, welches häufig am Arbeitsplatz auftritt. So haben viele erfolgreiche Menschen insgeheim das Gefühl, ihre Erfolge nicht verdient zu haben. Sie glauben, nur durch Zufall oder äußere Umstände an ihre Position gekommen zu sein. Dieses Phänomen wird als Impostor-Syndrom bezeichnet und betrifft viele Menschen, unabhängig von Geschlecht, Beruf oder Karrierelevel. Was sich genau hinter dem Syndrom verbirgt, wer darunter leidet und wie Betroffene es überwinden können.

Was ist das Impostor-Syndrom?

Das Impostor-Syndrom, auch als Hochstapler:innen-Syndrom bekannt, beschreibt ein psychologisches Muster, bei dem Menschen ihre eigenen Erfolge kleinreden und sich als Betrüger:innen fühlen. Sie sind überzeugt, dass sie ihre Position oder Anerkennung nicht verdient haben und jederzeit entlarvt werden könnten.

Die Psychologinnen Pauline Clance und Suzanne Imes prägten den Begriff 1978, nachdem sie beobachtet hatten, dass besonders viele erfolgreiche Frauen an solchen Selbstzweifeln litten. Inzwischen ist bekannt, dass das Impostor-Syndrom nicht nur Frauen betrifft, sondern Menschen aller Geschlechter. Studien zeigen, dass bis zu 70 Prozent der Menschen irgendwann in ihrem Leben diese Selbstzweifel erleben.

Menschen mit Impostor-Syndrom denken oft: „Ich habe meinen Job nur durch Glück bekommen; Irgendwann werden alle merken, dass ich nichts kann; Ich bin eigentlich nicht so gut, wie andere glauben.“ Doch diese Gedanken können dazu führen, dass Betroffene sich ständig unter Druck setzen oder sich sogar vor neuen Herausforderungen scheuen.

Ursachen des Impostor-Syndroms

Psychologische Forschung legt nahe, dass das Impostor-Syndrom oft schon in der Kindheit entsteht. Wer wenig Anerkennung erfahren hat oder häufig kritisiert wurde, entwickelt häufiger Selbstzweifel. Aber auch das Gegenteil kann problematisch sein: Wer als Kind ständig gelobt wurde und nie lernen musste, mit Misserfolgen umzugehen, kann später Schwierigkeiten haben, die eigene Kompetenz realistisch einzuschätzen.

Auch gesellschaftliche und berufliche Faktoren spielen eine Rolle. Besonders in leistungsorientierten Branchen, in denen Erfolg schwer messbar ist, wie Kunst oder Wissenschaft, sind Selbstzweifel weit verbreitet. Ständiger Vergleich mit anderen, etwa durch soziale Medien, verstärkt das Gefühl, nicht gut genug zu sein.

Eine Studie der Universität Utah zeigt, dass Menschen, die in MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) tätig sind oder in Führungspositionen arbeiten, häufiger unter dem Imposter-Syndrom leiden. Die Untersuchung ergab, dass 68 Prozent der Frauen in MINT-Berufen von Selbstzweifeln geplagt sind. In männerdominierten Branchen müssen Frauen oft zusätzlich gegen Vorurteile und stereotype Erwartungen kämpfen. Sie haben das Gefühl, sich ständig beweisen zu müssen, was den Druck erhöht. Laut einer KPMG-Studie aus dem Jahr 2020 gaben außerdem 75 Prozent der befragten weiblichen Führungskräfte an, dass sie in ihrer Karriere das Impostor-Syndrom erlebt haben.

Auswirkungen auf den Berufsalltag

Das Impostor-Syndrom kann schwerwiegende Folgen für das eigene Berufsleben haben. Drei typische Auswirkungen sind:

1. Prokrastination: Aus Angst vor dem Scheitern schieben Betroffene wichtige Aufgaben auf oder erledigen sie erst in letzter Minute. Sie zweifeln an ihren Fähigkeiten und vermeiden Herausforderungen.

2. Perfektionismus: Viele versuchen, durch akribische Arbeit Fehler zu vermeiden, weil sie glauben, jeder kleinste Makel könnte sie als Hochstapler:in entlarven. Dies kann zu übermäßigem Stress führen.

3. Überarbeitung: Ein weiteres Muster ist das übermäßige Arbeiten. Betroffene fühlen sich gezwungen, mehr zu leisten als andere, um zu beweisen, dass sie ihre Position verdient haben. Dies kann langfristig zu Burn-out führen.

Wie Beschäftigte das Impostor-Syndrom verhindern können

Das Impostor-Syndrom kann somit nicht nur die individuelle Karriereentwicklung hemmen, sondern auch die mentale Gesundheit belasten. Doch es gibt wirksame Strategien, um den Selbstzweifeln entgegenzuwirken und ein gesundes Selbstbewusstsein zu entwickeln. Im Folgenden haben wir vier mögliche Wege formuliert, wie betroffene Arbeitnehmende sich dagegen wehren können:

  1. Eigene Erfolge bewusst wahrnehmen
    Erfolge sind kein Zufall – sie basieren auf harter Arbeit, Kompetenz und Ausdauer. Beschäftigte sollten sich regelmäßig bewusst machen, welche Fähigkeiten und Leistungen sie bereits erbracht haben. Ein Erfolgstagebuch kann helfen, kleine und große Errungenschaften festzuhalten und sich so ein realistischeres Bild der eigenen Fähigkeiten zu machen.
  2. Realistische Erwartungen setzen
    Perfektionismus ist ein:e häufige:r Begleiter:in des Impostor-Syndroms. Doch niemand muss in allem fehlerfrei sein. Es hilft, sich erreichbare Ziele zu setzen und zu akzeptieren, dass Fehler ein natürlicher Teil des Lernprozesses sind. Wer sich selbst zugesteht, auch mal zu scheitern, baut langfristig mehr Selbstvertrauen auf.
  3. Offene Gespräche suchen
    Der Austausch mit Kolleg:innen, Mentor:innen oder Freund:innen kann helfen, verzerrte Selbstbilder zu korrigieren. Oft zeigt sich im Gespräch, dass auch andere ähnliche Zweifel erleben. Ein unterstützendes Netzwerk kann Betroffenen dabei helfen, sich nicht isoliert mit ihren Gedanken zu fühlen und mehr Vertrauen in ihre Fähigkeiten zu gewinnen.
  4. Selbstabwertung stoppen
    Sich selbst kleinzureden, verstärkt das Gefühl, nicht gut genug zu sein. Beschäftigte sollten darauf achten, negative Selbstgespräche bewusst zu hinterfragen und durch eine realistischere, wertschätzendere Sichtweise zu ersetzen. Statt zu denken: „Ich habe Glück gehabt, dass ich diese Stelle bekommen habe“, könnte die innere Stimme sagen: „Ich wurde für diese Position ausgewählt, weil ich qualifiziert bin.“

Durch bewusste Selbstreflexion, den Austausch mit anderen und einen realistischen Blick auf die eigenen Fähigkeiten können Beschäftigte dem Impostor-Syndrom aktiv entgegenwirken und langfristig ein gesünderes Selbstvertrauen entwickeln. Denn das Impostor-Syndrom ist kein Zeichen von Unfähigkeit, sondern ein verbreitetes Phänomen, das viele erfolgreiche Menschen betrifft. Wer lernt, seine Erfolge anzuerkennen und Selbstzweifel zu hinterfragen, kann langfristig mehr Selbstvertrauen aufbauen und sich von dem ständigen Gefühl als Hochstapler:in befreien. Auch Kolleg:innen können aktiv die Betroffenen unterstützen. Zudem können Feedbackgespräche-Gespräche mit Vorgesetzten und Kolleg:innen dabei helfen, eine neutralere Sichtweise auf die eigenen Fähigkeiten und Leistungen zu erhalten.


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© Yan Krukau – Pexels

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