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Jobwechsel? Nein, danke! Nur jede:r Zweite ist aktuell wechselbereit

Jobwechsel? Nein, danke! Nur jede:r Zweite ist aktuell wechselbereit

Marié Detlefsen | 21.01.25

Immer weniger Arbeitnehmer:innen in Deutschland denken über einen Jobwechsel nach. Sicherheit und Stabilität sind wichtiger denn je, doch Unternehmen stehen vor der Herausforderung, attraktive Bedingungen zu schaffen, um Mitarbeiter:innen langfristig zu binden.

Das neue Jahr wird traditionell oft mit Veränderung und Neubeginn assoziiert – sei es im Privatleben oder im Berufsalltag. Doch eine aktuelle Umfrage des Jobportals Indeed zeigt, dass der Drang zu beruflichen Veränderungen in Deutschland stark nachgelassen hat. Nur noch 55 Prozent der Arbeitnehmer:innen sind wechselbereit, ein Rückgang um sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Besonders auffällig: Jede:r Fünfte verharrt trotz Unzufriedenheit im aktuellen Job. Doch was sind die Gründe für diese Entwicklung, und wie können Unternehmen auf die Wechselbereitschaft reagieren? Wir stellen dir die Erkenntnisse vor.

Sicherheit als oberste Priorität

Die Unsicherheiten in der Wirtschaft, beispielsweise durch Stellenabbau in der Automobilindustrie und anderen Sektoren, haben bei vielen Arbeitnehmer:innen zu einem ausgeprägten Bedürfnis nach Stabilität geführt. Auch die nationale Unsicherheit bezüglich der Weiterentwicklung der Wirtschaft – die zuletzt schwache Wachstumsprognosen zeigte – im politischen Kontext und geopolitische Unruhen könnten zu dieser Entwicklung beitragen. Wie Frank Hensgens, Geschäftsführer von Indeed DACH, erklärt, bevorzugen viele Menschen die Vertrautheit ihres aktuellen Jobs, selbst wenn sie unzufrieden sind, anstatt das Risiko eines Jobwechsels einzugehen.

Ein zentraler Faktor dabei ist die Angst vor Verschlechterungen: 44 Prozent der Befragten geben an, wegen der Jobsicherheit zu bleiben. Zusätzlich fühlen sich 25 Prozent durch die finanzielle Stabilität ihres Arbeitsplatzes gebunden. Ebenso viele Befragte fürchten, dass sich ihre Situation bei einem Wechsel verschlechtern könnte. Ein weiterer Grund: 31 Prozent möchten ihre Kolleg:innen oder das Unternehmen nicht im Stich lassen. Gleichzeitig hoffen 38 Prozent, dass sich die Umstände in ihrem aktuellen Job verbessern werden.

Wechselbereitschaft im Einzelhandel am größten

In einigen Branchen ist die Wechselbereitschaft trotz wirtschaftlicher Unsicherheiten auffallend hoch. Besonders betroffen sind Sektoren wie Bildung, Bauwirtschaft und Handwerk, die ohnehin schon stark unter Personalmangel leiden. Im Bildungsbereich zeigen sich 41 Prozent der Beschäftigten wechselwillig, während jede:r Vierte aktiv nach einer neuen Stelle sucht. In der Bauwirtschaft und im Handwerk denken sogar zwei Drittel der Befragten über einen Wechsel nach, wobei zwölf Prozent diesen aktiv anstreben. Auch im Handel ist der Wechselwille mit 61 Prozent hoch.

Diese Entwicklung zeigte sich bereits im Gallup Engagement Index von 2023: Während der Anteil der Mitarbeitenden mit hoher emotionaler Bindung in den Jahren 2020 und 2021 mit jeweils 17 Prozent ein Rekordhoch erreichte, erlebten jüngst nur noch 13 Prozent der Befragten ein durch Führung positiv geprägtes Arbeitsumfeld, das in einer hohen emotionalen Bindung resultiert. So niedrig war der Wert zuletzt vor 13 Jahren. Der Großteil der Angestellten (69 Prozent) weist eine geringe Bindung ans Unternehmen auf und 18 Prozent sogar gar keine. Daneben ist auch die Anzahl an Beschäftigten gestiegen, die bereits innerlich gekündigt haben. 2021 waren es nur 14 Prozent. Der Wert ist mittlerweile auf 18 Prozent gestiegen.

Die emotionale Bindung von Beschäftigten von 2001 bis 2022 (mit einem Klick aufs Bild gelangst du zur größeren Ansicht), ©GALLUP

Personalmangel und schlechtes Gehalt begünstigen die Wechselbereitschaft

Die größten Motivationsfaktoren für einen Jobwechsel bleiben vor allem finanzielle Aspekte und der Wunsch nach mehr Flexibilität. 51 Prozent der von Indeed Befragten hoffen auf ein besseres Gehalt, während 50 Prozent mehr Flexibilität anstreben. Auch die Aussicht auf einen Karriereschritt spielt mit 46 Prozent eine große Rolle. Interessanterweise verschieben sich die Prioritäten bei denjenigen, die aktiv nach einem neuen Job suchen: Bei diesen stehen Flexibilität und Entwicklungschancen vor finanziellen Vorteilen. Hensgens sagt hierzu:

Angestellte schätzen zwar die finanzielle Sicherheit ihrer Stelle, würden sie für ein besseres Gehalt und mehr Flexibilität trotzdem verlassen. Es ist jedoch fraglich, ob der Arbeitsmarkt ihnen in der aktuellen wirtschaftlichen Verfassung ein derartiges Angebot machen kann. Gut möglich, dass Arbeitnehmende künftig Abstriche machen müssen.

Ein weiterer Aspekt, der die Wechselbereitschaft beeinflusst, ist die steigende Arbeitsbelastung durch Personalmangel. Zwei Drittel derjenigen, die von starkem Personalmangel berichten, denken über einen Jobwechsel nach, und mehr als jede:r Dritte will aktiv nach neuen Optionen suchen. Dies könnte einen Teufelskreis auslösen: Der Abgang von Mitarbeitenden erhöht die Belastung für das verbleibende Team, was wiederum deren Wechselwillen steigert.


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© Nastuh Abootalebi – Unsplash


Mit Investitionen und attraktiven Arbeitsbedingungen gegen die Wechselbereitschaft der Angestellten

Um diesem Abwärtstrend entgegenzuwirken, sollten Unternehmen proaktiv handeln und in ihr Personal investieren, anstatt aus Sparzwang weitere Einschnitte vorzunehmen. Folgende Maßnahmen können helfen, die Zufriedenheit und Loyalität der Mitarbeiter:innen zu stärken:

  1. Sicherheit vermitteln: Transparente Kommunikation zu Unternehmensentscheidungen und Zukunftsperspektiven hilft, Unsicherheiten abzubauen.
  2. Attraktive Arbeitsbedingungen schaffen: Flexible Arbeitsmodelle und individuelle Entwicklungsmöglichkeiten können Anreize schaffen, im Unternehmen zu bleiben.
  3. Wertschätzung zeigen: Regelmäßige Anerkennung der Leistungen und offene Gespräche über Bedürfnisse und Sorgen der Mitarbeitenden tragen zu einem positiven Betriebsklima bei.
  4. Gezielte Investitionen: Zusätzliche Ressourcen können helfen, die Arbeitsbelastung zu senken und den Teufelskreis des Personalmangels zu durchbrechen.

Gleichgewicht zwischen Sicherheit und attraktiven Rahmenbedingungen

Die sinkende Wechselbereitschaft zeigt, dass Sicherheit und Stabilität für Arbeitnehmer:innen aktuell oberste Priorität haben. Gleichzeitig sind wirtschaftliche und berufliche Perspektiven für viele entscheidend, um langfristig zufrieden zu bleiben. Arbeitgeber:innen stehen vor der Herausforderung, in einer unsicheren Zeit ein Gleichgewicht zwischen Sicherheit und attraktiven Rahmenbedingungen zu schaffen. Wer es schafft, den Bedürfnissen der Mitarbeitenden gerecht zu werden, könnte von einer größeren Loyalität und Stabilität profitieren – und damit langfristig auch den Unternehmenserfolg sichern.

Der neue Jahresbeginn eignet sich dabei sehr gut, um ins Personal zu investieren: Laut Umfrage wollen 61 Prozent derjenigen, die mit einem Jobwechsel liebäugeln, ihn bis Mitte des Jahres vollzogen haben. Mehr als die Hälfte davon (33 Prozent) sogar innerhalb des ersten Quartals. Das ist zwar ein Problem für Arbeitgeber:innen – aber auch eine große Chance.


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