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Human Resources
Mit diesen Recruiting-Strategien erreichen Unternehmen Talente aus dem Ausland

Mit diesen Recruiting-Strategien erreichen Unternehmen Talente aus dem Ausland

Marié Detlefsen | 03.12.24

Die Suche nach internationalen Fachkräften ist für viele Unternehmen in Deutschland ein potenzieller Schlüssel, um die Fachkräftelücke zu schließen. Doch wie können HR-Abteilungen ihre Strategien anpassen, um Talente aus dem Ausland gezielt anzusprechen und langfristig zu binden? Karl Liebich, Gründer der Plattform Workeer, verrät in unserem Interview wertvolle Tipps zu Recruiting-Strategien.

Der Fachkräftemangel in Deutschland ist längst kein Zukunftsproblem mehr, sondern Realität. Im Jahr 2023 blieben rund 570.000 Stellen unbesetzt, und der Arbeitsmarkt zeigt deutlich: Ohne gezielte Recruiting-Strategien von Fachkräften aus dem Ausland wird diese Lücke weiter wachsen. Doch was müssen Unternehmen tun, um für internationale Talente attraktiv zu sein?

Um internationale Fachkräfte erfolgreich anzusprechen, müssen HR-Abteilungen die besonderen Bedürfnisse dieser Zielgruppe berücksichtigen und ihre Recruiting-Strategien entsprechend anpassen. Dabei sind drei Aspekte besonders wichtig:

  1. Zunächst suchen Fachkräfte aus dem Ausland oft an anderen Orten nach Stellenangeboten als Bewerber:innen in Deutschland. Sie nutzen verstärkt Messenger-Gruppen auf Plattformen wie WhatsApp, Facebook oder Telegram sowie spezialisierte Recruiting-Agenturen, anstatt sich auf gängigen Jobportalen wie Stepstone oder Indeed zu informieren.
  2. Auch die Gestaltung der Stellenanzeigen spielt eine entscheidende Rolle. Internationale Talente benötigen klare Angaben, etwa zu den geforderten Sprachkenntnissen in Deutsch oder Englisch, sowie Informationen darüber, ob ihre im Ausland erworbenen Qualifikationen anerkannt werden.
  3. Schließlich sollten die Bewerbungsprozesse so gestaltet sein, dass sie die Einstiegshürden senken. Eine individuelle Ansprache, zum Beispiel über Messenger-Dienste oder ein persönliches Treffen statt eines formellen virtuellen Calls, kann Sprachbarrieren und Unsicherheiten abbauen und den Bewerbungsprozess erleichtern.

Kulturelle Sensibilität und niedrigschwellige Bewerbungsprozesse als Kernpunkte für internationales Recruiting

Auch wenn die Aspekte simpel klingen, ist die Umsetzung meist gar nicht so einfach. Aus diesem Grund haben wir mit Karl Liebich gesprochen. Er ist Gründer der Plattform Workeer und kennt die Herausforderungen sowie Chancen dieses Prozesses genau. Seit 2015 bringt sein Startup internationale Fachkräfte mit Unternehmen in Deutschland zusammen und hat dabei wertvolle Erkenntnisse gesammelt: von der richtigen Ansprache auf alternativen Plattformen über niedrigschwellige Bewerbungsprozesse bis hin zur Bedeutung kultureller Sensibilität. Im Interview teilt er praxisnahe Tipps und erklärt, wie Unternehmen ihre Recruiting-Strategien an die Bedürfnisse von Talenten aus dem Ausland anpassen können – und warum das für die Zukunft des Arbeitsmarkts unerlässlich ist.

Das Interview

OnlineMarketing.de: Workeer wurde gegründet, um internationale Fachkräfte mit Unternehmen in Deutschland zu vernetzen. Welche Hauptunterschiede siehst du im Recruiting-Prozess für diese Talente im Vergleich zu nationalen Bewerbern?

Karl Liebich: Wenn man gezielt internationale Talente für sich gewinnen will, ist es wichtig, einmal seinen herkömmlichen Recruiting-Prozess zu analysieren und zu schauen, wo dieser für diese Zielgruppe angepasst werden muss. Während nationale Bewerber:innen mit dem deutschen Arbeitsmarkt, den Bewerbungsstandards und den kulturellen Erwartungen meist vertraut sind, stehen internationale Fachkräfte oft vor zusätzlichen Hürden. Dazu gehören sprachliche Barrieren, fehlendes Wissen über deutsche Bewerbungsformate oder

Unsicherheiten hinsichtlich der Anerkennung ihrer Qualifikationen. Hier spielt die persönliche Ansprache eine zentrale Rolle, da Vertrauen und Klarheit entscheidend sind.

Wie können Unternehmen ihre Recruiting-Strategien anpassen, um gezielt Fachkräfte aus dem Ausland anzusprechen? Welche Rolle spielen alternative Plattformen wie WhatsApp, Telegram oder spezielle Agenturen im Vergleich zu klassischen Jobportalen?

Neben klassischen Jobportalen sollten sie verstärkt auf Plattformen und Kanäle setzen, über die sie die Talente erreichen. Aus diesem Grund arbeiten wir bei Workeer mit über 400 Partner:innenorganisationen, wie zum, Beispiel Sprachschulen, Bildungsträgern oder Aufnahmeeinrichtungen zusammen, die im engen Austausch mit den Talenten stehen und den Kontakt zu ihnen herstellen können. Diese Partner:innenorganisationen verfügen über etablierte Kommunikationskanäle, wie Facebook Communities oder Telegram Gruppen, aber auch Event-Formate, die eine direktere und persönliche Kommunikation ermöglichen, was vor allem bei Talenten, die noch wenig mit deutschen Bewerbungsprozessen vertraut sind, Vertrauen schafft.

Auch spezielle Agenturen oder Plattformen, die auf internationale Talente spezialisiert sind, bieten Vorteile: Sie unterstützen sowohl bei der Auswahl der passenden Kandidat:innen als auch im Anerkennungs- und Coaching-Prozess. Diese Partner:innen verfügen über ein starkes Netzwerk und eine Vertrauensbasis, die Unternehmen nutzen können, um den Kontakt zu erleichtern und Hürden abzubauen.

Welche zusätzlichen Informationen sollten Unternehmen in Stellenanzeigen bereitstellen, um für internationale Talente attraktiv zu sein? Welche Rolle spielen Sprachanforderungen und die Anerkennung von Qualifikationen?

Wenn Personalabteilungen ihre Stellenanzeigen aufsetzen, hilft es, die Perspektive der Talente einzunehmen, die sie erreichen möchten. Dabei werden zwei Punkte relativ schnell deutlich: internationale Fachkräfte bringen zwar wertvolle Kompetenzen mit, allerdings ist für sie oft nicht ersichtlich, ob diese in Deutschland formell anerkannt werden. Hier ist es hilfreich anzugeben, ob für die jeweilige Position ein Nachweis über die Qualifikation erforderlich ist oder ob das Unternehmen die Bewerber:innen im Rahmen eines Anerkennungsprozesses ihrer Fähigkeiten unterstützt.

Außerdem fragen sich viele Talente, welches Sprachniveau sie für die ausgeschriebene Stelle benötigen. Anstatt nur allgemeine Angaben zu den Sprachkenntnissen zu machen, ist es besser, sie konkret zu benennen. Dabei kann man sich an dem Europäischen Referenzrahmen für Sprachen orientieren (zum Beispiel B1 in Deutsch und C1 in Englisch). Gleichzeitig sollten Unternehmen kritisch hinterfragen, ob die Anforderungen, wie zum Beispiel ein hohes Sprachniveau oder bestimmte Fachabschlüsse direkt zu Beginn notwendig sind, oder ob nicht auch berufsbegleitende Weiterqualifikationen möglich sind.


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Die Kontaktaufnahme zu Beginn eines Bewerbungsprozesses ist oft entscheidend. Wie können Unternehmen ihre Bewerbungsprozesse niedrigschwelliger gestalten, um internationale Talente oder Menschen mit Migrationshintergrund besser zu erreichen?

In jedem Fall hilft es sich in die Situation der Bewerber:innen hineinzuversetzen, ihnen entgegenzukommen und die Kontaktaufnahme niedrigschwelliger zu gestalten – insbesondere angesichts vielschichtiger Online-Formulare, spezifischer Bewerbungsstandards und langer Bearbeitungszeiten in Deutschland. Ein erstes Gespräch über WhatsApp oder einen anderen Messenger kann den Einstieg erleichtern und eine Kommunikation auf Augenhöhe fördern. Unverbindliche persönliche Treffen sind ebenfalls hilfreich, um Sprachkenntnisse besser einzuschätzen und Vertrauen aufzubauen. Diese offene Form der Bewerbung zeigt, dass hier ein Dialog statt eines rein formalen Prozesses gewünscht ist, was einladend und motivierend wirkt.

Welche Rolle spielt das Employer Branding bei der Gewinnung von internationalen Talenten? Wie können Unternehmen ihre Marke so positionieren, dass sie für Fachkräfte aus dem Ausland attraktiv wird?

Unternehmen sollten konkret zeigen, wie sie internationale Talente unterstützen, beispielsweise durch Mentoring-Programme, Sprachkurse oder Hilfe bei der Anerkennung von Qualifikationen. Dadurch können Unternehmen ein glaubwürdiges, internationales Image aufbauen und diese zum Beispiel durch Employer-Branding-Kampagnen und die Einbindung von bestehenden internationalen Mitarbeiter:innenn als Testimonials stärken. Employer Branding muss heutzutage zeigen, dass Vielfalt geschätzt und aktiv gefördert wird.

Du erwähnst, dass Unternehmen sich auch auf kulturelle Unterschiede einstellen müssen. Welche Maßnahmen können deutsche HR-Abteilungen ergreifen, um kulturelle Barrieren zu überwinden und eine inklusivere Atmosphäre im Recruiting zu schaffen?

Kulturelle Barrieren lassen sich durch Sensibilisierung und Anpassung überwinden. HR-Abteilungen können beispielsweise Schulungen anbieten, um interkulturelle Kompetenz zu fördern. Zudem sollte der Bewerbungsprozess inklusiver gestaltet werden – etwa durch die Verwendung einfacher Sprache, flexible Kommunikationskanäle und weniger formalistische Anforderungen. Dazu gehört auch die Einbindung internationaler Mitarbeiter:innen in den Recruiting-Prozess. Sie können kulturelle Unterschiede besser einordnen und Brücken zwischen Unternehmen und Bewerber:innen schlagen – sowohl beim Sichten der Bewerbungsunterlagen als auch im Bewerbungsgespräch selbst.


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© WhatsApp


Neben der Anwerbung von Fachkräften ist auch die langfristige Bindung an das Unternehmen wichtig. Was sollten Unternehmen beachten, um internationale Fachkräfte nach der Einstellung erfolgreich zu integrieren und zu halten?

Es ist vor allem wichtig, die Talente erfolgreich zu integrieren, da die deutsche Willkommenskultur nicht mehr so positiv wahrgenommen wird, wie das noch 2015 der Fall gewesen ist. Dazu gehört, dass eine inklusive Kultur im Unternehmen gelebt wird: Unternehmen sollten den internationalen Arbeitskräften Orientierung bieten, zum Beispiel durch Mentor:innenprogramme, die bei beruflichen und privaten Herausforderungen unterstützen. Auch Sprachkurse, kulturelle Schulungen und transparente Karrierewege stärken die Bindung. Teambuilding-Aktivitäten und Feedback-Schleifen können dazu beitragen, dass sich internationale Fachkräfte wertgeschätzt und als Teil des Teams fühlen.

Viele Unternehmen sind noch skeptisch, wenn es darum geht, internationale Fachkräfte einzustellen, besonders in Bezug auf Bürokratie und Formalitäten. Wie können diese Hürden abgebaut werden, und welche Unterstützung brauchen Unternehmen in diesem Prozess?

Die Bürokratie – besonders in Deutschland – wird oft als eine der größten Herausforderungen für Unternehmen gesehen, wenn es um die Einstellung internationaler Talente geht. Dabei sind die Prozesse in vielen Fällen weniger komplex, als man denkt – vor allem, wenn Unternehmen die richtigen Informationen und Unterstützung an der Hand haben. Ein gutes Beispiel sind internationale und geflüchtete Talente, die bereits in Deutschland leben. Hier ist die Einstellung oft unkomplizierter, als viele vermuten. Häufig liegt die Arbeitserlaubnis schon vor oder kann mit einem einfachen Formular bei der Ausländerbehörde schnell eingeholt werden.

Natürlich gibt es aber auch Bereiche, in denen die Prozesse noch zu langsam und umständlich sind. Besonders das Anerkennungsverfahren schreckt viele ab. Hier ist die Politik gefragt, Verantwortung zu übernehmen und diese Verfahren zu entschlacken und zu beschleunigen. Das würde nicht nur Unternehmen entlasten, sondern auch internationalen Fachkräften einen schnelleren Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglichen.


Wir bedanken uns recht herzlich für das schriftliche Interview mit Karl Liebich sowie für die spannenden Insights aus seiner Perspektive.


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© tyukov – Unsplash

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