Dein wichtigster Touchpoint zur Digitalbranche.
Dein wichtigster Touchpoint zur Digitalbranche.
Social Media Marketing
TikTok vs. Google – der Kampf ums Internet und wie Marken davon profitieren können
© Solen Feyessa, Worawee Meepian - Canva

TikTok vs. Google – der Kampf ums Internet und wie Marken davon profitieren können

Ein Gastbeitrag von Magnus Folten | 18.11.22

Immer mehr Unternehmen wie TikTok oder Google setzen aufs 9:16-Format. Es bahnt sich ein Kampf der Tech Player an, der Marken in eine komfortable Situation bringt.

Die Coronapandemie veränderte die Welt in vielen Bereichen, wahrscheinlich gravierender, als wir es aktuell merken und abschätzen können. Auffällig ist dies bereits jetzt unter anderem im digitalen Bereich, festzumachen insbesondere an der App TikTok. Diese verzeichnete nicht nur astronomische Download-Zahlen, sondern zementierte den Paradigmenwechsel hin zum 9:16-Format – und eröffnete nebenbei einen Kampf der großen Tech-Unternehmen.

Gen Z nutzt TikTok auch als Suchmaschine  

Über TikToks Hype ist mittlerweile vieles erzählt. Zuletzt erstaunten vor allem Studien, die belegen, dass immer größere Teile der Gen Z TikTok auch als Suchmaschine nutzen. Laut Prabhakar Raghavan, Senior Vice President bei Google, zeigen Untersuchungen zum Beispiel, dass 40 Prozent der Jugendlichen auf TikTok oder Instagram zurückgreifen, wenn sie nach einem Ort zum Essen suchen.

Eine Analyse des Konsumverhaltens der Gen Z erklärt dieses Phänomen: Diese sucht nach kurzgefassten, persönlichen und authentischen Tipps. Während TikTok hier Abhilfe leistet, offeriert Google oft kommerzialisierte Blogs von Marken, hinkt dem Puls der Zeit also hinterher. TikTok will das Momentum nutzen, richtet sich immer mehr für die Funktion als Suchmaschine aus. In der App beispielsweise erhalten Nutzer:innen an verschiedensten Stellen Suchvorschläge. Im US-Markt testet TikTok bereits seit Anfang des Jahres SEA-Ads. Heißt, man kann TikTok dafür bezahlen, dass Videos unter bestimmten Suchbegriffen ganz oben gelistet werden.

Googles Konter mit Shorts geht auf 

Google konnte sich TikToks Vorstoß nicht gefallen lassen – und ließ sich tatsächlich nicht lange bitten: YouTube Shorts war die direkte Antwort auf TikToks Aufstieg zur meistgenutzten App weltweit und spielt mittlerweile in derselben Liga: 1.5 Milliarden monatlich aktive User und 30 Milliarden Views täglich sind der handfeste Beweis dafür. Das gelang Google, indem es auf seine wichtigsten Stakeholder setzte: Content Creator. Diese belächelten Shorts anfangs noch, doch dies änderte sich schon bald, denn Google beschränkte sich nicht nur auf den Konter, sondern ging direkt in die Offensive und spielte seine Qualitäten gnadenlos aus. Und diese kommen Creatorn zugute: Der Algorithmus etwa funktioniert anders, und zwar wesentlich weniger volatil. Das hat zunächst den Nachteil, dass es schlicht länger dauert, um eine gewisse Reichweite zu erlangen. Umgekehrt stürzt diese Reichweite jedoch nicht mehr so schnell ab wie bei TikTok. Ein Faktor, der definitiv auch für Marken attraktiv ist – mehr und mehr Creator scheinen das zu erkennen und fingen 2022 an, ihren Content auch via Shorts zu teilen.

Ein weiterer Vorteil: YouTube ist ein alter Hase im Long-Video-Format. Auf diesem Gebiet macht der Google-Tochter niemand etwas vor, TikTok ist in diesem Bereich keine Konkurrenz. Ein Aspekt, der für Creator, die sich im Mix aus kurzen und langen Videos versuchen wollen, sehr interessant sein könnte.

TikTok hinkt beim Image hinterher

Nicht unerwähnt bleiben darf außerdem der Faktor Vertrauen. Google schaffte es, in den vergangenen 15 Jahren das Vertrauen des Großteils der Menschheit zu gewinnen und sich ein seriöses Image aufzubauen. YouTube ist omnipräsent im Alltag. Auf Android Smartphones ist es vorinstalliert. Eltern vertrauen YouTube. TikTok hingegen ist ein Produkt Chinas und aufgrund seiner Nähe zur Regierung sowie unvorteilhafter Ereignisse immer wieder in den Schlagzeilen. So zeigte eine Untersuchung des US-amerikanischen Medienunternehmens NewsGuard jüngst, dass TikTok als Suchmaschine regelmäßig Fake News ausspuckt, die vor allem für jüngere Nutzer:innen gefährlich sind. Genau gesagt enthielten fast 20 Prozent der über Suchanfragen angezeigten Videos zu aktuellen Themen Fehlinformationen. Natürlich ist es schwierig, mit der Moderation hinterherzukommen, wenn eine Plattform so schnell wächst wie TikTok. YouTube hat den Vorteil, diese Kinderschuhphase längst hinter sich zu haben. So oder so liegt insgesamt gesehen aber auf der Hand, dass TikTok in Sachen Image Google deutlich hinterher hinkt.

Last but not least: YouTube ist finanziell lukrativer. Der Creator Fund ist mit 100 Millionen Dollar üppig gefüttert, bezahlt wird auf Basis der Reichweite. Außerdem sollen Creator zu 45 Prozent an Werbeeinnahmen mitverdienen, die ab demnächst mit Shorts Ads generiert werden. Diese sollen ähnlich wie die TikTok Ads funktionieren: Zwischen dem User Content poppen durch Mediabudget verstärkte Videos auf und sollen so noch mehr Reichweite generieren. Marken sind also nicht gänzlich auf den Algorithmus angewiesen, sie können sich ihren Platz erkaufen. Hier möchte YouTube seine Creator erheblich an den Einnahmen beteiligen. TikTok hat seinen Konter bereits eingeleitet und will seine Creator im Rahmen des sogenannten Pulse-Programms ebenfalls an Werbeeinnahmen teilhaben lassen. Ab einer Mindestanzahl von 100.000 Followern können Creator bis zu 50 Prozent der Einkünfte von Ads erhalten, für die ihre Videos das Werbeumfeld stellen.

Zunächst einmal zeigen die nackten Zahlen allerdings, dass die Shorts-Strategie aufging. Und Google scheint auf den 9:16-Geschmack gekommen zu sein. Parallel zum Shorts-Ausbau wird daran gearbeitet, Vertical Video nicht nur bei YouTube, sondern direkt in der Google Suche einzuarbeiten, damit Nutzer:innen im Vergleich zu TikTok nichts missen. Paradox: Meistens werden TikTok-Videos angezeigt, da das eigene Angebot noch lange nicht so ausgereift ist. Es darf jedoch davon ausgegangen werden, dass sich dies ändert.

Marken können sich die Hände reiben – doch müssen aktiv werden

Der sich anbahnende Kampf der Tech-Unternehmen zwischen Google und TikTok bringt Marken in eine komfortable Situation, denn Konkurrenz befeuert bekanntlich den Markt. Das Gute ist, dass Marken keine Angst haben müssen, aufs falsche Pferd zu setzen, denn TikTok und Shorts ähneln sich stark. Genau wie YouTube sieht sich TikTok nicht als Social Media-, sondern als Content Plattform an. Der Interest beziehungsweise Content Graph stehen im Fokus, nicht der Social Graph, wie es bei Instagram der Fall ist. Der Meta-Konzern versucht das zu ändern, doch da Instagram seine Wurzeln in ästhetischen, fotografischen Inhalten hat, müssen auch die vertikalen Instagram Reels dieser Linie folgen, also ästhetisch ansprechend sein und ohne Ton funktionieren. Bei YouTube und TikTok gewinnen Sound und Storytelling.

Die Situation ist komfortabel für Marken beziehungsweise kann komfortabel sein – denn dazu müssen sie aktiv werden. Es ist ratsam, sowohl TikTok als auch YouTube Shorts zu bespielen. TikTok sollte aufgrund des schnelleren Algorithmus genutzt werden, um den Content zu optimieren: Man erhält schnelles Feedback und kann entsprechende Anpassungen vornehmen. YouTube Shorts lässt man erstmal durchlaufen. Nach zwei bis drei Monaten hat eine Marke meist beide Kanäle etabliert und erreicht unterschiedliche Menschen mit den gleichen Inhalten.

Auch die Skalierung des Mediabudgets ist auf beiden Plattformen attraktiv. TikTok baut auf ein ausgeklügeltes Werbesystem und bietet sehr günstige Preise für Reichweite und Klicks an, obgleich diese sukzessiv steigen. Mit dem Markteintritt von Shorts Ads, der noch dieses Jahr von YouTube zu erwarten ist, wird diese Kostensteigerung eingedämmt. Denn YouTube muss kompetitive Preise anbieten, um eine attraktive Alternative zu TikTok zu sein. Marken können also nicht nur organisch mit den gleichen Inhalten auf zwei Plattformen punkten, sondern auch im Performance Marketing.

Auf beiden Plattformen sollten Inhalte von Marken mit der Brille der Suchmaschinenoptimierung (SEO) betrachtet werden. Wonach suchen die Kund:innen und Interessierten? Das müssen Marketer wissen und in den 9:16-Content einarbeiten. Auch Suchmaschinenwerbung (SEA) sollte beachtet werden: Zu welchen anderen Suchbegriffen oder Trends kann ich meine Videos bezahlt ganz oben platzieren?

Fazit

So lange das Smartphone das dominante Gerät ist, wird 9:16 das dominante Format sein. Das scheinen mehr und mehr gewichtige Konzerne zu begreifen. TikTok gilt als Symbol dieser Veränderung, auch Snapchat, Instagram, Facebook und Pinterest ziehen mit. Sogar Amazon testet Vertical Videos in seiner App. Entscheidend wird jedoch, welche Schritte Google macht. Wir dürfen davon ausgehen, dass sich der US-Konzern nicht auf den Erfolgen von YouTube Shorts ausruht und TikTok mehr und mehr Marktanteile überlässt, sondern seine Vormachtstellung innerhalb der Tech-Szene nutzen wird, um die Entwicklung hin zu 9:16-Content maßgeblich zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Die Power dazu hat er allemal. Am Ende ist es nämlich immer noch Google, das gewissermaßen bestimmt, wie das Internet aufgebaut ist und funktioniert. Wie sollte eine Website aussehen, um in der Suche gefunden oder im Browser optimal angezeigt zu werden? Das bestimmt Google. Ändert Google die Regeln, müssen alle ihre Websites ändern. Was es heißt, wenn Google verstärkt auf 9:16 setzt, liegt damit auf der Hand.

Für Marken geht es dabei nicht darum, jetzt eine junge Zielgruppe zu erreichen, die man sonst kaum noch antrifft. Es geht darum, in Zeiten einer wirtschaftlichen Krise nicht die falschen Marketing-Einsparungen vorzunehmen. Vielleicht überleben Marken so zwar die Krise. Das hilft ihnen aber nicht, wenn sie danach von der Oberfläche eines neuen Internets verschwunden sind.

Kommentare aus der Community

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*
*