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Unternehmensrichtlinien
Meta: Abschaffung der Faktenprüfung, Machtverschiebung und Anpassung an politische Strömungen – was sich jetzt ändert

Meta: Abschaffung der Faktenprüfung, Machtverschiebung und Anpassung an politische Strömungen – was sich jetzt ändert

Larissa Ceccio | 09.01.25

Ob Meinungsfreiheit oder Brandbeschleuniger für Radikalisierung – Meta schreibt gerade die Regeln für die digitale Öffentlichkeit neu. Was bedeutet und welche tiefgreifenden Änderungen jetzt kommen – hier im Überblick.

Faktenchecks? Abgeschafft. Moderation? Gelockert. Politische Inhalte? Wieder voll im Algorithmus. Während X längst für die Verbreitung von Desinformation und Hassrede kritisiert wird, geht Meta jetzt denselben Weg – aber mit einer gigantischeren Reichweite.

Doch es kommt noch härter: Diskriminierende Inhalte, die bisher klar gegen Metas Regeln verstießen, sind plötzlich erlaubt. Frauen auf ihre Rolle im Haushalt reduzieren? LGBTQ+-Menschen als „psychisch krank“ bezeichnen? Politische Hetze gegen Minderheiten? All das bleibt künftig unmoderiert. Gleichzeitig rücken Trump-nahe Führungskräfte in Schlüsselpositionen, und Moderationsteams ziehen nach Texas – dorthin, wo Social-Media-Regulierung unerwünscht ist.

Meta macht sich bereit für eine neue Ära – eine, die freie Meinungsäußerung verspricht, aber Tür und Tor für radikale Narrative öffnet. Wird die Plattform zum mächtigsten Sprachrohr der Rechten? Wir verschaffen in diesem Artikel einen Überblick.


Tschüss Faktencheck, hallo Chaos
– Diese alarmierenden Inhalte erlaubt Meta jetzt

Meta-Logo vor violettem Hintergrund
© Muhammad Asyfaul – Unsplash


Meta-Änderungen im Überblick: Weniger Kontrolle, mehr Politik

Die Plattformen von Meta haben laut Analysen von NeuInstitut eine mehr als zehnmal größere Reichweite als X. Das bedeutet, dass sich die Auswirkungen dieser neuen Moderationsstrategie nicht nur auf eine kleinere, politisch engagierte Bubble, sondern auf eine massenhafte, globale Nutzer:innenschaft erstrecken. Was auf X bereits für Chaos und Fehlinformationen gesorgt hat, könnte auf Meta ein noch viel größeres gesellschaftliches und politisches Gewicht bekommen. Felix Beilharz, Experte für digitales Marketing, hat auf Threads eine kompakte Übersicht über die jüngsten Änderungen bei Meta veröffentlicht.

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Die Maßnahmen zeigen eine deutliche Lockerung der Moderationsrichtlinien, die tiefgreifende Folgen für Nutzer:innen, Werbetreibende und den politischen Diskurs auf den Plattformen haben könnten. Das sind die wichtigsten Änderungen:

  • Abschaffung der Faktenprüfung:
    Meta beendet in den USA die Zusammenarbeit mit Dritt-Faktenprüfer:innen. Stattdessen werden Community Notes eingeführt, ein von Nutzer:innen gesteuertes System zur Kontextualisierung von Inhalten – ähnlich wie bei X.
  • Gelockerte Content Policies:
    Regeln zur Inhaltsmoderation werden entschärft und stärker an den „Mainstream-Diskurs“ angepasst. Das bedeutet weniger Eingriffe durch Meta in strittige oder politisch aufgeladene Inhalte.
  • Lockerere Durchsetzung der Regeln:
    Strafen gibt es künftig nur noch für schwere Verstöße und illegale Handlungen. Kleinere Verstöße werden nur noch auf Antrag geprüft – also, wenn Nutzer:innen sie aktiv melden.
  • Politische Inhalte zurück in den Empfehlungen:
    Politische Inhalte, die Meta zuvor aus den Empfehlungsalgorithmen herausgehalten hatte, werden nun wieder aktiv in den Feeds der Nutzer:innen ausgespielt.
  • Trust & Safety-Teams ziehen um:
    Die für Sicherheit und Moderation zuständigen Teams werden von Kalifornien nach Texas verlegt – ein Standortwechsel, der auch politische Auswirkungen haben könnte.
  • Neue Zusammenarbeit mit der US-Regierung:
    Meta verstärkt die Kooperation mit der US-Regierung, um ausländischen Einfluss auf amerikanische Unternehmen zu bekämpfen.

Die Abschaffung der Faktenprüfung, die Wiedereinführung politischer Inhalte in Empfehlungen und die Verlegung der Moderationsteams nach Texas zeigen eine klare Verschiebung zugunsten konservativer Akteur:innen. Kurz vor seinem Amtseintritt rückt Meta damit offen an Donald Trump, der am 20. Januar offiziell als 47. US-Präsident vereidigt wird, heran und könnte zum zentralen Netzwerk für seine Anhänger:innen werden. In diesem Artikel thematisieren wir die einzelnen Änderungen im Detail, um ihre Auswirkungen auf Nutzer:innen, politische Inhalte und die Zukunft von Meta besser einordnen zu können.

Meta setzt auf Community Notes, kippt damit den Faktencheck – und rüstet sich für eine Trump-Ära

Wenn es noch Zweifel gab, dass Meta sich strategisch auf eine mögliche Trump-Regierung vorbereitet, sind sie jetzt ausgeräumt. Denn Zuckerberg verkündete jüngst, dass Meta den Faktencheck in den USA einstellt – ein drastischer Schritt, der viele alarmiert. Stattdessen führt der Konzern ein Community-Notes-Programm ein, das an das umstrittene System von X erinnert.

Die Einführung von Community Notes ersetzt Metas bisheriges System mit unabhängigen Faktenprüfer:innen. Community Notes ermöglichen es Nutzer:innen, potenziell irreführende Beiträge zu kennzeichnen und zusätzliche Kontextinformationen bereitzustellen. Zuckerberg erklärte:

We’ve reached a point where [our moderation systems] make too many mistakes, and it’s too much censorship. […] So we’re going to get back to our roots, and focus on reducing mistakes, simplifying our policies, and restoring free expression on our platforms.

Joel Kaplan, Metas neuer Chief Global Affairs Officer, äußerte sich ebenfalls zu diesem Schritt:

In recent years we’ve developed increasingly complex systems to manage content across our platforms, partly in response to societal and political pressure to moderate content. This approach has gone too far. […] we are making too many mistakes, frustrating our users and too often getting in the way of the free expression we set out to enable.

Kaplan fügte hinzu, dass das Community Notes-System auf X erfolgreich sei,

where they empower their community to decide when posts are potentially misleading and need more context.

Obwohl diese Maßnahmen derzeit auf die USA beschränkt sind, könnten sie langfristig auch die EU betreffen. Während der Digital Services Act (DSA) in der Europäischen Union soziale Netzwerke zu mehr Verantwortung verpflichtet, bewegt sich Meta in die entgegengesetzte Richtung: weniger Moderation, keine Faktenchecks, stattdessen Community Notes. Sollte Meta diese Politik auch in Europa ausweiten, drohen Konflikte mit der EU-Kommission, die bereits mehrfach Verfahren gegen das Unternehmen eingeleitet hat

Zuckerberg über Meta-Exodus: „Virtue Signaling“ statt echte Bedrohung

Die Entscheidung, die Faktenprüfung in den USA zu beenden, werde Meta nicht schaden – im Gegenteil, meint Zuckerberg. Nutzer:innen, die die Plattform aus Protest verlassen, würden dies eher aus „Virtue Signaling“ (Tugendhaftigkeit zur Schau stellen) tun, anstatt aus echten Bedenken, so der Meta CEO. Das geht aus einem Threads Posts des Meta CEOs hervor, den er als Reaktion auf einen kritisches Post einer Nutzerin verfasste.

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Er begründete seine Haltung damit, dass Community Notes wirksamer als traditionelle Faktenprüfer:innen seien, da sie verhindern könnten, dass Accounts fälschlicherweise gesperrt werden. Zudem sei es wichtig, gesellschaftliche Themen ohne Einschränkungen zu diskutieren:

I think Community Notes will be more effective than fact-checkers. It’s good to reduce the number of people who are incorrectly penalized. People want to discuss societal issues and make arguments that are within the mainstream of political discourse, etc.

Er räumte zwar ein, dass manche Nutzer:innen Meta nun verlassen könnten – hielt das aber für nebensächlich:

Some people may leave our platforms to virtue signal, but I think the vast majority and many new users will find that these changes improve the products.

Machtverschiebung im Unternehmen: Konservative Kräfte gewinnen an Einfluss

Parallel zu diesen inhaltlichen und organisatorischen Änderungen gibt es außerdem personelle Umstrukturierungen in Metas Führungsetage. Der bisherige Präsident für globale Angelegenheiten, Nick Clegg, tritt zurück. Seine Position übernimmt Joel Kaplan, ein langjähriger Meta-Manager mit engen Verbindungen zur republikanischen Partei. Kaplan war bereits in der Vergangenheit ein einflussreicher Akteur, wenn es um Metas Umgang mit politischen Inhalten ging. Er sprach sich wiederholt gegen Einschränkungen politischer Reden aus und soll eine entscheidende Rolle bei der Entscheidung gespielt haben, Donald Trumps Facebook-Konto nach dem Sturm auf das Kapitol 2021 nicht dauerhaft zu sperren. Das geht unter anderem aus einem Reuters-Bericht hervor.

Meta hat außerdem seinen Vorstand um drei neue Mitglieder erweitert: John Elkann, CEO von Exor, den Technologieinvestor Charlie Songhurst und Dana White, Präsident der Ultimate Fighting Championship (UFC). Besonders die Ernennung von White sorgt für Diskussionen, da er nicht nur als einflussreicher Akteur in der Kampfsportwelt gilt, sondern auch als offener Unterstützer von Donald Trump bekannt ist. Mit Elkann und Songhurst holt sich Zuckerberg gezielt Expertise in Schlüsselbereichen wie künstlicher Intelligenz, Wearable-Technologie und globaler Geschäftsstrategie in den Vorstand.

Diese Ernennungen deuten darauf hin, dass Meta sich nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich und technologisch strategisch neu aufstellt, so das Wall Street Journal in einem jüngst veröffentlichten Bericht.

Meta verlegt Trust & Safety-Teams nach Texas

Mark Zuckerberg hat außerdem angekündigt, dass Mitarbeiter:innen aus dem Trust & Safety-Bereich von Meta aus Kalifornien nach Texas umziehen werden.

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Er begründete diesen Schritt damit, dass er verhindern wolle, dass Teams in ihrer Moderationsarbeit eine zu restriktive Haltung einnehmen und Nutzer:innen zensieren. Während Zuckerberg den Umzug als Maßnahme für mehr Meinungsfreiheit darstellt, sehen Kritiker:innen dahinter eine gezielte politische Entscheidung.

Texas gilt als wirtschaftsfreundlicher und weniger reguliert als Kalifornien. Zudem hat der Bundesstaat in den letzten Jahren Gesetze gegen die Moderation politischer Inhalte auf Social-Media-Plattformen erlassen. Expert:innen vermuten daher, dass Meta sich durch den Standortwechsel mehr Spielraum bei der Inhaltskontrolle verschaffen könnte und eine weniger strenge Moderationspolitik verfolgt.

Zudem dürften steuerliche Vorteile und niedrigere Lebenshaltungskosten eine Rolle spielen. Texas lockt seit Jahren große Tech-Unternehmen mit finanziellen Anreizen und weniger strengen arbeitsrechtlichen Vorgaben. Auch andere große Konzerne wie Tesla oder Oracle haben ihre Hauptquartiere bereits dorthin verlegt, um von diesen Bedingungen zu profitieren .

Meta schützt Top-Werbekund:innen vor Moderation – Leaks enthüllen bevorzugte Behandlung großer Marken

Ein geleaktes internes Memo, über das die Financial Times berichtet, zeigt, dass Meta seinen größten Werbekund:innen Sonderrechte eingeräumt hat, indem der Konzern sie vor den üblichen Inhaltsmoderationsprozessen schützte. Laut internen Dokumenten aus dem Jahr 2023 führte das Unternehmen „Guardrails“ ein – spezielle Mechanismen, die sicherstellen, dass „High Spender“ nicht versehentlich von den Moderationssystemen bestraft oder eingeschränkt werden. Meta begründete diese Maßnahme mit der Sorge, dass automatisierte Moderationssysteme große Marken fälschlicherweise abstrafen könnten. Doch Kritiker:innen sehen darin einen klaren Beweis für eine Zweiklassengesellschaft auf der Plattform: Während normale Nutzer:innen strengen Regeln unterworfen sind, genießen zahlungskräftige Unternehmen besondere Schutzmechanismen.

Schätzungen von Sensor Tower zeigen, dass die größten Werbekund:innen auf Facebook und Instagram namhafte Konzerne wie Amazon, Procter & Gamble, Temu, Shein, Walmart, NBCUniversal und Google umfassen. Diese Unternehmen investierten Millionenbeträge in Werbung auf Meta-Plattformen – und profitierten offenbar von einer privilegierten Behandlung in Bezug auf Moderationsentscheidungen.


Marionette Mark?
Meta will Free Speech à la X und biedert sich Trump an

Mark Zuckerberg vor Meta-Logo, heller Hintergrund
© Meta, Dima Solomin – Unsplash


Meta setzt auf weniger Kontrolle, mehr politische Inhalte und eine neue Definition von Meinungsfreiheit – doch zu welchem Preis? Während sich die Plattform als offenes Forum inszeniert, wächst die Sorge, dass Desinformation, Hassrede und radikale Narrative profitieren. Die Weichen sind gestellt, die Richtung klar: Meta wird zum zentralen Schauplatz für politische Machtspiele.

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