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Technologie
Künstliche Intelligenz steht im Zentrum einer besseren Kommunikation

Künstliche Intelligenz steht im Zentrum einer besseren Kommunikation

Ein Gastbeitrag von Hans-Peter Kuessner | 30.10.19

Durch die Nutzung vieler verschiedener Kanäle wird der Kundenkontakt immer unübersichtlicher. Künstliche Intelligenz könnte das Chaos beseitigen.

Früher war nicht alles besser – aber einiges einfacher. Die Kommunikation mit dem Kunden zum Beispiel. Für Werbung gab es TV, Radio und Zeitung, gekauft wurde im Laden und um Beschwerden kümmerte sich eine Kundenhotline. Von dieser Überschaubarkeit kann 2019 keine Rede mehr sein. Alleine die Vielfalt der Social Media-Kanäle ist kaum noch zu überblicken. Plattformen entstehen und vergehen, gewinnen in wenigen Tagen Millionen Nutzer oder verlieren schleichend an Bedeutung. Weiterhin relevant sind klassische Kommunikationskanäle wie Telefon, E-Mail oder Webformulare. Und mit Chatbots – interaktiven Dialogsystemen, bei denen im Hintergrund Technologien auf Basis Künstlicher Intelligenz (KI) werkeln – steht eine weitere Kommunikationsmöglichkeit in den Startlöchern.

Diese Vielfalt sorgt für Komplexität in der Kommunikation. Da schickt ein Interessent die dringende Anfrage nicht an seinen Vertriebsansprechpartner, sondern an eine allgemeine info@unternehmen.de-E-Mail-Adresse. Natürlich erwartet er trotzdem eine schnelle Antwort. Ein Versicherter füllt das Online-Formular zu Schadenserfassung aus und schickt die dazugehörigen Fotos per Instant Messaging-Dienst hinterher. Ein Kunde informiert sich per Chatbot über neue Kontokonditionen bei seiner Bank, um anschließend die Servicehotline für eine Vertragsänderung anzurufen. Die Liste der Beispiele lässt sich beliebig lang fortsetzen. Am Ende des Prozesses steht oft ein enttäuschter Kunde, für den sich die vollmundigen Versprechungen von Kundenfokussierung und Leidenschaft für guten Service nicht erfüllen. Denn zu lang dauern die Abläufe, zu verschlungen sind die Pfade der Bearbeitung, zu mangelhaft ist die Transparenz über den Fortschritt.

KI statt mühseliger Handarbeit

Diesem Zoo an Kommunikationsmöglichkeiten und -pfaden Herr zu werden ist eine der zentralen Managementaufgaben im Marketing und Kundenservice. Einerseits geht es darum, über alle Kanäle hinweg ein stimmiges Bild von Leistungen, Angeboten, Services und Unternehmenswerten zu zeichnen. Andererseits – und diese Aufgabe ist kaum weniger wichtig – ist es eine Kunst, die Anfragen aus den unterschiedlichen Kanälen zu erfassen, zu systematisieren, an die richtige Stelle innerhalb der Organisation weiterzuleiten und zur Zufriedenheit der Kunden und Interessenten zu bearbeiten.

Hinter diesem Prozess des Erfassens und Weiterleitens von Anfragen steckt häufig Handarbeit. Mitarbeiter entscheiden, welchen Vorgang sie mit welchen Daten in welchem System (CRM, Ticketsystem oder Enterprise Social Network) erfassen und wer diesen bis wann bearbeiten soll. Diese Aufgabe des Verteilens ist so unbeliebt wie aufwendig. Sie erfordert ein hohes Maß an Verständnis von Prozessen und Zusammenhängen im Gesamtunternehmen – wird aber häufig von unzureichend vorbereiteten und unerfahrenen Beschäftigen übernommen.

Gleichzeitig sorgt das Denken in Systemen und Abteilungssilos dafür, dass es den Verantwortlichen an Überblick über den gesamten Prozess mangelt. Die Konsequenzen: das parallele Bearbeiten ein und derselben Anfrage durch unterschiedliche Abteilungen, das unnötige Verschieben von Vorgängen und Verantwortlichkeiten oder das fehlerhafte Bewerten der Bedeutung von Anfragen, beispielsweise weil die Beteiligten diese nicht den korrekten Kunden oder Projekten zuordnen.

KI wird zum Dreh- und Angelpunkt

An dieser Stelle unterstützt eine KI-basierte Kommunikationsdrehscheibe im Zentrum der Prozesse. Das System erkennt Anfragen, extrahiert Inhalte automatisch, ergänzt diese um relevante Informationen und schleust jeden Vorgang durch den gesamten Ablauf der Bearbeitung. Grundlage für das Auf- und Umsetzen eines solchen Systems ist die Fähigkeit von KI-Anwendungen, menschliche Sprache zu verstehen, das sogenannte Natural Language Understanding (NLU). Bisher waren IT-Anwendungen darauf angewiesen, dass Informationen in vorkonfigurierter Form vorliegen, zum Beispiel als Einträge in einer Datenbank. KI-Lösungen eröffnen neue Möglichkeiten. Sie erkennen inzwischen die Zusammenhänge und Bedeutungen in unstrukturierten Informationen, beispielsweise in Texten. Dabei ist die menschliche Sprache oft nicht eindeutig und geprägt von Stilmitteln, die Empfänger leicht falsch interpretieren. Hierzu zählen beispielsweise rhetorische Fragen, Paradoxa oder Ironie. Die Aussage „euer Service ist super“ hat bei einem Kunden, den der Kundendienst seit über einer Woche vertröstet, höchstwahrscheinlich eine andere als die wortwörtliche Bedeutung.

Auf dieser technischen Grundlage setzt die Kommunikationsdrehscheibe auf. Im Detail sieht der KI-gestützte Prozess wie folgt aus:

  • Die KI-Lösung holt eingehende Anfragen beziehungsweise Nachrichten aus allen Eingangskanälen ab. Dazu gehören beispielsweise E-Mails, Kontakt über Social Media-Plattformen oder Daten aus Online-Formularen, aber auch Chatbot-Protokolle oder Instant Messaging-Nachrichten.
  • Im nächsten Schritt extrahiert die Anwendung aus den übertragenen Informationen strukturierte Metadaten, beispielsweise E-Mail-Adressen, Namen, Unternehmenszugehörigkeit oder Adressdaten.
  • Sie ergänzt diese Metadaten durch Abfragen in unternehmensinternen Datenbanken wie dem Customer Relationship Management, beziehungsweise Enterprise Resource Planning-System oder in Projektdatenbanken. So entsteht automatisch ein vollständigeres Bild des Anfragenden und seiner Anfrage. Bearbeiter sehen Informationen wie Vertragsdaten oder offene Bestellungen.
  • Die Anwendung identifiziert andere Anfragen der gleichen Personen beziehungsweise des gleichen Kunden und ergänzt diese Informationen in den Metadaten.
  • Parallel dazu interpretiert sie die Inhalte in unstrukturierten Informationen wie E-Mail-Texten oder Social Media-Beiträgen. Sie extrahiert Schlüsselwörter, sogenannte Intents (die Absicht des Anfragenden) und Entities (Worum geht es konkret bei der Anfrage? Gibt es Hinweise wie beispielsweise Produktnummern oder -bezeichnungen inklusive Synonymen, Vertrags- oder Kundennummern?) und erzeugt daraus weitere Metadaten.
  • Auf Basis der Metadaten routet die KI-Anwendung die eingegangene Nachricht in das richtige Bearbeitungssystem.
  • Das System verfolgt den Bearbeitungsfortschritt während des gesamten Prozesses.
  • Neue Anfragen zum gleichen Thema oder durch die gleiche Person erkennt die Anwendung und ordnet sie automatisch zu.
  • Die KI-Lösung beobachtet die gesamte Kommunikation zu einem Vorgang und erfasst Rückfragen der Mitarbeiter ebenso wie Antworten zu einer Anfrage.
  • Über den einzelnen Vorgang hinaus liefert das System eine Übersicht über die kompletten Kommunikationsstrukturen des Unternehmens. Auf Wunsch ermittelt es die zentralen Kennzahlen (KPI) der Kommunikation. Dazu gehören beispielsweise die genutzten Kanäle, die durchschnittliche Bearbeitungsdauer, die Anzahl der Anfragen zu einzelnen Themen beziehungsweise Produkten oder die zeitliche Verteilung von Anfragen. Der letzte Indikator spielt bei der Personaleinsatzplanung in Serviceabteilungen eine wichtige Rolle.

Schneller und transparenter

In Summe ergeben sich aus dem Einsatz einer KI-basierten Kommunikationsdrehscheibe zwei Vorteile: Einerseits automatisiert sie bisher manuelle Prozesse in der Kommunikation. Dies erlaubt eine schnellere und fehlerfreiere Bearbeitung von Vorgängen. Andererseits liefert sie den Verantwortlichen eine ganzheitliche Sicht auf alle Aspekte der Kundenkommunikation. Eine Sicht, die bisher durch das Denken und Arbeiten in Silos nicht möglich war. Auf dieser Basis können die Beteiligten ihre Serviceangebote optimieren. Dazu kann der Ausbau einzelner, besonders bedeutsamer Kommunikationskanäle gehören. Oder das Identifizieren von Schwachstellen innerhalb des Prozesses, beispielsweise Abteilungen, in denen Anfragen überdurchschnittliche lange liegen bleiben. Vor allem aber wird es möglich, Einblicke in die Kundenkommunikation zu erhalten, die Unternehmen vorher so nicht hatten. Beispielsweise können die Entscheider jetzt Fragen wie „Wie viele Anfragen zu welchen Produkten bekommt das Unternehmen, bei denen welche Mitbewerber genannt werden?“ beantworten.

Diese umfassende Sicht auf den Kunden erlaubt es den Verantwortlichen, sogenannte Cross- oder Upselling-Potenziale schneller – oder überhaupt – zu erkennen. Beispiel: Innerhalb kurzer Zeit wollen drei Ansprechpartner eines Kunden bei ihrem Softwareanbieter weitere Anwender für das Redaktionssystem ihres Internetauftritts freischalten. Der Kunde könnte somit ein geeigneter Kandidat für den Kauf eines Softwarenutzungsvertrages mit einem größeren User-Volumen sein. Ohne Transparenz über den Kommunikationsprozess wäre diese Information untergegangen.

Der oben beschrieben Ansatz eignet sich für den externen Einsatz in Richtung Kunden und Interessenten ebenso wie für das Verbessern interner Abläufe. So optimieren beispielsweise IT-Abteilungen größerer Unternehmen ihren Umgang mit Serviceanfragen.

Das Konzept zeigt: KI hat das Potenzial, komplexe und eingefahrene Prozesse in der internen Bearbeitung von Anfragen auf ein neues Niveau zu heben. Wenn Unternehmen das Einführen der Technologie sorgfältig planen und die beteiligten Personen beziehungsweise Abteilungen frühzeitig in das Projekt einbeziehen, profitieren Kunden und Mitarbeiter von den neuen Möglichkeiten.

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