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Müssen Überstunden im Job bezahlt werden? Rechte, Pflichten und Fallstricke für Arbeitnehmer:innen

Müssen Überstunden im Job bezahlt werden? Rechte, Pflichten und Fallstricke für Arbeitnehmer:innen

Marié Detlefsen | 01.12.25

Überstunden oder Mehrarbeit – viele nutzen die Begriffe synonym, doch rechtlich bestehen große Unterschiede, die bares Geld oder wertvolle Freizeit kosten können. Erfahre mehr über deine Rechte und wie Extraarbeit fair ausgeglichen wird.

In vielen Jobs gehört es längst zum Standard, dass der Arbeitstag nicht nach acht Stunden endet. Projekte laufen weiter, Kund:innen warten auf Antworten – und ehe man sich versieht, sind wieder zusätzliche Stunden zusammengekommen. Doch Überstunden sind nicht gleich Mehrarbeit. Und bei der Frage, was bezahlt werden muss, wird es schnell kompliziert. Damit du nicht den Überblick verlierst, werfen wir für dich einen genaueren Blick auf die rechtlichen Grundlagen.

Was ist der Unterschied zwischen Mehrarbeit und Überstunden?

Mehrarbeit beschreibt die Überschreitung der gesetzlich zulässigen Höchstarbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Das bedeutet: Wer mehr als acht Stunden täglich oder mehr als 48 Stunden pro Woche arbeitet, leistet Mehrarbeit. Diese zusätzlichen Stunden müssen innerhalb von 24 Wochen wieder ausgeglichen werden. Geschieht das nicht, kann es teuer werden und Arbeitgeber:innen drohen Bußgelder in beträchtlicher Höhe.

Überstunden dagegen entstehen schon dann, wenn die arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitszeit überschritten wird – auch wenn diese noch innerhalb des gesetzlichen Rahmens liegt. Damit Überstunden jedoch zählen, müssen sie von den Arbeitgeber angeordnet oder zumindest geduldet sein. Sie können entweder ausbezahlt oder durch Freizeit ausgeglichen werden. Wie genau das abläuft, richtet sich nach Arbeits- oder Tarifvertrag – und manchmal nach dem Einzelfall.

Pauschale Überstundenabgeltung – geht das noch?

Lange Zeit war es üblich, in Arbeitsverträgen schwammig festzuhalten, dass „Überstunden mit dem Gehalt abgegolten“ seien. Allerdings ist diese Formulierung heutzutage zu unkonkret und damit unwirksam. Sollte diese Formulierung in neueren Verträgen enthalten sein, können diese rechtsgemäß angefochten werden. Gerichte fordern nämlich klare Angaben, wie zum Beispiel: „Bis zu zwei Überstunden pro Woche sind mit dem Gehalt abgegolten.“ Ohne eine benannte Obergrenze müssen Arbeitgeber:innen Überstunden gesondert vergüten.

Dennoch stellt sich vielen die Frage: Müssen Überstunden überhaupt vom Unternehmen bezahlt werden? Das hängt von mehreren Faktoren ab:

  • Branche oder Position: Bei höherem Gehalt wird oft erwartet, dass keine gesonderte Vergütung anfällt.
  • Tarifvertrag: Regelungen dort können auch gelten, wenn kein Tarifvertrag direkt abgeschlossen ist.
  • Vertragliche Vereinbarung: Liegt keine spezielle Klausel vor, greift das BGB – Überstunden müssen bezahlt werden, wenn es branchenüblich ist.

Als Faustregel gilt: Je höher die Vergütung und Verantwortung, desto unwahrscheinlicher ist ein Anspruch auf Extrabezahlung. Eine klare Grenze bildet oft die Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung. Wer darüber liegt, hat meist keinen automatischen Anspruch auf Extrahonorierung.


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© Andrea Piacquadio – Pexels


Lieber Freizeit statt Geld?

In vielen Betrieben ist es gängig, Überstunden nicht auszuzahlen, sondern durch Freizeitausgleich abzubauen. Dieses „Abfeiern“ ist für Unternehmen oft die bevorzugte Lösung, weil es finanziell entlastet und gleichzeitig Arbeitnehmer:innen eine Pause gönnt – zumindest in der Theorie. Praktisch kommt es jedoch häufig zu Konflikten: Wer entscheidet, wann Überstunden abgebaut werden dürfen?

Nach geltendem Recht haben Arbeitgeber:innen das Direktionsrecht, also die Möglichkeit, über den Zeitpunkt des Freizeitausgleichs mitzubestimmen. Dennoch muss dabei auf die Interessen der Arbeitnehmer:innen Rücksicht genommen werden, etwa bei familiären Verpflichtungen oder gesundheitlichen Gründen. Einseitig Überstunden „abzuordnen“ – beispielsweise mit der Aussage, dass man morgen statt zu arbeiten frei habe – ist nur in engen Grenzen zulässig.

Ein wichtiger Punkt für Arbeitnehmer:innen: Krankheitstage während des Freizeitausgleichs werden in Deutschland anders behandelt als bei Urlaub. Wer während geplanter Ausgleichszeit krank wird, erhält die Stunden nicht automatisch zurück, denn Freizeitausgleich dient dem Abbau von Arbeitszeit – nicht der Erholung im juristischen Sinn.

Besondere Schutzrechte für Mütter

Dabei gibt es wie in jedem Fall eine Ausnahme von der Regel. So gelten für Schwangere besonders strenge Vorgaben. Angehende Mütter dürfen maximal 8,5 Stunden pro Tag und maximal 90 Stunden in zwei Wochen arbeiten. Sollte eine Schwangere mehrere Arbeitnehmer:innen haben, werden die Arbeitszeiten aller zusammengerechnet. Überschreitungen dieser Grenze können auch in diesem Fall Bußgelder auslösen.

Ein ähnliches Prinzip greift während der Elternzeit. Dort gilt grundsätzlich Arbeitsbefreiung. Entscheiden sich Eltern dennoch für eine Teilzeittätigkeit, dürfen sie im Durchschnitt nicht mehr als 32 Stunden pro Woche arbeiten. Überstunden sind möglich, solange der Durchschnitt stimmt.

Können Überstunden verfallen?

Ja, Überstundenansprüche können tatsächlich verfallen, allerdings nur, wenn dies rechtlich sauber geregelt ist. In vielen Arbeits- oder Tarifverträgen finden sich sogenannte Ausschlussfristen. Diese bestimmen, dass Arbeitnehmer:innen ihre Forderungen, etwa auf Vergütung oder Freizeitausgleich, innerhalb einer bestimmten Zeitspanne schriftlich geltend machen müssen. Üblich sind mindestens drei Monate. Verstreicht diese Frist ungenutzt, können die Ansprüche vollständig wegfallen. Enthält der Arbeitsvertrag keine wirksame Ausschlussklausel, gilt die gesetzliche Verjährung. Diese beträgt im Regelfall drei Jahre, beginnend mit dem Ende des Kalenderjahres, in dem die Überstunden entstanden sind.

Abschließend lässt sich sagen, dass Überstunden und Mehrarbeit in vielen Branchen zum Berufsalltag gehören, doch sollten sie nie zur stillschweigenden Gewohnheit werden. Wer seine Rechte kennt und weiß, welche Regelungen im Arbeits- oder Tarifvertrag stehen, kann selbstbewusster mit zusätzlichen Arbeitsstunden umgehen. Es lohnt sich, die eigene Arbeitszeit sorgfältig zu dokumentieren und regelmäßig mit Arbeitgeber:innen zu klären, welche Stunden tatsächlich anfallen. Zudem ist es wichtig, vertragliche Ausschlussfristen im Blick zu behalten. Denn am Ende sollte der Ausgleich zwischen Arbeitsbelastung und Erholung stimmen: für Gesundheit, Motivation und ein nachhaltiges Arbeitsleben.


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