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#Quittok: Wenn die Kündigung zum viralen Statement vor 10.000 Leuten wird

#Quittok: Wenn die Kündigung zum viralen Statement vor 10.000 Leuten wird

Marié Detlefsen | 10.10.25

Auf TikTok kündigen immer mehr Menschen ihren Job live vor laufender Kamera und feiern das als Befreiungsschlag. Doch was nach Selbstbestimmung aussieht, kann schnell zum Karriere-Killer werden.

Es war 2008, als der Hausmeister Doug Walker in einem viralen Moment Internetgeschichte schrieb: Mit einem CD-Player bewaffnet, dröhnte „Bohemian Rhapsody“ von Queen durch sein Bürogebäude, während Walker sein Hemd aufriss und die Worte „I quit“ auf seiner Brust enthüllte. Das Video seiner spektakulären Kündigung lud er auf die damals noch junge Plattform YouTube hoch und landete damit einen viralen Hit.

Sein Auftritt gilt heute als Vorläufer einer Bewegung, die mittlerweile auf einer ganz anderen Plattform ihr Zuhause gefunden hat: TikTok. Unter dem Hashtag #quittok teilen User ihre Kündigungen live mit der Welt – oft emotional, kreativ oder voller Wut. Doch so sehr das Teilen von persönlichen Erlebnissen zum digitalen Alltag gehört, birgt dieser Trend auch erhebliche Risiken.

#Quittok ist das neue Kündigungsschreiben

Das Bedürfnis, sich auf besondere Weise von einem ungeliebten Job zu verabschieden, ist keineswegs neu. Schon vor Social Media gab es spektakuläre Austritte, vom gesungenen Kündigungsschreiben bis hin zur symbolischen Torte mit der Aufschrift „Goodbye, Chef“. Doch mit TikTok hat diese Form der Selbstdarstellung eine neue Dynamik erreicht.

@noboobsnoloubs Normalize quitting your job instead of normalizing being a completely and utterly miserable shell of yourself everyday #quittok #resignation #unemployed #youlookhappier #corporatelife ♬ original sound – alexandra louise

Unter #quittok findet man nicht nur Videos von Menschen, die live kündigen. Die Community diskutiert offen über toxische Arbeitsumfelder, unfaire Vorgesetzte und das sogenannte Quiet Quitting. Themen, die früher nur am Küchentisch oder in der Kaffeepause angesprochen wurden, werden heute global geteilt. Viele Nutzer:innen empfinden das als befreiend. Endlich sprechen andere über das, was sie selbst erleben.

Diese Offenheit hat auch eine gesellschaftliche Wirkung: Junge Arbeitnehmer:innen formulieren klarer, was sie von einem Job erwarten und wie sie sich einen respektvollen Arbeitsplatz vorstellen. Der Arbeitsmarkt verändert sich, Arbeitgeber:innen müssen auf neue Anforderungen reagieren. Doch der Schritt von der Diskussion zur öffentlichen Kündigung ist ein großer und nicht immer klug.

Der Rausch des #Quittoks und die Folgen danach

Für viele ist der Moment der Kündigung ein emotionaler Befreiungsschlag. Wenn Follower applaudieren und positive Kommentare regnen, fühlt sich das an wie eine wohlverdiente Belohnung nach Monaten oder Jahren der Frustration. Der Adrenalin-Kick, es endlich durchgezogen zu haben, kann berauschend sein.

Doch was passiert, wenn der Hype verflogen ist? Das Internet vergisst nicht. Ein öffentlich gepostetes Kündigungsvideo bleibt, auch dann, wenn man es später löscht. Potenzielle neue Arbeitgeber:innen können es noch Jahre später finden. Und wer in seinem Video wütend den Namen des Unternehmens nennt oder über Kolleg:innen herzieht, riskiert mehr als nur ein schlechtes Image.

In Deutschland können solche Aktionen sogar rechtliche Folgen haben: vom Verlust des Anspruchs auf ein wohlwollendes Arbeitszeugnis bis hin zu Klagen wegen Verleumdung oder Datenschutzverletzungen. Denn ohne Einwilligung gefilmte Personen oder Gesprächsszenen zu veröffentlichen, verstößt gegen Persönlichkeitsrechte. Was als spontane Genugtuung gedacht war, kann also teuer werden.


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© Tima Miroshnichenko – Pexels


#Quittok als Trend aus den USA

Dass die meisten #quittok-Videos nicht aus Deutschland, sondern aus den USA stammen, ist kein Zufall. Dort gelten oft lockere Arbeitsverträge, die ein kurzfristiges Verlassen des Jobs erlauben (das berühmte Two Weeks’ Notice). In Deutschland hingegen sind Arbeitnehmer:innen in der Regel an eine dreimonatige Kündigungsfrist gebunden. Wer also im Affekt kündigt und das Ganze öffentlich macht, muss meist noch eine Weile im selben Unternehmen weiterarbeiten, keine angenehme Vorstellung also, wenn der Chef das Video gesehen hat.

Und selbst nach der Kündigung bleibt das Risiko: Ein unvorteilhaftes Arbeitszeugnis oder schlechte Referenzen können den beruflichen Neustart erschweren. Selbst wenn die nächsten Arbeitgeber:innen die alte Führungskraft nicht kennen, reicht oft ein kurzer Social-Media-Check, um das Video zu entdecken. Hinzukommt, dass sich viele Unternehmen innerhalb derselben Branche austauschen. Wer es sich bei der Kündigung also ganz ordentlich mit einem Unternehmen verscherzt, hat es möglicherweise noch schwerer, eine geeignete Stelle zu finden, oder muss fachfremd anfangen.

Warum manche Dinge besser offline bleiben

Natürlich ist es nachvollziehbar, dass viele Menschen über ihre Arbeitssituation sprechen möchten. Plattformen wie TikTok bieten Raum für Austausch, Solidarität und Aufklärung über Missstände. Doch zwischen berechtigter Kritik und öffentlicher Bloßstellung liegt eine gefährliche Grenze.

#Quittok zeigt, wie sehr sich die Arbeitswelt verändert hat – hin zu mehr Offenheit, mehr Individualität und mehr Mut, Grenzen zu setzen. Doch so sehr der Trend Ausdruck einer neuen Arbeitskultur ist, so riskant ist er auch. Daher sollten Beschäftigte sich vorher immer gut überlegen, wie sie ihrem Frust Luft machen wollen. Denn in Zeiten, in denen jeder Moment dokumentiert werden kann, sollte man manche Türen lieber leise schließen.


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