Digitalpolitik
Quo vadis, Google? 572 Millionen Euro Strafe, 5,5 Milliarden für Deutschland

Quo vadis, Google? 572 Millionen Euro Strafe, 5,5 Milliarden für Deutschland

Niklas Lewanczik | 17.11.25

Google soll im Preisvergleichsstreit hunderte Millionen Euro Strafe zahlen, es könnten sogar noch mehr werden. Während Google Milliarden in Deutschland investiert, werfen Wettbewerbsverstöße immer wieder Fragen auf. Alles Kalkül?

Jetzt ist es so weit: Google soll Idealo 465 Millionen Euro Schadenersatz zahlen. Für Producto (hinter Testberichte.de) kommen nochmal 107 Millionen Euro hinzu, sollte das Urteil letztlich rechtskräftig werden. Diese Entscheidungen folgen immensen Strafzahlungen in Milliardenhöhe, die Google aufgrund eines attestierten Marktmachtmissbrauchs zahlen muss. Im Jahr 2017 kam die EU-Kommission zu dem Schluss, dass Google 2,42 Milliarden Euro Strafe zahlen muss, da das Unternehmen seine Marktmacht missbraucht hatte, indem Suchergebnisse zugunsten des eigenen Preisvergleichsdienstes Google Shopping manipuliert wurden. Im vergangenen Jahr ging das Tochterunternehmen von Alphabet gerichtlich gegen das Urteil vor. Doch ein EU-Gericht hatte das Urteil bestätigt, ehe der EuGH das Aufrechterhalten des Urteils verkündete.

Idealo hatte bereits vor Jahren aus ebendiesem Grund Klage eingereicht und zuletzt inklusive Zinsen sogar 3,5 Milliarden Euro Schadenersatz gefordert. Weitere Zahlungen könnte das Unternehmen noch einfordern. Währenddessen verlegt sich Google auf Zusicherungen gegenüber der EU, dass das Unternehmen Wettbewerbsverzerrungen wie diese durch Anpassungen obsolet machen wolle – nicht zuletzt, um einer Zerschlagung zu entgehen. Gleichzeitig investiert die Alphabet-Tochter in großem Maße in neue KI-Entwicklungen und auch in die digitale Infrastruktur in Deutschland. Dabei werden selbst enorme Strafen hingenommen, um die Marktmacht zu sichern.


Insgesamt über 15 Milliarden Euro:

Megazahlungen für Apple und Google fällig

Mann mit Smartphone steht vor Gebäude mit Glastür, darauf Google-Schriftzug
© Karollyne Videira Hubert – Unsplash via Canva


Google und die Megastrafen: Alles Teil des Plans?

Mit einer gewissen Regelmäßigkeit muss Google riesige Summen als Strafe aufgrund von Wettbewerbsverstößen und Marktmachtmissbräuchen in der EU zahlen. Auch wenn das Urteil im Fall von Idealo und jenem von Producto noch nicht rechtskräftig ist, könnten weitere 572 Millionen Euro dazukommen. Idealo könnte für die Jahre 2024 und 2025 sogar noch weitere Zahlungen einfordern, berichtet die Tagesschau. Auf LinkedIn freut sich Albrecht von Sonntag, Mitgründer des Preisvergleichsunternehmens Idealo, über das jüngste Urteil. Er betont aber ebenso, dass Google seit langer Zeit seine Marktmacht missbrauche, um eine besondere Stellung im Markt zu halten und schreibt:

[…] Google missbraucht seit mehr als 15 Jahren seine Marktmacht, zum Schaden der Bürger und der gesamten Digitalwirtschaft. Dass das Gericht nun klare Konsequenzen zieht, zeigt: Das EU-Wettbewerbsrecht gilt auch für die Mächtigsten. Aber die Folgen der Selbstbevorzugung gehen weit über den heute zugesprochenen Betrag hinaus – bei uns und bei Europas Bürgern. Der Kampf geht also weiter – denn Marktmachtmissbrauch muss solche Konsequenzen haben, dass es sich nicht lohnt. Damit das Internet wieder ein Ort der Freiheit ist.

Tatsächlich muss sich Google neben den USA auch in der EU mit diversen Vorwürfen des Marktmachtmissbrauchs auseinandersetzen, die das gesamte Geschäftsmodell bedrohen könnten. Die EU-Kommission verhängte gerade erst im September dieses Jahres eine Strafe in Höhe von beinahe drei Milliarden Euro aufgrund von Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht. Seit 2014 habe Google die marktbeherrschende Stellung im Digital-Marketing missbraucht, um dem eigenen Geschäft Vorteile zu verschaffen. Parallel zur Strafzahlung forderte die EU Google auf, das Werbemodell zu ändern. Andernfalls drohten schwerwiegende Maßnahmen wie etwa eine Teilzerschlagung.

Dass sich Google-Dienste gegenseitig bevorzugen – wie es ebenfalls bei Quellenzitaten im AI Mode der Suchmaschine zu erkennen ist –, steht für die EU-Kommission außer Frage. Obwohl Google das anders sieht, hat das Unternehmen Zusicherungen für die EU gegeben. Man wolle die Informationen zu Werbegeboten ausweiten und für Wettbewerber:innen zur Verfügung stellen sowie alternative Werbe-Server neben Googles Programm verknüpfen. Laut Google würde das die Bedenken der EU „vollständig“ ausräumen. Es liegt jedoch bei der EU, zu bewerten, ob diese Anpassungen ausreichen.

Zusehends mehr Gegenwind für Google, doch die Bedrohung wird im Zaum gehalten

In den USA war Google nach der Attestierung einer illegitimen Monopolstellung im digitalen Search-Markt dem angedrohten Zwangsverkauf vom weltmarktführenden Browser Chrome entgangen. Aber: Es sollen keine Exklusiv-Deals mehr erlaubt sein, die Gerätehersteller:innen wie etwa Apple daran hindern, Konkurrenzdienste vorzuinstallieren. Des Weiteren verhängte der US-Richter Amit Mehta eine Reihe von Auflagen für den Einsatz von KI in der Suche. Denn das Gericht fürchtet, Google könnte wettbewerbsfeindliche Praktiken, die man dem Unternehmen bereits attestiert hat, auch für die Entwicklung der KI-gestützten Suche einsetzen. Darüber hinaus soll Google fortan einige zentrale Elemente aus dem eigenen Suchkosmos mit der Konkurrenz teilen. Ein für das Unternehmen wohl unerhörter Schritt, der jedoch den Wettbewerb fördern soll.


Offiziell:
Google muss Chrome nicht verkaufen,
aber Daten mit Konkurrenz teilen

© Growtika – Unsplash


Solange Google aber nur mit Auflagen und zugegebenermaßen immens hohen Strafzahlungen davonkommt, hat der schon des Öfteren bestätigte systematische Marktmachtmissbrauch auf vielen Ebenen, vom Preisvergleich bis zum Werbegeschäft, keine existentiellen Konsequenzen. Und so dürfte Googles Marktmacht bestehen bleiben. Zum Vergleich: Addiert man die knapp drei Milliarden Euro Strafe mit den geforderten Schadenersatzzahlungen für Idealo und Producto, sind es rund 3,5 Milliarden Euro, die Google zu zahlen hat. Der Umsatz von Google-Mutter Alphabet lag indes allein im dritten Quartal bei 102 Milliarden US-Dollar, der Gewinn bei rund 35 Milliarden. Das vierte Quartal dürfte das nur toppen.

Milliarden-Investments stärken Googles Zugriff auf den Digitalmarkt

Nun kommt noch dazu, dass Google bis 2029 immerhin 5,5 Milliarden Euro in Deutschlands digitale Zukunft investieren möchte, wie unter anderem Googles Patrick Löber auf X angibt.

Damit baut Google Rechenzentren hierzulande aus und sogar neu, fördert Aus- und Weiterbildungen und sorgt vor allem für Rechenleistung im KI-Zeitalter. Davon sollen große Unternehmen, „von der Deutschen Bank bis Mercedes-Benz“, ebenso profitieren wie die Politik. Deutschland soll sich als Digitalstandort behaupten können.

Zugleich kann Google damit Vertrauen schaffen, weil europäische Daten in Europa verarbeitet werden; so ist der Zugriff auf Googles Dienste weniger Kritik ausgesetzt. Dieser Zugriff bleibt dann vielfach bestehen und stärkt weiterhin ein Abhängigkeitsverhältnis zu den Lösungen der großen US-Unternehmen – zum Beispiel auch Amazon oder Microsoft mit ihren Cloud-Lösungen. Die Bundeswehr setzt ab 2027 ebenfalls auf eine Cloud-Lösung Googles.

Allein Googles Cloud-Geschäft wuchs von Q3 2024 bis Q3 2025 von 11,4 auf 15,2 Milliarden US-Dollar Umsatz an. Zum enormen Wachstum Googles tragen insbesondere aber ebenfalls die KI-Entwicklungen von den AI Overviews und dem AI Mode in der Suche über die Gemini App – mit schon über 650 Millionen monatlich aktiven Usern – bis hin zu vielfältigen API-Lösungen für Gemini und Abonnements für KI-Optionen bei. Während in AI-Suchkontexten mehr und mehr einträgliche Werbung integriert wird, sollen hochleistungsfähige KI-Modelle den digitalen Alltag der Menschen verändern. Gemini 3.0 könnte noch 2026 kommen und die Konkurrenz in den Schatten stellen. Doch je mehr Google auf Basis der ohnehin bestehenden Marktmacht entwickelt, desto größer könnte die dauerhafte Abhängigkeit werden; und ein Marktmachtmissbrauch bliebe im KI-Zeitalter nicht im Bereich des Unvorstellbaren.


Plant Google Ads in Gemini?
Mehr Werbung in KI-Diensten

© Google via Canva

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