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Digitalpolitik
Wegen Kritik zu China-Verbindungen: Oracle startet Kontrolle des TikTok-Algorithmus

Wegen Kritik zu China-Verbindungen: Oracle startet Kontrolle des TikTok-Algorithmus

Niklas Lewanczik | 17.08.22

Das Unternehmen Oracle überprüft jetzt in den USA sowohl den Algorithmus als auch die Content-Moderation von TikTok, wie Axios erfahren hat. Damit soll sichergestellt werden, dass aus China keinerlei Manipulation möglich ist.

TikTok steht fast seit dem Start der App in der Kritik, weil das Unternehmen dem chinesischen Konzern ByteDance gehört und in China Zugriff auf User-Daten gewährt und eine Kontrolle der App zugelassen hat. Insbesondere in den USA stößt diese Verbindung auf Missfallen. Manche Politiker:innen fürchten, dass die chinesische Regierung US-Nutzer:innendaten über ByteDance erhalten könnte – was der Konzern klar dementiert. Der konservative US-Politiker Brendan Carr, Vorsitzender der Federal Communications Commission (FCC) in den Vereinigten Staaten, veröffentlichte kürzlich gar einen offenen Brief, in dem sowohl Apple als auch Google aufgefordert werden, die App aufgrund angeblich unzureichender Datenschutzpraktiken aus ihren App Stores zu entfernen.

Um sich der Kritik zu erwehren und die US-Politik sowie Brands und Nutzer:innen zu beruhigen, hat TikTok das Project Texas gestartet. Im Rahmen dieses Projekts sollen US-User-Daten ausschließlich in der Infrastruktur des Technology-Partner:innenunternehmens Oracle gespeichert werden. Jetzt beginnt dieses Unternehmen auch damit, den Algorithmus der App sowie die Content-Moderation selbstständig zu überprüfen. Aus China soll keinerlei Einfluss mehr kommen. Das korreliert wiederum mit TikToks Bestreben, die Verbindung zu China bei Gelegenheit möglichst als Thema zu vermeiden.

Oracle übernimmt die Kontrolle: TikTok soll in den USA noch lokaler gesteuert werden

Sarah Fischer berichtete bei Axios als Erste über die Kontrolle, die Oracle jetzt nicht nur über User-Daten, sondern auch über den Algorithmus und die Content-Moderation auf TikTok ausübt. Demnach möchte TikTok auch gegenüber der US-Politik klarstellen, dass die App in den USA unabhängig vom Einfluss der chinesischen Regierung, und möglichst unabhängig von Mutterunternehmen ByteDance agiert. TikToks CEO Shou Zi Chew betonte in einem Antwortschreiben an diverse US-Senator:innen zuletzt bereits:

The Chinese government does not directly or indirectly have the right to appoint board members or otherwise have specific rights with respect to any ByteDance entity within the chain of ownership or control over the TikTok entity.

Des Weiteren erklärt TikTok immer wieder: „Die TikTok App funktioniert nicht einmal in China.“ Immerhin gibt es in China die Pendant-Version Douyin, die sich jedoch in einigen Punkten stark von TikTok unterscheidet. Außerdem erklärt das Unternehmen: „TikTok ist in seiner Erfahrung und seinem Betrieb stark lokalisiert.“ Das trifft nun mehr denn je auf die USA zu. Inzwischen werden alle US-User-Daten zu Oracles Cloud-Infrastruktur migriert. Oracle hatte im Sommer 2020 Interesse an einem Kauf der App gezeigt, nachdem der damalige US-Präsident Donald Trump TikTok vor die Wahl zwischen einer Verbannung aus den USA und einem Verkauf an ein US-Unternehmen stellte. Zu einem Verkauf kam es letztlich ebenso wenig wie zur Verbannung – und ein von Trump durchgesetztes Verbot der App wurde als nicht zulässig erklärt und später von US-Präsident Joe Biden wieder aufgehoben. Allerdings ist Oracle seit 2020 als Technology-Partner:in TikToks eng mit dem Unternehmen verbunden.

Prüfung des Algorithmus und der Content-Moderation

Gegenüber Axios bestätigte ein Mitglied des TikTok-Presse-Teams, dass TikTok ab jetzt regelmäßig eine Überprüfung und Validierung des Algorithmus und der Content-Moderation der App vornehmen wird. Dabei soll auch transparent gemacht werden, wer Zugriff auf etwaige Veränderungen des Algorithmus hat und wie die Moderation der Inhalte gesteuert wird. Letztere geriet kürzlich stark in die Kritik. Denn laut einem Bericht von Forbes sollen Content-Moderator:innen bei TikTok mit Aufnahmen sexualisierter Gewalt gegen Kinder geschult worden sein. Diese Aufnahmen sollten als Referenz gelten, sind jedoch illegal und moralisch als Schulungsmaterial nicht vertretbar.

Auch der TikTok-Algorithmus, den das Unternehmen schon mehrfach erklärte, soll strenger überwacht werden. Dieser wird ebenfalls vielfach kritisiert, ist in der Social-Media- und Entertainment-Landschaft jedoch populär, weil er die Nutzer:innen zu langer Verweildauer animiert. Daher testen auch andere Plattformen, aktuell beispielsweise LinkedIn, Feeds nach TikToks Vorbild.

Die Kontrolle durch Oracle soll TikTok einerseits gegenüber der Öffentlichkeit als unabhängiges Unternehmen darstellen, andererseits die Sicherheit der User und auch Mitarbeiter:innen stärken. Dies sei dank der Oracle-Infrastruktur möglich, wie TikToks Head of US Security Albert Calamug bereits erklärte:

For more than a year, we’ve been working with Oracle on several measures as part of our commercial relationship to better safeguard our app, systems, and the security of US user data. Today, 100% of US user traffic is being routed to Oracle Cloud Infrastructure.

Ob das genug ist, um die Kritik an der App verstummen zu lassen, ist fraglich. ByteDance bleibt das Mutterunternehmen und TikTok könnte in den USA weiterhin Spielball digitalpolitischer Diskurse bleiben. Dennoch tut das Unternehmen viel dafür, um eine Reduzierung auf die Herkunft loszuwerden.

Erwähnenswert ist in der Debatte über Datenschutz und die Zugriffe durch Regierungen auch, dass beispielsweise Daten, die auf Servern von großen Social-Media-Unternehmen in den USA gespeichert werden, von US-Strafverfolgungsbehörden eingesehen werden können. Die Daten von EU-Nutzer:innen können im Rahmen der Datenschutzregelungen der Europäischen Union nicht ohne Weiteres so gespeichert werden – zumindest nicht rechtmäßig –, sind jedoch auch nicht immer vor dem Zugriff in den USA gefeit.

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