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Digitalpolitik
Ein Jahr DSGVO: KMUs stellen sich aufs Inbound Marketing ein

Ein Jahr DSGVO: KMUs stellen sich aufs Inbound Marketing ein

Ein Gastbeitrag von Lucas Wojcik | 27.05.19

Seit einem Jahr ist die DSGVO nun EU-weit inkraft. Wie viel Panik war berechtigt, was sind mittelfristige Folgen und wie viel Datenschutz steckt eigentlich drin?

Am Samstag war es soweit: Happy Birthday, DSGVO! Die neue EU-Verordnung zum Schutz personenbezogener Daten wurde ein Jahr alt. Ein Meilenstein für den Datenschutz, doch im Markt hat das schon jetzt gravierende Konsequenzen. Viele ändern ihre Marketing-Strategien, Mittelständler müssen sich gegen die weltweiten Multis neu behaupten. Wie das konkret aussieht aussieht, zeigt der folgende Überblick.

Das Werbeverhalten hat sich durch die DSGVO verändert

Im Mai 2018 ist die große Bombe geplatzt: Die Datenschutz-Grundverordnung sorgte unter kleinen und größeren Unternehmen gleichermaßen für Panik. Die exorbitanten Strafen, die vor allem für viele der KMUs hierzulande das Aus bedeuten würden, sind jedoch bis heute ausgeblieben. Der erste Schreck hat sich gelegt. Statt massenhafter Insolvenzen hat die DSGVO einen ganz anderen Nebeneffekt ins Rollen gebracht: Das Werbeverhalten hat sich nämlich spürbar verändert – zumindest in der E-Commerce-Branche.

Es geht weg vom Direktmarketing, hin zum cleveren Inbound Marketing: Wir sehen im Retail-Bereich, dass Unternehmen stärker auf Social Media, Native Advertising, SEA und SEO setzen, zulasten der traditionellen E-Mail-Kampagnen. Warum? Viele Unternehmen, so scheint es, fürchten sich nach der DSGVO geradezu vor allem, was mit personenbezogenen Daten zu tun hat. Unternehmen satteln auf alternative Marketing-Methoden um, denn es erscheint sicherer, im Web gefunden zu werden, anstatt wie gewohnt einen Newsletter nach dem anderen rauszuhauen. 1:0 für das Inbound Marketing also. Und es muss darauf hingewiesen werden, dass gerade im Inbound Marketing ein perfekter Produktdatenfeed extrem wichtig dafür ist. Bei dieser immer beliebter werdenden Marketingform geht nichts ohne die korrekte Angabe von Produktmerkmalen wie Preis, Farbe, oder Ausstattung. Nur so kann Inbound Marketing sein volles Potential entfalten und als echte Alternative funktionieren.

Eine solche von der DSGVO letztlich losgetretene Entwicklung hat gravierende Konsequenzen für den Markt: Inbound Marketing ist in Summe komplexer und erfordert in der Regel höhere Investitionen als den immer gleichen E-Mail-Verteiler mit Produkt-News zu fluten. Allein SEA ist ja ein reiner Bieterwettbewerb, bei dem die Konzerne im Vergleich zu den KMUs ihre Größenvorteile voll ausspielen können. So gesehen ist die neue Verordnung ein Wettbewerbshemmnis: Es schwächt tendenziell die Mittelständler und lässt die Großen weiterwachsen.

Kaum nennenswerte Strafen für KMUs

Diese Entwicklung im Werbemarkt spiegelt das eigentliche Dilemma der DSGVO wider: Während größere Unternehmen bereits vor dem Inkrafttreten proaktiv Maßnahmen für eine entsprechende Konformität einführten, blieben kleinere Händler und Hersteller vor Panik erstarrt zurück. Vielen von ihnen war es schlichtweg kaum möglich, den zusätzlichen finanziellen und organisatorischen Aufwand professionell abzufangen. Es mag vor diesem Hintergrund tröstlich sein, dass satte Bußgeldzahlungen wegen DSGVO-Verstößen für die KMUs ausblieben. Statt den angedrohten 20 Millionen Euro oder 4 Prozent des Jahresumsatzes belaufen sich die bisher verhängten Strafen im niedrigeren vier- bis fünfstelligen Bereich – doch das Risiko und die Rechtsunsicherheit bleiben.

Das erste Zwischenfazit nach einem Jahr DSGVO lautet also: Wir befinden uns in einer großen, wabernden Grauzone. Dem potentiellen Kunden ein „berechtigtes Interesse“ zu unterstellen, um ungeklärte Fragen geschickt zu umschiffen und die personenbezogenen Daten weiterhin für Marketingzwecke zu verwenden, haben inzwischen viele als beliebte Methode für sich entdeckt. Bei Bestandskunden, die schon mehrmals im Shop bestellten, ist dies völlig legitim. Lädt sich ein User die Bedienungsanleitung eines TV-Geräts herunter, hätte dieses Argument jedoch keinerlei Bestand. Um eine eindeutige Einverständniserklärung via Double Opt-in kommt hier niemand herum. Die Tatsache, dass im Zweifelsfall jeder Einzelfall geprüft werden müsste, lässt natürlich vor allem die kleineren Unternehmen, die eben nicht Heerscharen von Juristen beschäftigen, zögern.

Weckruf an die Retailer

Letztlich mag die DSGVO die Rechte der Verbraucher besser schützen, für mehr Wettbewerbsgerechtigkeit sorgt sie aber sicher nicht. Die neue EU-Regelung ist immerhin ein Weckruf an die Retailer, ihre bisherigen Marketingaktivitäten kritisch zu hinterfragen und zu überdenken. Wer über den Herausforderungen der DSGVO ins Straucheln gerät und weiterhin krampfhaft an alten Methoden festhält, der wird es auch in Zukunft schwer haben, sich gesetzlichen Neuerungen agil anzupassen – und so könnte spätestens die anstehende ePrivacy-Richtlinie für manche tatsächlich zu einer unüberwindbaren Hürde werden.

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