Human Resources
Bewerbungen auf nicht existierende Stellen: Knapp 30 Prozent aller Stellenausschreibungen sind Ghost Jobs

Bewerbungen auf nicht existierende Stellen: Knapp 30 Prozent aller Stellenausschreibungen sind Ghost Jobs

Marié Detlefsen | 17.11.25

Ghost Jobs verbreiten sich rasant und viele Bewerber:innen merken nicht einmal, dass sie auf Stellen hoffen, die es in der Realität nie geben wird. Eine neue Analyse zeigt, welche Branchen besonders betroffen sind und warum jedes dritte Jobangebot zur Luftnummer werden kann.

Stellenanzeigen sind längst ein fester Kompass für Arbeitnehmer:innen auf Jobsuche. Doch dieser Kompass zeigt zunehmend in die Irre. Was in den USA bereits ein viel diskutiertes Phänomen ist, lässt sich inzwischen (wenn auch in abgeschwächter Form) auch auf dem deutschen Arbeitsmarkt erkennen: Ghost Jobs. Darunter versteht man Stellenausschreibungen, die zwar veröffentlicht werden, bei denen aber nie eine tatsächliche Einstellung erfolgt. Aktuelle Zahlen aus den JOLTS-Daten des Bureau of Labor Statistics zeigen, wie groß das Problem geworden ist, und warum Millionen Menschen auf Jobs hoffen, die es praktisch gar nicht gibt.

Jede dritte Anzeige ist ein Ghost Job

Die USA sind zwar Vorreiter:in dieser Entwicklung, doch auch Bewerber:innen in Deutschland berichten zunehmend, dass Stellen lange online bleiben, sich Prozesse ewig ziehen oder Rückmeldungen komplett ausbleiben. Gerade im öffentlichen Sektor, in Teilen des Gesundheitswesens und bei großen Konzernen wirkt der Trend spürbar.

Ein Blick auf die US-Zahlen zeigt das Ausmaß: Im Juni 2025 waren 7,4 Millionen offene Stellen gemeldet, aber es kam nur zu 5,2 Millionen Einstellungen. Damit blieben über 2,2 Millionen Positionen unberührt, also knapp 30 Prozent aller Ausschreibungen. Fast jede dritte Anzeige führte demnach zu keinerlei Einstellung.

Allerdings ist diese Entwicklung nicht neu: Seit 2021 schwankt die sogenannte Phantom Gap kontinuierlich zwischen 28 und 38 Prozent. Gleichzeitig stagnieren die tatsächlichen Einstellungen seit Jahren auf rund sechs bis sieben Millionen pro Monat – selbst dann, wenn die Zahl der ausgeschriebenen Stellen zeitweise auf über 11 Millionen hochgeschnellt ist.

Seit 2021 schwankt die sogenannte Phantom Gap kontinuierlich zwischen 28 und 38 Prozent, © myperfectresume
Seit 2021 schwankt die sogenannte Phantom Gap kontinuierlich zwischen 28 und 38 Prozent (mit einem Klick aufs Bild gelangst du zur größeren Ansicht), © myperfectresume

Für Bewerber:innen bedeutet das viel investierte Zeit, aber wenig Resultate. Für Unternehmen kann dies zu einem wachsenden Glaubwürdigkeitsproblem führen. Und für die Politik bedeutet dies Statistiken, die ein deutlich verzerrtes Bild des Arbeitsmarktes zeichnen.

Fachkräftemangel und Strategie als Ursachen für Ghost Jobs

Doch warum stellen Unternehmen Positionen online, die sie gar nicht besetzen? Die Gründe reichen von ungewollt bis strategisch:

  • Fachkräftemangel: Besonders im Gesundheits- und Bildungsbereich gibt es echte Vakanzen, aber zu wenige qualifizierte Bewerber:innen.
  • Talent-Pipelines: Unternehmen halten Ausschreibungen offen, um Bewerber:innen „anzusammeln“, auch wenn kein akuter Bedarf besteht.
  • Interne Verzögerungen: Budgetstopps, Umstrukturierungen oder fehlende Freigaben führen dazu, dass Rollen zwar sichtbar, aber nicht besetzbar sind.
  • Hohe Fluktuation: In Branchen mit starkem Personalwechsel werden Inserate dauerhaft aktiv gehalten, um auf Engpässe vorbereitet zu sein.

Doch die Studie legt nahe: Ein Teil der Ghost Jobs ist weniger Zufall als Strategie. Manche Firmen posten bewusst überhöhte Zahlen, um Wachstum zu signalisieren, Auswahlmöglichkeiten zu vergrößern oder zukünftige Anforderungen vorwegzunehmen.


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© Andrea Piacquadio – Pexels


Welche Branchen sind besonders von Ghost Jobs betroffen?

Besonders deutlich zeigt sich das Ghost-Job-Phänomen, wenn man die Branchen vergleicht: Am stärksten betroffen ist der öffentliche Sektor, in dem fast 60 Prozent aller Ausschreibungen nie zu einer tatsächlichen Einstellung führen – ein Bereich, der ohnehin für lange Entscheidungswege und komplexe Freigabeprozesse bekannt ist. Direkt dahinter folgen Bildung sowie Gesundheitswesen, wo rund jede zweite Stelle ins Leere läuft. Hier trifft ein echter Personalbedarf auf massive Engpässe, etwa durch Lehrkräfte- oder Pflegefachkräftemangel, was dazu führt, dass viele Ausschreibungen zwar dringend sind, aber dennoch unbesetzt bleiben.

Ebenfalls auffällig sind Branchen wie Finanzen und Informationstechnologie, die mit Ghost-Job-Raten zwischen 44 und 48 Prozent zu den Problemfeldern zählen. Unternehmen in diesen Bereichen posten häufig strategisch viele Stellen – etwa, um Talentpools zu füllen oder Wachstumsstärke zu signalisieren –, ohne dass es zeitnah zu Einstellungen kommt.

Im öffentlichen Sektor führen fast 60 Prozent aller Ausschreibungen nie zu einer tatsächlichen Einstellung, © myperfectresume
Im öffentlichen Sektor führen fast 60 Prozent aller Ausschreibungen nie zu einer tatsächlichen Einstellung (mit einem Klick aufs Bild gelangst du zur größeren Ansicht), © myperfectresume

Ganz anders sieht es dagegen im Bau und in der Gastronomie beziehungsweise Hotellerie aus: Hier bewegen sich Einstellungen und ausgeschriebene Positionen fast im Gleichklang, teilweise liegt die Zahl der neuen Mitarbeitenden sogar höher als die Zahl der offenen Stellen. Diese Konsumbereiche reagieren unmittelbar auf Personalbedarf, was zu einer deutlich realistischeren und dynamischeren Stellensituation führt.

Folgen für Bewerber:innen und Arbeitsmarkt

Für Arbeitssuchende hat die hohe Anzahl der Ghost Jobs Konsequenzen:

  • Zeitverlust durch Bewerbungen auf nicht existierende Rollen
  • Frustration und sinkendes Vertrauen in Unternehmen
  • Unklare Marktverhältnisse, da offizielle Daten verzerrt wirken
  • Weniger strategische Planung von Karriereschritten

Viele berichten inzwischen, dass sie dutzende Bewerbungen verschicken, aber kaum Rücklauf bekommen – nicht, weil sie unqualifiziert wären, sondern weil die Stelle vielleicht nie real war.

Der US-Arbeitsmarkt wirkt auf dem Papier voller Chancen, doch ein erheblicher Teil davon ist schlicht nicht real. Die Ghost-Job-Ökonomie führt dazu, dass Bewerber:innen sich abrackern, Unternehmen an Glaubwürdigkeit verlieren und politische Entscheidungen auf Basis geschönter Daten getroffen werden. Auch in Deutschland ist dieser Trend angekommen, wenn auch in abgeschwächter Form. Solange Jobanzeigen nicht zuverlässig widerspiegeln, was Unternehmen wirklich vorhaben, bleibt der Arbeitsmarkt ein undurchsichtiger Ort und die Suche nach dem nächsten Job ein Weg voller Sackgassen.


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Kommentare aus der Community

Uwe Borchert am 17.11.2025 um 17:30 Uhr

Ein Drittel wäre für Deutschland viel zu optimistisch. Werbeanzeigen, in der SZ-Preisliste HR-Image-Anzeigen genannt, gab es hier schon in den 1980ern. Mir wurden damals einiges an Beispiel gezeigt. Deutschland ist nach meinen Kenntnissen da Vorreiter. Ich würde mindestens die Hälfte oder gar zwei Drittel aller Stellenausschreibungen als Dummies betrachten.

Es fehlen im Artikel auch Hinweise auf die Allgemeinanzeigen für Strukturstellen in den Datenbanken der Zeitarbeitsfirmen und Personalvermittler. Diese Strukturstellen existieren in den Datenbanken der ZA/PV falls mal eine Anfrage kommt. Diese Wahrscheinlichkeit liegt aber idR nur im einstelligen Prozentbereich. Zum Ausgleich werden diese Stellen um so häufiger ausgeschrieben.

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