Human Resources
Studium ohne Jobgarantie: Warum ein Abschluss heute kein Freifahrtschein mehr ist

Studium ohne Jobgarantie: Warum ein Abschluss heute kein Freifahrtschein mehr ist

Marié Detlefsen | 10.11.25

Ein Studium galt lange als Eintrittskarte in eine sichere Karriere, doch diese Gewissheit scheint vorbei. Immer mehr Akademiker:innen kämpfen nach dem Abschluss mit unsicheren Jobperspektiven, während KI den Arbeitsmarkt dominiert. Besonders die Marketing-Branche ist betroffen.

Lange galt ein Studium als Schlüssel zu sicheren Karrieren und gut bezahlten Jobs. Doch diese Gewissheit bröckelt zunehmend. Immer mehr Absolvent:innen stehen nach dem Abschluss nicht sofort im Arbeitsleben, und das, obwohl von Fachkräftemangel die Rede ist. Eine aktuelle Analyse von Dr. Simon Janssen, Arbeitsmarktforscher am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), zeigt: Der Arbeitsmarkt für Akademiker:innen hat sich in den vergangenen Jahren weitgehend verändert und nicht alle profitieren davon.

Akademiker:innen ohne Festanstellung – eine wachsende Realität

Die Arbeitslosenquote unter Akademiker:innen lag 2024 laut IAB bei 2,9 Prozent. Das klingt zunächst niedrig, doch der Trend zeigt nach oben und das nach Jahren der Stabilität. Zum Vergleich: 2003 lag die Quote mit sieben Prozent deutlich höher, seither aber war sie über ein Jahrzehnt lang kaum über die Marke von drei Prozent gestiegen. Nun ist die Zahl der arbeitslosen Hochschulabsolvent:innen wieder leicht im Aufwind.

Jahresdurchschnittsbestand an Arbeitslosen mit (Fach-)Hochschulabschluss und Arbeitslosenquote, © Bundesagentur für Arbeit
Jahresdurchschnittsbestand an arbeitslosen Akademiker:innen (mit einem Klick aufs Bild gelangst du zur größeren Ansicht), © Bundesagentur für Arbeit

Die Ursachen dafür sind vielfältig. Eine zentrale Rolle spielt die unbeständige Weltwirtschaft. Handelszölle, der Strukturwandel in der Autoindustrie und der Übergang zur Elektromobilität sorgen für Verunsicherung. Besonders betroffen sind mittelständische Betriebe im verarbeitenden Gewerbe und Bau, die weniger und vor allem anders qualifizierte Arbeitskräfte benötigen. Diese Veränderungen treffen auch viele junge Ingenieur:innen und Techniker:innen, die bisher als sichere Arbeitsmarktgewinner:innen galten.

Fachkräftemangel fällt unterschiedlich in den Branchen aus

Dass Unternehmen einerseits über fehlende Fachkräfte klagen, während andererseits mehr Akademiker:innen ohne Job sind, klingt paradox. Doch Dr. Janssen erklärt: Viele Firmen hätten in den vergangenen Jahren bereits im Voraus mehr Hochschulabsolvent:innen eingestellt, um sich gegen künftige Engpässe abzusichern. Jedoch zeigen sich die Schattenseiten dieser Strategie, insbesondere für Berufseinsteiger:innen, die auf freie Stellen hoffen.

Studienfachbezogene Arbeitslosenquoten für ausgewählte Studienfachrichtungen in Prozent, © Bundesagentur für Arbeit
Studienfachbezogene Arbeitslosenquoten für ausgewählte Studienfachrichtungen in Prozent (mit einem Klick aufs Bild gelangst du zur größeren Ansicht), © Bundesagentur für Arbeit

Zudem sei der Fachkräftemangel stark branchenabhängig. Während im Gesundheitswesen, im Bildungssektor und im öffentlichen Dienst nach wie vor viele Fachkräfte gesucht werden, sieht es in anderen Bereichen ganz anders aus. In technischen Berufen etwa variiert die Arbeitslosenquote deutlich: Bei IT-Spezialist:innen und Elektrotechniker:innen lag sie 2024 bei 3,7 Prozent, im Maschinenbau dagegen bei rund 2,8 Prozent und damit auf Durchschnittsniveau. Besonders niedrig ist die Quote mit 1,2 Prozent in der technischen Forschung, einem Bereich, der stark von universitären Abschlüssen geprägt ist.

KI macht Akademiker:innen Einstiegsjob streitig

Mittlerweile verändert auch Künstliche Intelligenz die Berufsbilder und damit ebenso die Anforderungen an Akademiker:innen. Aufgaben, die sich wiederholen, etwa bestimmte Programmier- oder Datenauswertungsprozesse, werden zunehmend automatisiert. Das betrifft vor allem mittlere Qualifikationsniveaus. Wer dagegen spezialisiertes Expert:innenwissen mitbringt oder an der Entwicklung neuer Technologien beteiligt ist, hat nach wie vor gute Chancen. Vor allem für jene, die Software oder KI selbst entwickeln, bleiben die Berufsaussichten stabil.


Wenn KI den Berufseinstieg blockiert:

Warum junge Talente es schwerer haben, Fuß zu fassen

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© Christina Morillo – Pexels


Laut Janssen spielt auch der Hochschultyp eine Rolle. Laut seinen Angaben seien Absolvent:innen von Fachhochschulen stärker von Arbeitslosigkeit betroffen als Universitätsabsolvent:innen. Der Grund liege im unterschiedlichen Qualifikationsprofil: Fachhochschulstudiengänge vermitteln oft praxisnähere, aber weniger tiefgehende theoretische Kenntnisse. Genau diese theoretische Tiefe wird aber zunehmend gebraucht, vor allem in Feldern, in denen Künstliche Intelligenz Routineaufgaben übernimmt und komplexere Tätigkeiten erfordert.

Arbeitslosenquote von Akademiker:innen dennoch vergleichsweise niedrig

Deutlich robuster zeigt sich der Arbeitsmarkt daher in Bereichen, die weniger anfällig für Automatisierung sind. Dazu zählen Medizin, Bildung, Pflege und der öffentliche Dienst. Diese Sektoren folgen weder den Schwankungen der Industrie noch den technischen Disruptionen so unmittelbar. Der Bedarf an Ärzt:innen, Lehrer:innen und Pflegekräften bleibt hoch.

Berufsspezifische Arbeitslosenquoten für ausgewählte Berufsgruppierungen (Richtungspfeile: 2024 im Vergleich zum Vorjahr), © Bundesagentur für Arbeit
Berufsspezifische Arbeitslosenquoten für ausgewählte Berufsgruppierungen (Richtungspfeile: 2024 im Vergleich zum Vorjahr; mit einem Klick aufs Bild gelangst du zur größeren Ansicht), © Bundesagentur für Arbeit

Trotzdem lohnt sich ein Studium insgesamt weiterhin. Die Arbeitslosenquote von Akademiker:innen ist nach wie vor niedriger als die von Personen ohne Hochschulabschluss: 2024 waren 3,4 Prozent der Menschen ohne Ausbildung arbeitssuchend und damit leicht mehr als jene mit Studium (2,9 Prozent). Der Abstand schrumpft zwar, doch wer einen Abschluss hat, ist im Durchschnitt besser gegen Krisen abgesichert.

Eine Erkenntnis aus den IAB-Daten zeigt außerdem: Geografische Flexibilität zahlt sich aus. Wer bereit ist, für eine Stelle den Wohnort zu wechseln, findet deutlich schneller eine passende Anstellung. Akademiker:innen, die räumlich mobil bleiben und in ihrem Fachbereich arbeiten, können laut Janssen ihr Gehalt meist halten. Das Studium bleibt damit ein wertvolles Investment, doch die Zeiten, in denen ein Abschluss automatisch zu einer sicheren Anstellung führte, sind vorbei. Der Arbeitsmarkt verlangt heute Flexibilität, Spezialisierung und Anpassungsfähigkeit.


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