Human Resources
Mehr Arbeit, kein Titel: Das ist Quiet Hiring

Mehr Arbeit, kein Titel: Das ist Quiet Hiring

Marié Detlefsen | 15.10.25

Quiet Hiring gilt als neues Schlagwort der Arbeitswelt – doch was steckt wirklich hinter diesem Trend, bei dem Mitarbeitende unbemerkt mehr Verantwortung übernehmen? Wir zeigen dir die Ursachen und Folgen und geben Tipps, wie Unternehmen konstruktiv damit umgehen können.

Flexible Arbeitsmodelle, Debatten über die Vier-Tage-Woche und das Ende der Pandemie haben viele Erwartungen an eine Entlastung im Berufsalltag geweckt. Doch die Realität sieht anders aus: Das Stressniveau von Beschäftigten ist weltweit so hoch wie nie zuvor, die Motivation sinkt und neue Arbeitsphänomene treten in den Vordergrund. Nach Quiet Quitting und Quiet Cracking rückt nun verstärkt auch das sogenannte Quiet Hiring in den Fokus. Doch was steckt dahinter – und wie können Unternehmen wie auch Arbeitnehmer:innen damit umgehen?

Was ist Quiet Hiring?

Der Begriff Quiet Hiring beschreibt eine Entwicklung, bei der Unternehmen fehlende Fachkräfte nicht durch externe Einstellungen ausgleichen, sondern zusätzliche Aufgaben auf die bestehenden Teams verteilen. Mitarbeitende übernehmen also Tätigkeiten, die eigentlich für neue Kolleg:innen vorgesehen wären – ohne offizielle Beförderung oder Gehaltserhöhung. Auslöser hierfür sind vor allem:

  • der Fachkräftemangel in vielen Branchen
  • steigende Kosten für Rekrutierung und Einarbeitung
  • wirtschaftliche Unsicherheiten, die Neueinstellungen erschweren
  • zunehmender Wettbewerbsdruck durch Globalisierung und Digitalisierung

Für Unternehmen mag dieses Modell kurzfristig Effizienz versprechen, für Arbeitnehmer:innen birgt es jedoch deutliche Risiken: Mehr Verantwortung ohne Anerkennung führt häufig zu Überlastung, Unzufriedenheit und im schlimmsten Fall zu innerer Kündigung. Auch das Vertrauen in die Fairness der Arbeitgeber:innen kann darunter leiden.

Quiet Quitting: Die stille Arbeitsverweigerung

Im Zusammenhang mit Quiet Hiring wird oft auf ein verwandtes Phänomen verwiesen: das Quiet Quitting. Darunter versteht man, dass Beschäftigte zwar weiterhin ihre vertraglich festgelegten Aufgaben erledigen, freiwillige Mehrarbeit oder zusätzliche Projekte jedoch konsequent ablehnen. Laut dem State of the Global Workplace Report 2023 von GALLUP sei die Mehrheit aller Beschäftigten weltweit dem Quiet Quitting verschrieben. Der Report befragt Beschäftigte weltweit zu ihrer derzeitigen Arbeitssituation und versucht herauszufinden, wie sich arbeitsbezogene Faktoren wie Stress oder Motivation über die Jahre verändern. Dabei gaben 44 Prozent aller Befragten an, viel Stress in ihren vergangenen Arbeitstagen empfunden zu haben.

44 Prozent aller Beschäftigten weltweit fühlen sich gestresst, © 2023 Gallup
44 Prozent aller Beschäftigten weltweit fühlen sich gestresst, © 2023 Gallup

Etwa 59 Prozent aller Arbeitnehmenden betreiben laut Report aktuell Quiet Quitting und 18 Prozent Loud Quitting. Letzteres stellt eine noch radikalere Form dar und bezeichnet ein Verhalten von Mitarbeitenden, welche in ihrer Unzufriedenheit sogar Maßnahmen ergreifen, die dem Unternehmen direkt schaden können.

Besonders jüngere Generationen wie Millennials und Gen Z nutzen Quiet Quitting als stillen Protest gegen steigenden Druck und fehlende Wertschätzung. Sie legen mehr Wert auf Work-Life-Balance und grenzen ihre berufliche Rolle klarer vom Privatleben ab. Allerdings hat das Verhalten deutliche Schattenseiten: Im Team führt es häufig zu Spannungen, da die Arbeitslast ungleich verteilt wird. High Performer fühlen sich überfordert, während Low Performer in die Kritik geraten. Jede:r Dritte zeigt sich genervt davon, wenn die Arbeit von weniger engagierten Angestellten übernommen werden muss.


Von Quiet Quitting zu Quiet Cracking:

Warum Arbeitnehmer:innen nicht mehr kündigen, sondern leiden

Von Quiet Quitting zu Quiet Cracking: Warum Arbeitnehmer:innen nicht mehr kündigen, sondern leiden
© Katrin Bolovtsova – Pexels


Quiet Cracking: Wenn die Belastung zum inneren Bruch führt

Doch was passiert, wenn Quiet Quitting überhandnimmt und Arbeitnehmer:innen unter ihrer Belastung zusammenbrechen? Hierbei handelt es sich um Quiet Cracking. Dabei geht es nicht nur um eine bewusste Arbeitsverweigerung, sondern um einen inneren Zusammenbruch am Arbeitsplatz. Betroffene wirken nach außen funktional – sie erfüllen ihre Aufgaben, zeigen sich professionell –, doch innerlich kämpfen sie mit Erschöpfung, Resignation oder gar ernsthaften psychischen Problemen.

Quiet Cracking entsteht häufig, wenn Arbeitnehmer:innen sich in einer Zwickmühle befinden: Sie fühlen sich entfremdet, sehen aber aufgrund unsicherer Arbeitsmärkte oder fehlender Alternativen keinen Ausweg. Das Resultat sind Symptome wie Schlafstörungen, innere Unruhe oder chronischer Stress. Damit ist Quiet Cracking weniger ein Verhalten als vielmehr ein Alarmzeichen für strukturelle Probleme in der Arbeitswelt.

Lösungsansätze: Wie Unternehmen Quiet Hiring positiv gestalten können

Quiet Hiring und die damit einhergehende Verteilung von Mehrarbeit ohne entsprechende Belohnung kann also unter anderem zu Quiet Quitting und im schlimmsten Fall sogar zu Quiet Cracking führen. Doch so nachvollziehbar die Ursachen für Quiet Hiring sind, so klar ist auch: Langfristig können Unternehmen dieses Modell nicht allein auf Kosten ihrer Beschäftigten umsetzen. Damit Quiet Hiring nicht zur Belastung wird, braucht es eine strategische Neuausrichtung.

Wir haben mit Nadia Alaee gesprochen, Senior Director und Leiterin des HR-Businesspartner-Bereichs bei Deel, welche ein paar Lösungsansätze für ein positives Quiet Hiring liefert:

  1. Interne Mobilität stärken: Unternehmen, die interne Mobilität aktiv fördern, steigern ihre organisatorische Anpassungsfähigkeit, erhöhen die Schnelligkeit ihrer Reaktionen, senken langfristig die Rekrutierungskosten und treiben den Aufbau internationaler Netzwerke voran. Unternehmen reagieren schneller, wenn sie Talente dort einsetzen, wo sie den größten Mehrwert schaffen – und sparen zugleich Recruitingaufwand
  2. Upskilling und Weiterbildung ermöglichen: KI-Know-how bleibt geschäftskritisch. Unternehmen sind gefordert, ihre Mitarbeitenden aktiv beim Skill-Aufbau zu begleiten und ihnen mit flexiblen Lernmodellen die Chance zu geben, sich unabhängig von Zeit und Ort weiterzuentwickeln. So werden Teams weltweit zukunftsfähig.

3. Global Recruiting nutzen: Fehlen die passenden Kompetenzen im Inland, wird globales Recruiting zur strategischen Option: Eine internationale Rekrutierungsstrategie schließt Skill Gaps effektiv und bringt zugleich Mehrwert durch Vielfalt und stärkere Marktanbindung. Wo der nationale Talentpool nicht ausreicht, eröffnet globales Recruiting neue Chancen: Unternehmen können Qualifikationslücken schließen und zugleich von kultureller Vielfalt sowie einer engeren Anbindung an internationale Märkte profitieren.

  1. Zukunftsfähigkeit als Leitgedanke: Zukunftsfähigkeit entsteht, wenn Unternehmen interne Wechsel erleichtern, Mitarbeitende beim Aufbau neuer technischer Fähigkeiten, wie etwa in den Bereichen Datenanalyse oder KI-Einsatz fördern, und zugleich global rekrutieren. So entstehen Teams, die flexibler, innovativer und international vernetzter sind.

Mehr Transparenz statt Quiet Hiring

Quiet Hiring zeigt, wie Unternehmen versuchen, auf Fachkräftemangel und wirtschaftlichen Druck zu reagieren. Doch ohne transparente Kommunikation, faire Anerkennung und gezielte Förderung birgt dieses Vorgehen erhebliche Risiken für Motivation, Gesundheit und Bindung der Mitarbeitenden. Die Folgen können sogar bis zum Quiet Quitting oder im schlimmsten Fall bis zum Quiet Cracking reichen. Eine gute Kommunikation zwischen HR und den Angestellten ist daher das A und O. Nadia Alaee betont abschließend in diesem Rahmen:

Eine zukunftsfähige Talentstrategie ist kein kurzfristiges Projekt, sondern ein fortlaufender, unternehmensweiter Prozess. Wer Kompetenzen systematisch entwickelt, interne Potenziale aktiviert und global skalierbar macht, sichert sich einen klaren Wettbewerbsvorteil – nicht nur bei der Stellenbesetzung, sondern auch in puncto Innovation, Resilienz und Wachstum.


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Dieser Artikel erschien erstmals am 2. September 2025.

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